Wie die USA das wohlhabendste Land Afrikas ins Chaos stürzten
Der illegale Krieg gegen Libyen im Jahre 2011 stürzte das afrikanische Land in eine noch immer anhaltende humanitäre Krise. Tausende Zivilisten starben. Ein Klima der Angst etablierte sich und ein enormer Flüchtlingsstrom nach Europa wurde dadurch in Gang gesetzt. Die USA verwandelte Libyen, das afrikanische Land mit dem damals höchsten Lebensstandard, in einen vom Krieg zerstörten und gescheiterten Staat, welcher islamistische Fundamentalisten einen Spielraum schafft. 1) ContraMagazin: Der NATO-Krieg gegen Libyen basierte auf Lügen; nicht mehr verfügbar
Muammar al-Gaddafis Herrschaft ließ Libyen aufblühen und schon bald zum reichsten Land Afrikas werden
Muammar al-Gaddafi wurde oft von den westlichen Medien als „der neue Hitler“ beschimpft. 40 Jahre lang regierte er das Land im Norden Afrikas – genauer gesagt seit 1969, nach dem Sturz des letzten Königs Idris, bis zu seiner eigenen Ermordung am 20. Oktober 2011. Muammar Gaddafi war ein Diktator und Mörder – das ist nicht hinterfragbar. „Personen, die abweichende politische Meinungen vertraten oder Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus verdächtigt wurden, kamen in Haft und wurden verhört“, so die Kritik von Amnesty International am Regime von Gaddafi. Auch der wiederholte Machtmissbrauch ist Fakt. Doch bekanntermaßen sollte man Dinge nicht immer „schwarz oder weiß“ sehen. Denn was viele nicht wissen oder wahrhaben wollen, ist die Entwicklung Libyens zum reichsten Land Afrikas unter seiner Herrschaft. Grund dafür war zum einen die Verstaatlichung des Erdöls. Libyen verfügt über die größten Erdölreserven Afrikas und das „schwarze Gold“ ist extrem wichtig für das Land. Es ist seit jeher der größte Erdölexporteur des Kontinents. Im Jahre 1973 weitete Gaddafi sein Imperium weiter aus und schon bald gehörte ihm zudem noch 51 Prozent aller nichtlibyschen Erdölgesellschaften. Damit wurde der Einfluss ausländischer Erdölkonzerne systematisch zurückgedrängt und stärkte Libyens Monopolstellung in diesem Bereich. Dank dieser Erdöleinnahmen schuf er genug Wohnraum für die Bevölkerung – Obdachlose gab es kaum noch. Außerdem setzte der Diktator umfassende Sozialreformen durch und verbesserte dadurch die Menschenrechtslage. Vor allem die Rechte und Stellung der Frau wurden unter seiner Führung enorm gestärkt. Sie hatten, ob man es glauben möchte oder nicht, als einzige in einem arabischen Land der damaligen Zeit das Recht auf Erziehung, auf Arbeit, auf Scheidung sowie auf Eigentum und Einkommen. Viele Frauen studierten und mussten ihren Körper und ihr Gesicht nicht verhüllen. Die Frau als Mutter hatte zudem in seinen Augen eine besonders wichtige Rolle. Er sah sie als „Stütze der Gesellschaft“. Aus diesem Grund genossen diese viele Privilegien. Es gab Bargeld für Kinder und freie Kindertagesstätten, freie Gesundheitszentren und Pension mit 55. Die Libyer erfreuten sich zudem aber nicht nur kostenloser Krankenversorgung und kostenloser Erziehung, sondern bezahlten auch nichts für Strom und Wasser. 2) Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren: Der illegale Krieg gegen Libyen 2011
Die Rebellen des „arabischen Frühlings“ provozierten eine gewaltsame Reaktion der libyschen Regierung unter Gaddafi
