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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Ausländische Entwicklungsgelder stützen autoritäres Regime im Tschad
Sieben von 25,4 Millionen Flüchtlingen weltweit kommen aus Afrika. Dazu kommen 16 Millionen intern Vertriebene, bei einer Gesamtzahl von 40 Millionen. Dass es wichtig ist, Fluchtursachen zu bekämpfen und damit den Fokus auf diese Region zu legen, ist nichts Neues. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verdeutlichte dies durch ihre jüngste dreitägige Afrikareise nach Nigeria, Ghana und den Senegal. Diese Länder sind diejenigen, aus denen hauptsächlich sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ stammen – ein Viertel der Afrikaner, die ihr Zuhause für die Jobsuche verlassen kommen nach Europa. 1) Infomigrants: African migrant numbers rise, but not all are considered refugees; Artikel vom 30.08.2018
Laut der Internationalen Organisation für Migration IOM sind allerdings die Zentralafrikanische Republik, Mali und der Tschad momentan die Hauptherkunftsländer afrikanischer Flüchtlinge. Insbesondere Mali und der Tschad werden zudem oftmals zu Transitländern, immer häufiger aber auch zu Zielländern selbst. Dabei ist der Tschad selbst eines der ärmsten Länder weltweit. Mit Problemen wie mangelnder Gesundheitsvorsorge, schlechten Bildungschancen und einer hohen Arbeitslosigkeit von 77 Prozent landet er im Human Development Index der Vereinten Nationen auf Platz 186 von 188 Ländern. Auch die geographische Lage, die sowohl zu regelmäßigen Dürren als auch zu Überschwemmungen führt, trägt ihren Teil zu dieser Situation bei. Das größte Problem des Landes ist jedoch die Ungleichverteilung des Reichtums. Der Tschad erzielt die meisten Gewinne durch den Export von Erdöl, doch kommen diese bei der normalen Bevölkerung nicht an. Außerdem unterstützt die hohe Korruptionsrate, in deren internationalem Vergleich das zentralafrikanische Land Platz 159 von 176 belegt, dieses Bild. Auch Amnesty International prangert immer wieder die schlechte humanitäre Lage des Staates an. Seien es Journalisten, Präsidentschaftskandidaten, Abgeordnete oder auch Mitglieder der Zivilgesellschaft die regelmäßig wegen kritischen Äußerungen oder vorgeblichen Verdächtigungen verhaftet werden oder die Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 2015. 2) Bundeszentrale für politische Bildung: Tschad; Artikel vom 10.10.2017 3) Infomigrants: African migrant numbers rise, but not all are considered refugees; Artikel vom 30.08.2018
Der Tschad selbst beherbergt insgesamt rund 400.000 Flüchtlinge, die meisten, 310.000 davon, sindaus Darfur. Dazu kommen 70.000 Migranten aus der Zentralafrikanischen Republik. Diese immense Zahl an Zuwanderern muss das Land zusätzlich zu seinen 100.000 intern Vertriebenen verkraften. Ein aktueller Bericht des UNHCR und des World Food Programme allerdings deckt auf, dass sich 43 Prozent der seit über 10 Jahren im Tschad lebenden Flüchtlinge in einer prekären Lage bezüglich ihrer Lebensmittelversorgung befinden und dringend Hilfe von außen benötigen. Dazu kommen 40 Prozent die an chronischer Mangelernährung leiden und ein Großteil an unter-5-jährigen, die mit Anämie zu kämpfen haben. Doch humanitäre Hilfe allein wird die Menschen der Sahel Region nicht aufhalten, nach Europa zu fliehen. Auch die politische Situation, das Regime von Déby, wird sich ändern werden müssen. 4) UN News: Refugees in Chad facing continued food insecurity, joint UN agency assessment reveals; Artikel vom 28.11.2016 5) The Guardian: Aid alone won’t stop refugees fleeing to Europe’s shores; Artikel vom 18.09.2017
Aus westlicher Perspektive, politisch gesehen, zählt der Tschad offenbar zu einem der stabilsten Staaten Zentralafrikas. Durch den Einsatz seines Präsidenten Déby gegen den islamistischen Terror genießt er zudem internationalen Rückhalt. Doch genau hier liegt das Problem. Déby ist seit über einem Vierteljahrhundert an der Macht und durch eine Verfassungsänderung 2005, die die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten aufhebt, wird sich das wohl sobald nicht ändern. Durch die neuste Verfassung hat er sogar nochmals seine Macht ausgebaut und wird bis 2033 Präsident bleiben. Das Land hat also mit einem autoritären Regime zu kämpfen, das die Lebensbedingungen des Volkes nicht verbessert, den gesamten Reichtum des Ölgeschäftes für sich beansprucht und zudem von der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird. Sein enger Bündnispartner Frankreich sagte Déby‘s Regime jüngst mehrere Milliarden Dollar an Investitionen und Projekthilfe zu und auch Deutschland will die bilaterale Zusammenarbeit mit dem Tschad wieder aufnehmen. Somit trägt der Globale Norden explizit zur Unterstützung des autoritären Regimes und dessen Machterhaltung bei. Auch durch die Nachfrage nach Öl wird das Regime gefördert und ist somit treibende Kraft der Ausbeutung des Landes. 6) Bundeszentrale für politische Bildung: Tschad; Artikel vom 10.10.2017 7) taz: Tod der Freiheit; Artikel vom 01.05.2018
Der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes stehen also ein Großteil der restlichen Bevölkerung sowie die Flüchtlinge aus den Nachbarländern gegenüber. Dadurch, dass kaum Geld und Unterstützung bei ihnen ankommt, müssen diese um ihr blankes Überleben kämpfen und werden so womöglich früher oder später gezwungen sein, in andere Länder weiterzuziehen, um wieder eine Perspektive sehen zu können.
Auch der Chef des UN-Entwicklungsprogrammes UNDP, Achim Steiner, und Bundesaußenminister Heiko Maas haben die Dringlichkeit der Situation in dieser Region erkannt. Maas spricht von „einem der größten humanitären Dramen unserer Zeit“ und auch Steiner warnt vor einer Welle an Flüchtlingen aus der, auch stark vom Klimawandel betroffenen, Tschadsee-Region. Zu den Anrainerstaaten des Tschadsees zählen neben dem Tschad auch Kamerun, Niger und Nigeria. Seit gestern findet im Auswärtigen Amt in Berlin eine zweitägige Geberkonferenz statt, die sich unter anderem Fragen der Stabilisierung und der Entwicklungszusammenarbeit in der Region widmet. In der gesamten Region sind insgesamt 2,3 Millionen Menschen binnenvertrieben, mehr als 200.000 auf der Flucht. Zudem sind mehr als zehn Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Teilnehmer dieser Tschadsee-Geberkonferenz sichern den bedrohten Ländern Hilfsgelder in Höhe von 2,17 Milliarden US-Dollar zu und auch Deutschland wird 100 Millionen Euro zusätzlich beitragen. Zu dieser humanitären Hilfe will Deutschland außerdem 40 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren für die politische Stabilisierung zur Verfügung stellen. Doch längerfristig werden diese Nothilfsgelder laut Achim Steiner nicht ausreichend sein, da der Aufbau einer funktionierenden Volkswirtschaft, die langfristig Perspektiven und Lebensgrundlagen schafft, im Fokus stehen muss. Die Grundprobleme der Region müssen gelöst werden und die Staatengemeinschaft muss den Menschen der Tschadseeregion langfristig Lebensperspektiven verschaffen, andernfalls werden die Menschen dort gezwungen sein, diese zu verlassen. 8) Zeit Online: Tschadsee-Konferenz sagt Milliardenhilfe zu; Artikel vom 03.09.2018 9) FAZ: Deutschland gibt 100 Millionen Euro zusätzlich für Tschadsee-Region; Artikel vom 03.09.2018 10) Reuters: Vereinte Nationen warnen vor Fluchtwelle aus Tschadsee-Region; Artikel vom 03.09.2018
Fußnoten und Quellen:
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