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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Freihandelsabkommen mit Afrika bekämpfen keine Fluchtursachen
Schon wieder liegt ein volles Schiff aus dem Mittelmeer geretteter Menschen in einem italienischen Hafen. Schon wieder ist man sich uneinig, wie und ob diese in der Europäischen Union aufgenommen werden sollen. Einigkeit herrscht nur in einem Punkt – der Flüchtlingsansturm über das Mittelmeer muss endlich eingedämmt werden. Grenzen schließen würde Tote in Kauf nehmen und somit die europäischen Prinzipien verraten. Darum gilt es Fluchtursachen zu bekämpfen – so das Motto vieler europäischer Regierungen. Neben Krieg, Gewalt und Vertreibung, ist Armut und Perspektivlosigkeit dabei ein Hauptfaktor. „Afrikas Jugend will und wird sich nicht auf die Flucht begeben und in der Heimat bleiben, wenn es Arbeit und Zukunftsperspektiven gibt“ – so vor kurzem der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller. Er und viele andere Akteure in der EU sind sich einig, dass eine gegenseitige Zollfreiheit zwischen Europa und Afrika dabei ein Weg in die richtige Richtung sei. Vielleicht würde ein Besuch beim ghanaischen Tomatenbauern Kojo Ebeneka Müllers Meinung ändern. Er lebt aufgrund der Handelsabkommen seines Landes mit der EU an der Armutsgrenze. 1) spiegel: Entwicklungsminister Müller fordert Zollfreiheit für afrikanische Produkte; Artikel vom 08.08.2018 2) zeit: Ein Mann pflückt gegen Europa; Artikel vom 30.12.2015
So wie Kojo Ebeneka geht es vielen Bauern in der Region. Er lebt vom Handel mit Tomaten – und das schon immer. Kojo wohnt mit seiner Familie in einer typischen kleinen Lehmhütte auf dem Land. Ghana ist seit 2001 eine Demokratie und es herrscht Frieden – trotzdem ist die Armut groß. In Kojos Fall reicht der Ertrag aus der Ernte grade so zum Überleben. Wunderlich – wenn man bedenkt, dass kein anderes Land so viele Tomaten konsumiert wie Ghana. Trotzdem kennt er bereits viele Bauern, die sich aus Perspektivlosigkeit auf die Reise nach Europa gemacht haben. Keiner wollte ihre Tomaten mehr kaufen auf den Märkten – gibt es doch eine verlockende Alternative. Seit Jahren werden die afrikanischen Märkte von Dosentomaten zu Dumpingpreisen überschwemmt. Auf den Etiketten stehen Namen wie China, Südafrika oder aber auch Italien. Warum teure lokale Produkte kaufen, wenn es auch anders geht? 3) zeit: Ein Mann pflückt gegen Europa; Artikel vom 30.12.2015
Das Problem bei den aktuellen Zollfreiheitsabkommen liegt in deren beidseitiger Wirkung. Wenn wir kein Geld für den Import afrikanischer Waren erhalten, dann wollen wir auch unsere Produkte ohne Kosten nach Afrika exportieren können – am Ende steht ein Freihandelsabkommen. Nur ist der Kontinent dafür noch lange nicht bereit. Die afrikanische Wirtschaft wird bereits durch diverse ökologische, demografische und ökonomische Faktoren massiv herausgefordert. Es ist Vorsicht geboten – will man den Ländern mehr nutzen als schaden. Tatsächlich exportiert die EU heute viel mehr nach Afrika, als sie daraus importiert. Ein Beispiel wären europäische Tomaten – die Bauern wie Kojo das Geschäft zerstören. Die Produktpalette reicht aber noch weiter – bis hin zu Hühnerfleisch aus Holland oder Ananassaft aus Österreich. Warum kann dies nicht alles auch aus lokalen Fabriken kommen? Warum Nestle-Milchpulver importieren, wenn man doch lokale Molkereien errichten könnte. 4) web.de: Zollfreiheit für Afrika: Wie sinnvoll ist der Vorschlag von Entwicklungsminister Gerd Müller; Artikel vom 21.08.2018 5) süddeutsche: EU-Importe torpedieren Afrikas Wirtschaft; Artikel vom 29.12.2016
Eine alleinige Subventionierung durch außenstehende Akteure reicht da nicht aus – das ist einer der Hauptgründe. Hilfe könnten europäische Unternehmen schaffen, indem sie ihr Know-how nach Afrika bringen, um Arbeitsplätze bereitzustellen. Nebenbei könnten gleichzeitig die Rohstoffe in fertige Produkte verwandelt werden und ein geregeltes Einkommen würde für Bleibeperspektiven sorgen. Doch trauen sich viele Firmen schlichtweg nicht auf den Kontinent – oftmals aufgrund von Skepsis und Vorurteilen. An ihre Stelle treten meist chinesische Investoren, welche ihre Angestellten jedoch in vielen Fällen schon mitbringen. 6) web.de: Zollfreiheit für Afrika: Wie sinnvoll ist der Vorschlag von Entwicklungsminister Gerd Müller; Artikel vom 21.08.2018
Fast alle afrikanischen Länder haben bereits Zollfreiheitsabkommen mit der EU. Der Süden des Kontinents hat 2016 mit dem europäischen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) einen umfassenden Freihandelsvertrag unterzeichnet. Die betroffenen Länder mussten dabei Zölle für 86 Prozent der Einfuhren beseitigen – dieses Geld fehlt jetzt den Ärmeren. Dass der EU die Risiken dieser Abkommen für Afrika durchaus bekannt sind, beweisen mehrere Schutzklauseln. Diese sollen im Fall des EPAs eine Überschwemmung des lokalen Marktes Verhindern – ob sie ausreichen, ist fraglich. So soll das Abkommen bis 2035 nur 0,02 Prozent der ärmsten Menschen vor Ort zu einem besseren Leben verhelfen können. Trotzdem ist Hoffnung geboten. Schutzklauseln sind ein wichtiger Schritt und die afrikanischen Exporte steigen wieder. Außerdem leidet die EU unter Zeitdruck. Will sie in absehbarer Zeit die Menschen von der gefährlichen Reise nach Europa abhalten, muss sie jetzt aktiv werden. Partnerschaft – insbesondere wirtschaftlich – ist dabei ein wichtiger Weg. Nur muss dieser Schritt für Schritt und voller Rücksichtnahme beschritten werden. 7) euractiv: Umstrittenes EU-Freihandelsabkommen mit Afrika in Kraft; Artikel vom 11.10.2016 8) süddeutsche: EU-Importe torpedieren Afrikas Wirtschaft; Artikel vom 29.12.2016
Fußnoten und Quellen:
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