Doch der sogenannte „arabische Frühling“ brachte viele Veränderungen mit sich. Eine Reihe von Protesten, Aufständen und Revolutionen, die sich gegen die autoritär herrschenden Regime und die politische und soziale Struktur der Länder richtete, erschütterte die Arabische Welt. Alles begann im Dezember 2010 in Tunesien mit einer Protestbewegung gegen den damaligen Machthaber Ben Ali. Ägypten war als nächstes an der Reihe und auch noch etliche weitere Staaten im Nahen Osten und in Nordafrika versuchten ihre Machthaber zu stürzen – so auch Libyen. Am 15.02.2011 gab es die ersten kleineren Proteste mit hunderten von Menschen, zwei Tage später am „Tag des Zorns“ waren es bereits Tausende, die auf die Straße gingen. Doch die Rebellen waren keinesfalls friedlich, sondern nutzten von Anfang an, vor allem in Libyen, massive Gewalt. Sie griffen die Vertreter des Staates direkt an. Polizisten und Soldaten wurden erbarmungslos gelyncht und ermordet. Durch diese gezielten, kriegerischen Angriffe provozierten die Oppositionellen eine ebenfalls gewaltsame Reaktion der libyschen Regierung und eine Eskalation der Situation. Gaddafi sei „ein Schurke, dessen Entfernung von der Macht ein Segen wäre“, räumte Reinhard Merkel, ein deutscher Strafrechtsprofessor, ein. „Aber die Annahme, die ihn bekämpfenden Rebellen seien eine Demokratiebewegung mit homogenen freiheitlichen Zielen, ist lebensblind.“ Das Ganze gipfelte dann die Meldung Al Jazeeras, Gaddafi und seine Anhänger würden aus Kampfflugzeugen bzw. Hubschraubern auf friedliche Demonstranten feuern. Forscher heute glauben, diese Hubschraubergeschichte wäre nur erfunden gewesen – bewiesen ist sie zumindest nicht. 3) Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren: Der illegale Krieg gegen Libyen 2011Die USA legitimieren ihre Intervention mit dem Konzept „Responsibility to Protect“
Jedoch bildete genau diese Behauptung die Basis einer Forderung für eine Flugverbotszone über Libyen, welche sich auf die Resolution aus dem Jahre 2011 stützt. Die Resolution des Sicherheitsrates forderte eine sofortige Waffenruhe und ermächtigte die UNO-Mitgliedstaaten „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um von den Angriffen bedrohte Zivilpersonen zu schützen. Somit könnte man meinen, der NATO-Krieg wäre legal gewesen, da ein UNO-Mandat vorlag. Diese Annahme ist falsch – der Krieg gegen Libyen war illegal. Das vom Sicherheitsrat gestellte Mandat genehmigte zum Schutz des Volkes weder den Sturz des Regimes, noch den Einsatz von Bodentruppen, sondern lediglich den Erlass einer Flugverbotszone. Genau dieses trat am 17. März 2011 in Kraft.
30 Tage lang ging der Bürgerkrieg, bis sich der Westen entschied Position zu beziehen. Zwei Tage nach dem Beschluss des UN-Sicherheitsrates, genauer gesagt am 19. März 2011, begannen die Bombardierungen Libyens durch die NATO. Insgesamt 12 der 28 Mitgliedsstaaten beteiligten sich an diesem illegalen Angriff. Die größten Vorantreiber waren dabei die USA, Frankreich und Großbritannien. Man hatte sich nicht an die Vorgaben der Resolution gehalten. Zusätzlich zur Flugverbotszone, marschierten amerikanische und britische Soldaten in Libyen ein und erst nach dem Tod Gaddafis und dem Sturz der Regierung zogen sich diese wieder aus dem Krisengebiet zurück. Am 23. August 2011 fiel bereits die Hauptstadt Tripolis und schon am 20. Oktober 2011 endete der Krieg mit dem Tod Gaddafis.
