Konflikt zwischen Farmern und Hirten lässt Spannungen in Nigeria weiter steigen
Seit Jahrzenten schwelt in der Region südlich der Sahara ein Konflikt zwischen sesshaften Farmern und nomadischen Viehhirten. Die Spannungen breiteten sich bereits auf viele Länder der Region aus, doch insbesondere in Nigeria spitzen sich die Auseinandersetzungen in diesem Jahr immer weiter zu. Die Lage in dem westafrikanischen Staat ist mittlerweile äußerst angespannt und der Konflikt ist eine wachsende Bedrohung für die Stabilität und Einheit des Landes. Wenn wirksame Maßnahmen gegen die Krise nicht in nächster Zeit ergriffen werden, ist auch die Wahl 2019 in Gefahr. 1) New York Times: Nigeria’s Farmers and Herders Fight a Deadly Battle for Scarce Resources; Artikel vom 25.06.2018 2) International Crisis Group: Stopping Nigeria’s Spiralling Farmer-Herder Violence; Artikel vom 26.07.2018
Die nomadischen Viehhirten zählen größtenteils zu dem Volk der Fulani, das ursprünglich im äußersten Norden Nigerias lebte. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Lebensmittelpunkt der Nomaden jedoch weiter südlich in die zentralen Regionen Nigerias verlagert, wo es nun zu gewaltsamen Konflikten kommt. 3) UNHCR: UNHCR urges dialogue to end herder, farmer clashes in Nigeria; Artikel vom 06.05.2016 Die im Norden agierende Terrormiliz Boko Haram ist für diese unfreiwillige Migration der Fulani einer der Auslöser. Die terroristische Vereinigung ist für mehr als 20.000 Todesopfer verantwortlich und agiert größtenteils im Norden Nigerias. Auch wenn Boko Haram in den letzten Jahren deutlich an Macht einbüßen musste, löste die Miliz in ihren Hochzeiten eine enorme Fluchtbewegung der nördlichen Zivilbevölkerung aus. 4) International Crisis Group: Herders against Farmers: Nigeria’s Expanding Deadly Conflict; Artikel vom 19.09.2017 5) UN: Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad; Artikel vom 22.05.2014 Neben der Bedrohung durch die Islamisten erschweren auch schwindende Ressourcen das Leben der Nomaden. Nigeria ist mit über 190 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas und das Bevölkerungswachstum ist derzeit sechsmal höher als in Deutschland. 6) Worldbank: Population, total; aufgerufen am 05.09.2018 7) Worldbank: Population growth (annual %); aufgerufen am 05.09.2018 Durch die rasant wachsende Zahl an Einwohnern schwinden auch im Norden die Landflächen, auf denen die Fulani ihr Vieh weiden lassen können, sodass die Nomaden weiter wandern und sich vermehrt in den zentralen Bundesstaaten Nigerias aufhalten. 8) SWP: Nigeria wankt – nicht nur wegen Boko Haram; aufgerufen am 05.09.2018 Ein weiterer großer Faktor für die Migration der Viehhirten ist der Klimawandel. Obwohl dieser hauptsächlich durch Staaten des Globalen Nordens verursacht wird, müssen bisher vorrangig Länder des Globalen Südens die Konsequenzen tragen. So auch in Nigeria: Gerade im Norden des Staates werden Landteile zunehmend zu Wüsten und Wasserquellen trocknen aus. Dadurch sind die dort lebenden Fulani gezwungen, in südlichere Teile des Landes zu migrieren, um dort ihr Vieh und sich selbst zu ernähren. 9) International Crisis Group: Herders against Farmers: Nigeria’s Expanding Deadly Conflict; Artikel vom 19.09.2017 10) IWPR: Nigeria: Herders and Farmers Clash Over Land; Artikel vom 19.08.2016
In den südlicheren, zentralen Bundesstaaten Nigerias kommt es deswegen nun jedoch zu Konflikten, die immer wieder gewaltsam ausgetragen werden und viele Todesopfer fordern. Die Auseinandersetzung beruht eigentlich auf einem Landnutzungskonflikt zwischen den Nomaden und den sesshaften Farmern, die in der zentralen Region in Nigeria leben. Doch gerade in den letzten Jahren verschiebt sich der Konflikt vermehrt in religiöse und ethnische Dimensionen. 11) International Crisis Group: Stopping Nigeria’s Spiralling Farmer-Herder Violence; Artikel vom 26.07.2018 12) SCFG: Responses to Conflicts between Farmers and Herders in the Middle Belt of Nigeria; aufgerufen am 05.09.2018 Die Viehhirten sind muslimisch, während sich die sesshaften Farmer vorwiegend mit dem Christentum identifizieren. Immer wieder kommt es in Nigeria zu religiösen Spannungen. Diese bestehen seit vielen Jahrzenten – auch schon während der britischen Kolonialherrschaft. Bestehende Feindlichkeiten intensivierten sich, da die Briten eine Politik der ethnischen und religiösen Trennung verfolgten und diese Eigenschaften den Nigerianer*innen als zentrales Identifikationsmerkmal auferlegten. 13) Public Radio International: The roots of Nigeria’s religious and ethnic conflict; Artikel vom 10.03.2014 Bis heute halten diese Spannungen an und zwischen den ethnisch-religiösen Gruppen Nigerias besteht ein tiefes Misstrauen 14) Council on Foreign Relations: Perceptions of Tribalism and the Farmer-Herder Conflict in Nigeria; Artikel vom 06.04.2018
Bisher wurden kaum Maßnahmen ergriffen, die der Krise spürbar entgegenwirken konnten. Dem Präsidenten Buhari wird vermehrt Voreingenommenheit vorgeworfen, da er selbst zur Volksgruppe der Fulani gehört und muslimischen Glaubens ist – tatsächlich unternahm die Regierung bisher wenige Versuche die Krise zu beenden. Zudem fehlt es an Personal im Sicherheitssektor des Landes, sodass nicht genug Polizei in den entsprechenden Regionen gestellt werden kann. 15) New York Times: Nigeria’s Farmers and Herders Fight a Deadly Battle for Scarce Resources; Artikel vom 25.06.2018 16) Council on Foreign Relations: Perceptions of Tribalism and the Farmer-Herder Conflict in Nigeria; Artikel vom 06.04.2018 Gerade in der Vergangenheit hielt auch der Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram viele staatliche Kapazitäten von der Krise fern. Somit stellt der Konflikt eine wachsende Bedrohung für die bereits krisenbehaftete Nation dar und bedroht die Stabilität Nigerias. Mit dem Machtverlust von Boko Haram gibt es nun jedoch wieder mehr Möglichkeiten für die Regierung sich dieser Krise zuzuwenden, gleichzeitig könnte dann aber auch die Terrormiliz schnell wieder an Territorium und Einfluss gewinnen. 17) International Crisis Group: Stopping Nigeria’s Spiralling Farmer-Herder Violence; Artikel vom 26.07.2018 Die gewaltsamen Auseinandersetzungen stellen für den westafrikanischen Staat bisher eine unlösbare Aufgabe dar. Die Ursachen sind äußerst vielfältig, 18) Deutsche Welle: Nigeria: Landkonflikt im Namen der Religion; Artikel vom 11.02.2017 müssen teilweise aber auch dem Globalen Norden zugeschrieben werden. Die Konsequenzen trägt zwar hauptsächlich Nigeria und die dortige Zivilbevölkerung, doch auch in Deutschland ist das Ausmaß der Krise mittlerweile deutlich spürbar: Während 2017 nur drei Prozent der Asylanträge von Nigerianer*innen gestellt worden sind, sind es in der ersten Hälfte 2018 sieben Prozent, was im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen der größte Zuwachs bei den Asylsuchenden ist. 19) BAMF: Das Bundesamt in Zahlen 2017; nicht mehr verfügbar 20) BAMF: Aktuelle Zahlen zu Asyl; aufgerufen am 05.09.2018
Fußnoten und Quellen:
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