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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
EU finanziert sexuelle Gewalt in libyschen Flüchtlingslagern und verstärkt Fluchtgründe
Die EU kündigte vor Kurzem das Ende ihrer Marineeinsätze im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien an. Fortan sollen die Schleuseraktivitäten lediglich aus der Luft beobachtet und der Einsatz der libyschen Küstenwache solle forciert werden. Immer mehr Bootsflüchtlinge werden nach Libyen zurückgeschickt, wo sie menschenunwürdig behandelt werden. Der Menschenschmuggel dort hat sich mit gestiegenen Flüchtlingszahlen verschlimmert. Dabei ist Libyen nicht nur Transit-, sondern zugleich ein wichtiges Ziel- und Herkunftsland von Flüchtlingen und Migranten, insbesondere aus Zentral- und Ostafrika. Der libysche Bürgerkrieg zwang viele zur Binnenflucht mit Tunesien oder Ägypten als Endziel. Der Aufenthalt in den Flüchtlingslagern Libyens treibt die Menschen dort weiter in die Flucht – egal welche Gefahren sie damit auf sich nehmen. 1) Der Standard, UNHCR: Seenotrettung vor Libyen muss weitergehen – Artikel vom 31.03.2019
Seit den Konflikten 2011 wurden rund 440.000 Libyer zu Binnenflüchtlingen. Darüber hinaus halten sich mehr als 10.000 Migranten und Flüchtlinge anderer Herkunft im Land auf. Aufgrund der nicht vorhandenen Asylgesetzgebung gilt der Aufenthalt aller Geflohenen ohne Visum als illegal. Diese werden von libyschen Milizen oftmals in einem der zehn Inhaftierungslager festgehalten. Anfangs arbeiteten die Geflüchteten als Tagelöhner, um eine Überfahrt nach Europa zu finanzieren. Doch durch die Wirtschaftskrise finden sie kaum mehr Arbeit und der Druck weiter nach Europa zu flüchten steigt. Das ölreiche Land kann nämlich keine Zukunft und Arbeit verheißen und die mangelnde Sicherheit treibt selbst einstige Gastarbeiter in die Flucht. Mittlerweile halten sich viele dieser Gastarbeiter aus Afrika illegal in Libyen auf. Obwohl das Land auf diese angewiesen ist, werden sie von Milizen, die das Land kontrollieren, nun festgehalten. Zu den Flüchtlingslagern Libyens kommen auch noch Binnenflüchtlinge aus dem Bürgerkrieg und diejenigen aus Afrika Geflohenen, deren Ziel von Anfang an Europa war, hinzu. Libyen ist kein sicheres Transitland, gilt im Hinblick auf seinen Demokratiestatus als „failing state“, besitzt eine hohe Korruptionsrate, erhielt von Freedom House bezüglich der Pressefreiheit den Status „nicht frei“ und alle Konfliktparteien verletzen die Menschenrechte und brechen das Humanitäre Völkerrecht. Dennoch arbeitet die EU mit der libyschen Küstenwache zusammen, um eine Flucht nach Europa zu verhindern. 2) Bertelsmann Stiftung, Fakten zurEuropäischen Dimension von Flucht und Asyl: Libyen – Stand: Februar 2016
Nicht nur die schlechte politische und ökonomische Lage im Land selbst zwingt Menschen dazu, den gefährlichen Weg über das Meer nach Europa zu nehmen, sondern auch die teilweise menschenunwürdigen Verhältnissen in den örtlichen Auffanglagern. Seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen die Gewalt gegenüber Geflüchteten in Libyen. Die Bundesregierung unterstützt durch eine Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache die Unterbringung von Flüchtlingen in unwürdigen Verhältnissen. 3) DW, „Menschenunwürdige Verhältnisse“ in Libyen – Artikel vom 12.09.2018
Auch bei sexueller Gewalt gegenüber und Folter von Migranten kann nicht mehr lediglich von einem „Wegsehen“ seitens der EU gesprochen werden. Die Lager Libyens, in welchen schlimmste Menschenrechtsverletzungen begangen werden, sind EU-finanziert, denn sie finden durch Partner der Europäischen Union statt. Viele der sexuellen Übergriffe gelten neben der Erpressung auch der Unterhaltung des Wachpersonals, der Bestrafung und Tötung von Menschen. Die Autorin der Studie bezüglich sexueller Gewalt gegenüber Flüchtlingen in Libyen Sarah Chynoweth berichtet Folgendes: „Wenn ein Mann versucht zu fliehen, werden alle anderen Männer dazu gezwungen, ihn zu vergewaltigen. So werden die Menschen regelmäßig bestraft, zur Unterwerfung gezwungen und kontrolliert“. 4) DW, Sexuelle Gewalt gegen Flüchtlinge in Libyen – Artikel vom 26.03.2019
Die meisten illegalen Gastarbeiter und Binnenflüchtlinge fliehen sowohl aufgrund der misslichen ökonomischen und politischen Lage als auch aufgrund der durch die EU mitfinanzierten Menschenrechtsverstöße. Für viele bestehen dennoch oftmals die Fluchtgründe bereits vor ihrer Ankunft in Libyen und werden durch die grausamen Umstände im Land lediglich verstärkt. Das Problem ist dabei, dass sie um jeden Preis versuchen, das Land zu verlassen. Auf dem Weg nach Europa kommen im Schnitt pro Tag sechs Menschen ums Leben. Sogar die Flucht bzw. Rückkehr in das ursprüngliche Herkunftsland wird von einigen Menschen einem Aufenthalt in Libyen vorgezogen, obwohl dort vielen ebenfalls Lebensgefahr und Existenzängste drohen. 5) DW, Libyen: Die Gestrandeten von Zuwara – Artikel vom 29.11.2018 6) Münchner Merkur, Todesrate bei Flucht aus Libyen fast verdreifacht – Artikel vom 30.01.2019
Im Großen und Ganzen lässt sich behaupten, dass verschiedene Gründe zu einer Flucht nach Europa beitragen. Einer davon wird befeuert durch die Finanzierung der EU von Menschenrechtsverletzungen in libyschen Auffanglagern. Wenn finanzielle Mittel dafür eingesetzt werden würden, ein demokratisches und wirtschaftlich stabiles Land aufzubauen, so würden diese Fluchtgründe effektiver bekämpft werden als bisher. Eventuell würde Libyen dann nicht mehr als Herkunfts- oder unsicheres Transitland für Geflüchtete gelten müssen.
Fußnoten und Quellen:
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