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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
What goes around, comes around ! Die Geschichte zentralamerikanischer Gangs zwischen L.A. und Tegucigalpa
Im Herbst 2018 traten mehrere tausend Menschen aus Guatemala, El Salvador und Honduras einen über 4000 Kilometer langen Fußmarsch in Richtung US-amerikanischer Grenze an. Die Gruppe von etwa 7000 Flüchtlingen versuchte damit der Armut und Gewalt in ihren Ländern zu entkommen. Die Politik in den USA reagierte nervös angesichts dieser, so bezeichneten „Migranten-Karavane“, und Donald Trump drohte bald mit einer Kürzung von Hilfszahlungen an diese Länder – als Strafe für deren angeblich unzureichende Maßnahmen zur Festhaltung der fliehenden Menschen. 1) BBC: Migrant Caravan: What it is and why does it matter?; Artikel vom 26. November 2018 2) tagesschau: Migration aus Mittelamerika: Trump lässt Hilfszahlungen kürzen; Artikel nicht mehr verfügbar
Dabei muss zum Verständnis der kontinuierlichen Migrationsbewegungen aus Guatemala, El Salvador und Honduras auch vergangene US-amerikanische Außen- und Migrationspolitik betrachtet werden. Denn die Gewalt, der viele Menschen aus Zentralamerika zu entkommen versuchen, hängt in großen Teilen mit dort agierenden kriminellen Banden zusammen, die den Drogen- und Menschenhandel kontrollieren und teilweise ganze Stadtteile terrorisieren. In Honduras und El Salvador gehen etwa 45 Prozent der Morde auf das Konto der Gangs. Und das in Ländern, in denen die Mordraten mit die höchsten der Welt sind. Die Ursprünge dieser Gangs, oder „Maras“, finden sich dabei nicht etwa in den betroffenen Ländern selbst, sondern in den Vororten von Los Angeles, wohin viele Zentralamerikaner bereits in den 1980er Jahren geflohen waren. 3) Peetz, P.: Zentralamerikas Jugendbanden: Maras in Honduras, El Salvador und Guatemala; Veröffentlicht 2004
Damals versuchten viele Flüchtende vor allem den Bürgerkriegen in ihren Ländern zu entkommen, die dort in den vergangenen Jahrzehnten entbrannt waren. Die USA verfolgten dabei jeweils starke, eigene Interessen in den Konflikten, die vor allem auf der Angst beruhten, durch die Übernahme sozialistischer Regierungen, Einfluss in der Region zu verlieren. In Guatemala etwa trug die CIA maßgeblich zum Ausbruch des Bürgerkrieges bei, indem sie militante Rebellengruppen bewaffneten, die Guatemala von Honduras aus angriffen und den bisherigen Präsidenten Arbez absetzten. Castillo Armas, Anführer der Rebellen, wurde zum neuen Präsidenten ernannt und stoppte umgehend eine von Arbez angestrebte Landreform, die viele Hektar an unkultivierter Ackerfläche landlosen Bauern zugesprochen hätte. Der US-amerikanische Bananenproduzent United Fruit Company wurde auf diese Weise von Enteignungen verschont. Allerdings war der so erzwungene Regierungswechsel lediglich der Auftakt zu einem, über 30 Jahre andauernden Bürgerkrieg, der über 200.000 Menschen tötete und noch mehr in die Flucht trieb. 4) Ganser, D.: Illegale Kriege: Wie die NATO- Länder die UNO sabotieren; Veröffentlicht 2016
Viele dieser Geflüchteten endeten in Los Angeles, wo sie sich schnell dort agierenden, amerikanischen Straßengangs anschlossen und später auch eigene Gruppen wie die Mara Salvatrucha oder die Calle 18 gründeten, die heute in Ländern wie Honduras oder El Salvador aktiv sind. Als die USA 1996 ihre Migrationsgesetze verschärften und eine halbe Millionen Menschen in ihre Ursprungsländer abgeschoben wurden, kamen auch viele Bandenmitglieder zurück nach Zentralamerika. Hier bauten sie ihre Strukturen bald aus und wurden zu einem Zufluchtsort vor allem für Jugendliche aus den Armenvierteln, die in den Gangs einen Ersatz fanden für das, was ihnen sonst häufig fehlte: ein soziales Netz und vor allem auch eine feste Identität. 5) Peetz, P.: Zentralamerikas Jugendbanden: Maras in Honduras, El Salvador und Guatemala; Veröffentlicht 2004 6) Hagedorn, John M.: Making Sense of Central American Maras; nicht mehr verfügbar
Die schnelle Ausbreitung der „Maras“ zurück in Zentralamerika war auch durch eine Reihe politischer Reformen dort möglich, die Ende der 80er Jahre umgesetzt worden waren. Diese beinhalteten vor allem Privatisierungen von staatlichen Betrieben, Handelsöffnung und die Liberalisierung des Arbeitsrechts. In der Folge lies sich zwar ein gewisser wirtschaftlicher Aufschwung erkennen, vor allem junge Menschen hatten jedoch immer größere Schwierigkeiten, sichere Anstellungen und ein stabiles Einkommen zu erhalten. Es lässt sich ein grundlegendes Motiv erkennen. Ob in den „barrios“ von Los Angeles oder den Elendsvierteln von Tegucigalpa in Honduras: Fehlen die Zukunftsperspektiven von staatlicher Seite entstehen Alternativen in der Illegalität, die häufig nur mit extremer Gewalt als Ordnungsinstrument funktionieren. 7) Cruz, José M.: The Root Causes of the Central American Crisis; Veröffentlicht 2015
Und es sind mitunter die gleichen Gründe, die damals die USA bewogen in Lateinamerika zu intervenieren, welche auch heute dazu beitragen, dass die Menschen in Honduras, El Salvador oder Guatemala in Armut und soziale Isolation geraten. Kapitalinteressen, die absolut gegenläufig zu den Interessen des ärmeren Teils der Bevölkerung sind. So führt heute beispielsweise das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten CAFTA dazu, dass immer weniger Bauern mit den subventionierten Importprodukten aus den USA mithalten können und mehr und mehr ihre Lebensgrundlage verlieren.Vor allem Kleinbauern, die sowieso schon mit großen nationalen und transnationalen Unternehmen im Land konkurrieren müssen und seit einigen Jahren auch noch unter den Folgen des Klimawandels leiden, bleibt häufig nur die Flucht in die Stadt. Nicht selten in genau diejenigen Viertel, in denen die „Maras“ neue Mitglieder rekrutieren und diese im zunehmenden Elend der völlig überbevölkerten Stadtteile auch problemlos finden. Es sind wohl auch die Viertel, aus denen jetzt wieder Menschen vor Gewalt und Armut in Richtung Norden fliehen. 8) Deutschlandfunk: Krise in Honduras: Die zweifelhafte Rolle der USA; Artikel vom 09.März 2019 9) Klimaretter.info: Klimawandel bedroht Kaffeeanbau; nicht mehr verfügbar 10) Süddeutsche.de: “Die Situation in Mittelamerika wird immer schwieriger”; Artikel vom 01. November 2018
Fußnoten und Quellen:
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