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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Explosivwaffen als Fluchtgrund Nummer Eins
Die modernen Konflikte auf unserem Globus unterscheiden sich von den Kriegen vergangener Zeiten insbesondere dadurch, dass immer mehr unbeteiligte Zivilisten geschädigt werden. Diese sterben nicht nur während regulärer Kampfhandlungen, beispielsweise durch verirrte Geschosse oder Exekutionen, sondern größtenteils aufgrund der Auswirkungen und Nachwirkungen von Luftschlägen und den dabei eingesetzten Explosivwaffen. Der Anteil der durch diese Waffen getöteten Zivilisten ist mit 92 Prozent sehr hoch – deshalb ist auch die Furcht in den bewohnten Kampfgebieten weit verbreitet, von derartigen Geschossen getroffen zu werden. Ein jeder Zivilist ist sich darüber im Klaren, dass bei einem Angriff durch moderne Explosivwaffensysteme mit dem Tod, schweren Verletzungen und psychischen Schäden gerechnet werden muss. Deshalb entscheiden sich auch immer mehr Menschen dafür, der Gefahr aus dem Weg zu gehen und die Flucht in eine sicherere Zukunft zu wagen. Konflikte wie der Bürgerkrieg in Syrien dauern bereits mehrere Jahre an und lehren viel über die Auswirkungen der modernen Kriegsführung. Obwohl die Weltgemeinschaft also sehr genau über die Folgen von Explosivgeschossen Bescheid weiß, wagt sich bisher kein beteiligter Akteur, seine bisherige Strategie zu Gunsten der Humanität anzupassen. 1) epo: Aufruf an Parlamentarier Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten beenden; Artikel vom 20.09.2018
Eigentlich müsste das Bombardieren großflächiger Areale verboten sein, wenn vor Ort mit einem hohen Aufkommen von zivilem Leben zu rechnen ist. Dennoch werden durch ungezieltes Trommelfeuer immer wieder ganze Wohnbezirke in Konfliktregionen durch Bombenhagel umgepflügt. Neben dem bodennahen Beschuss durch Mörser und Streumunition wird aktuell auch immer mehr auf eine einfachere Variante gesetzt – den Luftschlägen mithilfe von Raketen und Fassbomben. Diese Vorgehensweise hat für den Angreifer den Vorteil, dass aus weiter Entfernung kaum zu erkennen ist, was durch die eigene Gewaltanwendung angerichtet wird – für gut ausgerüstete Mächte wird Krieg zum Kinderspiel. In den bombardierten Gebieten ist nach den Luftschlägen jedoch nichts mehr wie zuvor. Neben den Behausungen der Zivilisten werden auch öffentliche Gebäude wie Schulen, Krankenhäuser oder kulturelle Denkmäler achtlos zerstört. Da neben der Wasserversorgung oftmals auch das Stromnetz ausfällt, sind wichtige Überlebensgrundlagen nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund sind alleine bei der Belagerung von Mossul ca. 800,000 Zivilisten geflohen. 2) epo: Aufruf an Parlamentarier Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten beenden; Artikel vom 20.09.2018 3) handicap-international: Flucht vor den Bomben; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018
Durch die technologisierte Kriegsführung ist es leicht, eine Stadt mittels moderner Explosivgeschosse zu zerstören. Die Langzeitfolgen einer solchen Bombardierung zu überwinden, wird jedoch zu einer immensen Herausforderung. Das zeigt beispielsweise der Fall Kobane. Die syrische Stadt wurde monatelang bombardiert, bevor sie dem Islamischen Staat entrissen werden konnte. Währenddessen wurden bei ca. 700 Luftschlägen verschiedenste Explosivgeschosse über der Stadt verteilt – noch heute erkennbar an den 1000 Bombenkratern im Stadtgebiet. Nach der Vertreibung der Islamisten blieben im Schnitt 10 Munitionsteile pro Quadratmeter überall zurück. Neben heimtückisch positionierten Sprengfallen sind vor allem Blindgänger ein Hauptgrund dafür, dass ein Wiederaufbau für die Zurückgekehrten massiv erschwert wird. Selbst wenn die Menschen in der Stadt geblieben wären, hätte die zerstörte Versorgungsinfrastruktur dafür gesorgt, dass durch Seuchen ein Überleben zwischen den Trümmern unmöglich gewesen wäre. Nach den Bombardierungen dauert es zusätzlich meist zu lange, bis etwaige Hilfslieferungen über die zerstörten Straßen an ihre Bestimmungsorte gebracht werden können. 