Eritrea: Das diktatorisch regierte Land verletzt weiterhin Menschenrechte und zieht Profit aus der Flucht seiner Bürger
Unter den afrikanischen Flüchtlingen, welche in Deutschland einen Asylantrag stellen, sind Eritreer die am zweitgrößten vertretene Gruppe – nach Nigerianern. Fragt man die Regierung ihres Herkunftslandes, ist der Grund dafür ganz klar: Das wohlhabende Europa und die USA haben durch ihre verlockenden Angebote auf dem Arbeitsmarkt die Jugend dazu verführt, ihrer Heimat den Rücken zuzukehren. In Wahrheit jedoch finden in Eritrea vielfältige Menschenrechtsverletzungen und eine gezielte Unterdrückung der freien Meinungsäußerung statt. Außerdem herrscht in dem ostafrikanischen Land eine katastrophale wirtschaftliche Lage, welche keine Zukunftsperspektiven für die Jugend bietet. Seit Jahrzehnten herrscht in der Diktatur stillstand – doch jetzt keimt wieder Hoffnung auf eine positivere Entwicklung auf. So konnte der zwanzig Jahre andauernde Krieg mit dem Nachbarland Äthiopien durch ein Friedensabkommen offiziell beendet werden. Theoretisch kann die Regierung nun von der radikalen Militarisierung der Gesellschaft ablassen und durch Reformen neue Investoren ins Land locken – theoretisch. Denn leider profitiert sie auch von der Flucht der Bevölkerung und sieht eine Öffnung hin zu demokratischeren Strukturen als Gefahr an. 1) ardmediathek: Eritrea: Spurensuche in einem verschlossenen Land; Beitrag vom 29.03.2015 2) huffingtonpost: Warum jeder, der kann, aus Eritrea flieht; nicht mehr verfügbar
Das oberste Ziel für das diktatorisch geführte Land liegt in der Unterdrückung jeglicher Protestbewegungen, welche die politische Stabilität gefährden könnten. Das ist auch mit Erfolg gelungen – indem durch eine totale Militarisierung und Überwachung der Gesellschaft die Entstehung einer Zivilgesellschaft von Anfang an verhindert wurde. Wer trotzdem Kritik äußert, kommt in geheime Straflager – wo er oft nicht mehr lebend heraus kommt. Einer der Hauptfluchtgründe ist der bisher unbegrenzte Wehrdienst, welcher oft mehrere Jahrzehnte dauern kann. Neben dieser Gleichschaltungsmaßnahme gibt es jedoch auch ein ziviles Gegenstück – den Nationaldienst. Dort werden die Bewohner gezwungen, an Baumaßnahmen teilzunehmen und werden dabei vom Staat regelrecht versklavt. Wer sich dennoch selbst verwirklichen und selbstbestimmt für seinen Lebensunterhalt sorgen will, muss ins Ausland. Dies alles sind auch zentrale Antworten darauf, warum die wirtschaftliche Lage vor Ort so katastrophal ist und es kaum ein größeres produzierendes Gewerbe gibt. Wenn etwas verändert werden soll, bräuchte es vor allem Sozialleistungen und Wirtschaftshilfen – dies funktioniert eigentlich nur mithilfe von Entwicklungsgeldern. 3) ardmediathek: Eritrea: Spurensuche in einem verschlossenen Land; Beitrag vom 29.03.2015 4) huffingtonpost: Warum jeder, der kann, aus Eritrea flieht; nicht mehr verfügbar
Und die Europäische Union ist durchaus gewillt in das Land zu investieren. Der wirtschaftliche Stillstand bedeutet für sie nicht, dass Eritrea ein hoffnungsloser Fall wäre. Für sie gilt: Nur durch Entwicklung kann Demokratie und damit ein Stopp der Migration durch die Schaffung von Bleibeperspektiven erreicht werden – doch so einfach ist es nicht. Denn der eritreischen Regierung unter dem langjährigen Diktator Afewerki ist es egal, dass so viele junge Menschen ihr Land verlassen. Vielmehr nutz sie den Wegzug in vielerlei Hinsicht für ihre Zwecke aus. Offiziell ist es verboten, ohne Genehmigung das Land zu verlassen. Will man trotzdem raus, gibt es jedoch eine teure aber leichte Alternative. So wirken korrupte Staatsbeamte selbst seit langem als Schleuser und eskortieren die Ausreisewilligen nach einer horrenden Zahlung hinter die Grenze. Der Regierung ist es bewusst, dass viele Eritreer gutes Geld im Ausland verdienen – und sie wollen auch davon profitieren, dass viele Exilanten ihre Familien finanziell unterstützen. Deshalb gibt es auf alle eingehenden Überweisungen eine hohe Steuer zu entrichten, wodurch mehr Geld erwirtschaftet wird, als wenn die Menschen im Land bleiben würden. Außerdem verringert sich mit der abnehmenden Anzahl junger Menschen im Land nebenbei auch das Risiko auf Proteste und Aufstände. Trotzdem nimmt die Regierung gerne zusätzliches Geld zur Fluchtursachenbekämpfung an. Genau so wird und wurde die Europäische Union immer wieder getäuscht und hinters Licht geführt. Denn sie finanziert durch ihre Entwicklungsgelder beiläufig ein Regime, welches zwar verspricht, etwas an den menschenunwürdigen Verhältnissen im Land zu verändern, im Anschluss jedoch nicht handelt und sich nur selbst weiter bereichert. 5) ardmediathek: Eritrea: Spurensuche in einem verschlossenen Land; Beitrag vom 29.03.2015 6) huffingtonpost: Warum jeder, der kann, aus Eritrea flieht; nicht mehr verfügbar 7) newsdeeply: Peace Deal Alone Will Not Stem Flow of Eritrean Refugees; Artikel vom 09.08.2018
Dem deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller sollte diese Problematik eigentlich bewusst sein. Trotzdem hat er die Hoffnung auf eine positive Änderung der Verhältnisse noch nicht aufgegeben und besuchte Eritrea deshalb im Zuge seiner Afrikareise. Dort forderte er im aktiven Gespräch innenpolitische Reformen und eine Einschränkung des Militärdienstes, welcher nach Beendigung des Krieges mit Äthiopien in seinem jetzigen Umfang überflüssig geworden ist. Zweiteres ist ihm scheinbar auch gelungen – wenn man den Zusicherungen der Regierung diesmal Glauben schenken soll. Doch kann dieser Schritt kaum die Migrationsbewegung eindämmen, da grundlegende menschenverachtende Strukturen und Gesetze immer noch in Kraft sind. 8) deutschlandfunk: „Die EU hat bisher wesentlich zu wenig getan“; Artikel vom 07.09.2018
Zu den jetzigen Problemen scheint ein weiterer Faktor in der Region hinzuzukommen. So bereisten vor einiger Zeit hochrangige US-Vertreter das Land, um den Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent auszubauen und den chinesischen Vormarsch einzudämmen. Nun wird bereits eine militärische Zusammenarbeit angestrebt – und eine Abschaffung der internationalen Sanktionen gegen Eritrea gefordert. Nur wurde dabei absichtlich eines übersehen – und das ist die prekäre Menschenrechtssituation vor Ort. Durch machtpolitische Spiele und den Kampf um Einfluss in fremden Gebieten werden also absichtlich die Rechte und Lebenswelten der Menschen dort ignoriert. Wie oben aufgezeigt kann die falsch angesetzte Entwicklungspolitik ebenfalls mehr schaden als nützen. Was es wirklich braucht, ist daher ein erhöhter Druck auf die diktatorische Regierung und die Schaffung von Perspektiven in den Nachbarländern Eritreas, wo Hunderttausende in Flüchtlingslager hausen – das sind diejenigen, welche sich den Weg nach Europa nicht leisten können oder zu schwach dafür sind. Ihnen dort Ausbildungsmöglichkeiten zu geben und gleichzeitig die Nähe zu ihrer alten Heimat zu ermöglichen, wäre ein erster Lösungsansatz. Denn auch wenn eine grundlegende politische Reform noch weit entfernt scheint, braucht es irgendwann eine ausgebildete eritreische Elite, welche zurückkehren kann, um eine freiheitliche Zukunft gemeinsam zu gestalten. 9) huffingtonpost: Warum jeder, der kann, aus Eritrea flieht; nicht mehr verfügbar 10) heise: US-Regierung umgarnt den einstigen Schurkenstaat Eritrea; Artikel vom 24.08.2018
Fußnoten und Quellen:
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