Später mussten die USA und ihre Mitstreiter den Angriff legitimieren. Dafür nahmen sie Bezug auf das Konzept der „Responsibility to Protect“ (R2P) (zu Deutsch: Verantwortung für Schutz). Zuallererst besagt dies, dass jeder einzelne Staat die Pflicht hat, für das Wohlergehen der Bürger zu sorgen. Wenn aber dieser Staat dazu nicht fähig oder willig ist, alle Bürger vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, darf die internationale Staatengemeinschaft eingreifen, um den fehlenden Schutz zu gewährleisten. Dafür muss allerdings ein entsprechendes Mandat des UN-Sicherheitsrates vorliegen. Die Resolution aus dem Jahre 2011 bezog sich explizit auf dieses Prinzip. Auf ihr gründet die Entscheidung, die zum Schutz der Bevölkerung geforderte Flugverbotszone über Libyen einzurichten, um das Erschießen unschuldiger Zivilisten aus der Luft zu verhindern. Gaddafi, so die Argumentation, könne diesen Schutz für seine Bevölkerung nicht gewährleisten. Die Resolution beinhaltet Richtiges und Gutes, ist aber andererseits auch gefährlich. Sie untergräbt unauffällig die Souveränität aller Staaten und hilft militärische Angriffe auf Länder zu legitimieren, die davor keine anderen Länder angegriffen haben. 4) Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren: Der illegale Krieg gegen Libyen 2011Erdöl als Kriegsfaktor?
Die kontrovers diskutierte Intervention, wirft viele Fragen auf. Eine davon ist, welche Interessen die Vereinten Nationen bei diesem Krieg eigentlich verfolgten. Das bereits angesprochene Erdölvorkommen, war sehr wahrscheinlich einer der Gründe. Vor dem Krieg wurden ausländische Firmen hoch besteuert. Die Übergangsregierung versprach Staaten, die sie frühzeitig unterstützt hatten, eine Bevorzugung. Auch wollten sie Israel Sicherheit garantieren, die seit jeher als Polizist des Nahen Osten den USA gedient hatten. Die USA befürchtete Israel aber an Gegner zu verlieren – mit dem Sturz Gaddafis wollten sie dies verhindern. Desweiteren wollte die USA verhindern, dass Gaddafi Afrika eint und somit versuchen könnte sich unabhängig von den Vereinten Nationen zu machen und sich damit aus dessen Zwängen befreien. Denn schon 1999 initiierte der Diktator die Bildung der Afrikanischen Union (AU) und versuchte so den Kontinent zu einen. 5) Hintergrund: Den Krieg in Libyen verstehen; Artikel vom 03.06.2011
Der illegale Krieg in Libyen hat fatale Auswirkungen auf die Gesellschaft
Der Krieg in Libyen kostete mindestens 50.000 Menschen das Leben – unter ihnen zahlreiche Zivilisten. Die Lage der Bevölkerung hat sich nach dem Krieg beträchtlich verschlechtert. Libyen ist im Chaos versunken und kämpft nun mit vielerlei Problemen. Es herrscht Bürgerkriegschaos und zwei Regierungen reklamieren die Macht in dem nordafrikanischen Wüstenstaat für sich. Einmal jene von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch, die von den Vereinten Nationen unterstützt werden. Ihre Kontrolle beschränkt sich jedoch fast ausschließlich auf die Hauptstadt Tripolis. In Baida im Osten Libyens hat die Gegenregierung ihren Sitz, die mit dem einflussreichen Rebellenkommandeur Chalifa Haftar verbündet ist. Er steht an der Spitze der Libyschen Nationalen Armee (LNA), die aus Überbleibseln des Gaddafi-Militärs, Stammesmilizen aus Ost- und Südlibyen sowie salafistischen Kampfgruppen besteht. Seit Jahren weigert er sich, seine Truppen, die mehr als die Hälfte des Landes beherrschen, der von der UNO unterstützten Regierung von Ministerpräsident Fayez Sarraj in Tripolis zu unterstellen. 6) SZ: Außenminister Gabriel besucht überraschend Libyen; Artikel vom 8.6.2017 Zudem wurden das Schulsystem und das Gesundheitswesen stark beschädigt und die Rolle der Frau wurde wieder zurückgedrängt. All das, was Gaddafi in den Jahren seiner Herrschaft aufbaute und die Rechte und Privilegien, die er Frauen zuteilte, waren mit einem Mal zunichte gemacht. