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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Marokko: Gewaltsame Niederschlagung von Protesten schürt Fluchtbewegung nach Europa
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) befürchtet derzeit einen Anstieg der Flüchtlingszahlen aus dem Königreich Marokko nach Europa. Grund sind die immer wieder auflammenden Proteste der Hirak-Bewegung im Rif-Gebirge, gegen die die Regierung in Rabat mit Polizeigewalt vorgeht. Von den 18.000 Hilfesuchenden, die im Juni in Spanien ankamen, stammten 2600 aus Marokko. Somit bildeten sie die drittgrößte Gruppe. Nur aus Subsahara-Afrika und Guinea kämen noch mehr Menschen, so die Internationale Organisation für Migration (IOM). 1) epo: Repression in Marokko schürt Fluchtbewegungen nach Spanien; Artikel vom 30.7.18
Die Rif-Region bzw. das Rif-Gebirge grenzt im Norden ans Mittelmeer und liegt direkt an der Straße von Gibraltar. Dabei handelt es sich um ein relativ dünn besiedeltes und verarmtes Gebiet, dessen Bevölkerung zu einem Großteil aus nicht-arabischen Berbern besteht. Bereits seit geraumer Zeit fühlen sich die Bewohner von der Regierung in Rabat verlassen. Die Marginalisierung und die daraus resultierenden schlechten Lebensbedingungen machen den Menschen dort zu schaffen. 2) BBC News: Four things you need to know; Artikel vom 9.6.2017
Auslöser der ersten Proteste war ein Vorfall in der Stadt Al Hoceima im Oktober 2016, bei dem ein Fischhändler auf tragische Weise ums Leben kam. Nachdem die Behörden die gesamte Ware des Verkäufers konfisziert und sie in einen Müllwagen geworfen hatten, sprang dieser mit einigen Kollegen hinterher. Als die Polizei die Müllpresse des Wagens aktivieren ließ, um die Männer zu vertreiben, blieb Mouhcine Fikri stecken und wurde erdrückt. Von offizieller Seite hieß es, es handele sich um einen Unfall. In der kleinen Stadt im Norden des Landes brachen daraufhin heftige Proteste aus, die sich kurze Zeit später auch auf Marrakesch und Rabat ausbreiteten. Auch die ehemalige Kohlestadt Jerada – die sich ebenfalls im Rif befindet – wurde seit dem Tod von zwei Minenarbeitern gegen Ende 2017 immer wieder Schauplatz von Demonstrationen. 3) NY Times: Moroccan Protest Leader is Sentenced to 20 Years in Prison; Artikel vom 27.6.2018 4) NY Times: Protests Erupt in Morocco Over Fish Vendor´s Death in Garbage Compactor; Artikel vom 30.10.2016
Die marokkonische Polizei ließ seitdem zahlreiche Aktivisten und Demonstranten verhaften – unter ihnen auch Nasser Zefzazi, der im Mai 2017 in Gewahrsam genommen wurde, als er Proteste in seiner Heimatstadt Al Hoceima organisierte. 5) NY Times: Moroccan Protest Leader is Sentenced to 20 Years in Prison; Artikel vom 27.6.2018 Zusammen mit weiteren Unterstützern wurde er vor kurzem von einem Gericht zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Insgesamt sind seit Beginn der Bewegung im Oktober 2016 knapp 400 Demonstranten festgenommen worden. Die Verurteilung der Aktivisten führte landesweit zu weiteren Protesten. 6) epo: Repression in Marokko schürt Fluchtbewegungen nach Spanien; Artikel vom 30.7.18
Human Rights Watch wirft der Regierung in Rabat vor, mit übermäßiger Härte gegen die Demonstranten vorzugehen. So seien einige der gefangenen Anführer der Proteste sogar von der Polizei misshandelt worden. In Jerada beispielsweise sollen Sicherheitsbeamte rücksichtslos in eine Menschenmenge gefahren sein. Ein 16-jähriger Junge wurde dabei schwer verletzt. Die Behörden versichern, sie würden lediglich gegen gewalttätige Demonstranten vorgehen. Und obwohl auch von Seiten der Protestierenden schon Gewalt ausging, bleiben die Aktivisten weitestgehend friedlich und das Vorgehen der Regierung wirkt wie ein Versuch, die Menschen einzuschüchtern. „Es sieht so aus, als ob es um die gezielte Unterdrückung friedlicher Proteste geht, die sich gegen die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Region richten“, so Sarah Leah Whitson, zuständige Direktorin bei HRW. Die anhaltende Gewalt sowie die aussichtslose Situation der Bewohner der Region führte bereits zu einer Fluchtwelle nach Spanien. Ein Ende ist nicht in Sicht. 7) HRW: Morocco: Another Crackdown on Protests; Artikel vom 4.6.2018
An dieser Stelle könnte die Europäische Union ins Spiel kommen, denn die Regierung in Rabat ist an einer intensivierten, wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der Staatengemeinschaft interessiert – einem Zugang zu den EU-Märkten und mehr Fördergeldern sowie der vollen Anerkennung des autokratischen Regimes. Die EU hingegen sieht Marokko als wichtigen Partner im Rahmen ihrer Sicherheits- und Migrationspolitik. Bis jetzt ging es der Europäischen Gemeinschaft vordringlich darum, die Fortschritte Rabats zu loben, anstatt Missstände oder Fehlentwicklungen zu sanktionieren. Experten kritisieren jedoch, dass das Königshaus in puncto Menschenrechte und Demokratisierung bisher wenig erreicht habe. Wenn Marokko aber die Kooperation mit der EU aufrechterhalten bzw. verstärken möchte, sollte die Staatengemeinschaft mehr Druck ausüben, damit Rabat sich von seinen autokratischen Strukturen entfernt. Die Rif-Region könnte davon profitieren und Fluchtursachen würden so wirksam bekämpft werden. 8) open Democracy: Is there a role for the EU in the Moroccan Rif crisis?; Artikel vom 18.7.2018
Fußnoten und Quellen:
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