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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Die weltweite Sucht nach seltenen Mineralien fördert Ausbeutungsstrukturen im Kongo
Seit Jahrzehnten kommt der Kongo nicht mehr zur Ruhe. Allein zwischen 1998 und 2007 haben die kongolesischen Kriege Schätzungen zufolge 5,4 Millionen Menschen das Leben gekostet. Bis heute herrscht ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Regierung und diversen Rebellengruppen. Besonders die massiven Rohstoffvorkommen des Landes spielen im Konflikt eine Hauptrolle. So bilden die daraus erzeugten Profite nicht nur das Rückgrat des Staates, sondern auch das seiner vielen Gegner. Im Kampf um die Schürfregionen haben dabei alle Akteure eines gemeinsam – das Wohlergehen der einfachen Minenarbeiter spielt für den maximalen Profit kaum eine Rolle. Zwar sind in offiziell anerkannten Minen die Zustände etwas besser – trotzdem lebt der Großteil der Arbeiter am Existenzminimum. Ohne die Arbeiter wäre unsere moderne technologisierte Gesellschaft jedoch kaum möglich. Denn nur sie liefern durch ihre schwere Arbeit wichtige Schlüsselressourcen für fast alle elektronischen Geräte – ob Smartphones, Notebooks, TV-Geräte oder Elektroautos. 1) ardmediathek: Kongo: Das schwarze Gold für Handys; Beitrag vom 04.12.2016 2) mobilegeeks: Coltan: An fast all unseren Smartphones klebt Blut; nicht mehr verfügbar
Eigentlich besitzt der Kongo durch seine scheinbar unerschöpflichen Vorkommen an Mineralien wie Kobalt und Coltan die besten Voraussetzungen, um ein Land voller Wohlstand und Zukunftsperspektiven für seine Bewohner zu sein. Dass sich heute sechs der zehn größten Kobalt-Minen der Welt in dem zentralafrikanischen Land befinden, ist kein Zufall – liegt dort doch auch die Hälfte des weltweiten Vorkommens vergraben. Ausländische Investitionen fließen schon seit Jahren, um den lokalen Abbau zu fördern. Besonders China ist in der Region aktiv und will weiter in den lokalen Bergbau investieren – nur liegt dem Wirtschaftsriesen alleinig das eigene ökonomische Interesse am Herzen. Durch die internationale Bedeutung könnte der Kongo also bald ein Monopol auf den weltweiten Kobalthandel haben. Dennoch profitiert bis heute nur eine kleine Elite im Land davon. Grund dafür ist nicht nur der Bürgerkrieg zwischen den bewaffneten Gruppen. Insbesondere Staat und Justiz sind äußerst schwach strukturiert und korrupt – so blüht folglich auch der Schwarzmarkt mit den begehrten Mineralien. Diese werden von illegalen Abbaugebieten in offizielle Minen geschafft, oder durch Lizenzfälschung auf den Verpackungen gleich als legal ins Ausland verfrachtet. Selbst die kongolesische Armee soll darin verwickelt sein. Internationale Großkonzerne verkaufen die weiterverarbeiteten Produkte am Schluss als „conflict-free“. Ein Blick auf die Zustände vor Ort beweist also wie so oft das Gegenteil. Doch auch wenn der Rohstoff einer zertifizierten Mine entstammt, ist „conflict-free“ der falsche Ausdruck, um die realen Zustände zu beschreiben. 3) lr-online: Bodenschätze im Kongo befördern Orgien von Gewalt; nicht mehr verfügbar 4) miningscout: Kobalt, China und die Demokratische Republik Kongo; Artikel vom 19.04.2018