4) handicap-international: Kobane: Stadt voller Trümmer und Blindgänger; Artikel vom 17.06.2015 5) unocha: Explosive Weapons in Populated Areas; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018 6) hi: The use of explosive weapons in populated areas – it is time to act; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018
Manche Wohnhäuser, die nicht direkt getroffen werden, sind durch die Detonationswellen massiv einsturzgefährdet. Wenn sie nicht während der Angriffe über ihren Bewohnern zusammenbrechen, so bleibt auch nach den Angriffen keine andere Wahl, als sie abzureißen – die zurückgekehrten Bewohner finden sich folglich in einer ganz anderen Welt wieder. Neben dem Verlust der materiellen Güter findet infolge der Bombardierungen ebenfalls eine Vernichtung der kulturellen und sozialen Gefüge statt. Bildungsinstitutionen, religiöse Zentren und traditionelle Märkte sind nach den Angriffen ebenso wenig zu finden wie seit Jahrzehnten gewachsene soziale Wohnstrukturen einer Stadt. Insgesamt sind alleine in Syrien bereits 11 Millionen Menschen aufgrund des Krieges und der Bedrohung durch die Explosivwaffen geflohen – der Großteil davon im Inland. Ohne fremde Hilfe werden sie es kaum schaffen, den entstandenen Schaden selbst zu beheben. 7) handicap-international: Flucht vor den Bomben; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018
In der politischen Agenda der EU steht die Bekämpfung jeglicher Fluchtursachen ganz weit oben. Die Auswirkungen der Explosivwaffen sind gleichzeitig auch die Hauptbeweggründe zur Flucht – dieser Fakt wurde und wird bereits zu lange ausgeblendet. Denn ein Großteil der modernen Explosivwaffensysteme und Munitionsvorräte stammen aus den Waffenschmieden der reichen Industriestaaten. Insbesondere in Europa hätte man längst aus dem Verlauf des zweiten Weltkriegs lernen können, welche Folgen ein uneingeschränkter Bombenkrieg ohne Rücksichtnahme auf Zivilisten haben kann. Einer der wenigen, der öffentlich für eine Einschränkung der Nutzung von Explosivgeschossen kämpft, indem er ausnahmslos an alle Konfliktparteien appelliert, ist der UN-Generalsekretär. Es ist ebenfalls eine positive Entwicklung, dass sich eine Organisation gebildet hat, um sich des Problems anzunehmen – das International Network on Explosive Weapons. Für die meisten Maßnahmen, die die Flüchtlingswellen hätten eindämmen können, ist es heute zu spät, da Syrien bereits in eine Trümmerwüste verwandelt wurde. Jetzt gilt es umso mehr, die Betroffenen zu unterstützen, damit diese ihr Leben wieder aufbauen können. Das ist das mindeste, was eine Weltgemeinschaft tun kann, die in ihren Waffenschmieden täglich tausende neue Explosivgeschosse produziert. 8) handicap-international: Flucht vor den Bomben; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018 9) unocha: Explosive Weapons in Populated Areas; zuletzt aufgerufen am 24.09.2018
Fußnoten und Quellen:
claudius meusel
Veröffentlicht um 11:59h, 19 OktoberSehr gut aufgebauter konziser Artikel, sehr gut zum Weitergeben geeignet.
Bloß von „In der politischen Agenda der EU steht die Bekämpfung jeglicher Fluchtursachen ganz weit oben.“ merke ich persönlich gar nichts. Quelle??
Es ist doch eher das Gegenteil der Fall, dass die EU aktiv in allen Fluchtursachen involviert ist, von Waffengeschäften, politischer Unterstützung westlicher Agenden, Landnahme, Privatisierung.
Gibt es dort irgendwelche Lichtblicke?