Die Korruption unter den regulären Minenaufsichten ebenfalls sehr stark verbreitet. Eine gerechte Entlohnung kann folglich kaum stattfinden. Besonders für die Tagelöhner am Ende der Wertschöpfungskette hat dies fatale Folgen. Ein Betroffener ist der junge Minenarbeiter Mathis. Nach dem Abitur wollte er eigentlich Lehrer werden. Wie ein Großteil seiner Altersgenossen hat er jedoch keinen Arbeitsplatz gefunden – die Mine ist für Perspektivlose wie ihn die einzige Alternative im Land. Sein Arbeitslohn von 1,70 Euro am Tag wäre eigentlich Grund genug, sich wie viele Andere auf in eine bessere Zukunft zu machen – sei es nach Europa oder ein profitableres Land in der Nähe. Doch muss Mathis vier Geschwister und seine verwitwete Mutter mithilfe des Hungerlohns mitversorgen. Schule kann sich die Familie für die Kinder nicht leisten. Eine Arbeit in der Mine scheint für sie vorprogrammiert – wenn sich nichts ändert. Die gewaltgeprägte Zeit vor ein paar Jahren hat der Familienvater nicht überlebt. Damals war die Mine noch in der Hand von Rebellen. 5) ardmediathek: Kongo: Das schwarze Gold für Handys; Beitrag vom 04.12.2016
Leider hat sich in manchen Gebieten der Zustand zu damals kaum verändert. Immer noch wird rund die Hälfte der kongolesischen Minen illegal betrieben. Wer den Besitzern nicht genug Leistung bringt, wird gefoltert oder exekutiert. Nach jedem Arbeitstag müssen die Arbeiter unter vorgehaltener Waffe für ihre Ausbeute hohe Steuern bezahlen. In jeglicher Hinsicht sind sie den bewaffneten Gruppen deshalb ausgeliefert – Brutalität ist allgegenwärtig und auch Kinderarbeit ist die Regel. In einem internationalen Hilferuf klagt der Erzbischof einer Region bezeichnend an, dass für Coltan bisweilen eine ganze Dorfgemeinschaft niedergemetzelt würde. Auch Vergewaltigungen und Entführungen sind in diesem Kontext eine Art von Waffe um den Widerstand gegen die Fremdbestimmung nachhaltig zu brechen – im Anschluss werden die Überlebenden als Kollaborateure meist öffentlich geächtet. Wirft man einen Blick in die Zukunft, muss sich unbedingt etwas ändern, da sich der Bedarf an Kobalt bis 2030 verdoppeln soll, was am weltweiten Umschwung auf Elektroautos liegt. Wenn nicht gehandelt wird, kann sich die Ausbeutungssituation also noch weiter verschärfen. 6) lr-online: Bodenschätze im Kongo befördern Orgien von Gewalt; nicht mehr verfügbar 7) abendblatt: Elektro-Autos: Im Kongo sieht man die schmutzige Seite; Artikel vom 06.10.2017
Die Maßnahmen um die Lieferkette transparenter zu machen, waren in der Vergangenheit ein wichtiger Schritt – wenn auch noch mit markanten Schwachstellen. Trotzdem müssen die mafiösen Machtstrukturen des Rohstoffhandels im Kongo aufgelöst werden. Das funktioniert nur im Zuge eines Regierungswechsels mit anschließenden radikalen Reformen. Der langjährige Präsident Kabila scheint selbst in Sachen Korruption kein unbeschriebenes Blatt zu sein. Indem er sich verzweifelt versucht an der Macht zu halten, verhindert er jegliche positiven Entwicklungen. Nicht ohne Grund liegt der Kongo im weltweiten Korruptionsranking auf Platz 161 von 180. Interne Veränderungen können hierbei aber nur mit externem Engagement einhergehen. Die internationale Weltgemeinschaft muss zwingend ein großes Interesse an einem stabilen und sicheren Kongo haben. Nicht nur aufgrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik, sondern eben deshalb, da aus dem Kongo ein wichtiger Grundstoff für unsere hochtechnologisierte Welt stammt. 8) dw: Kongo: Streit um neues Bergbaugesetz; Artikel vom 29.03.2018
Fußnoten und Quellen:
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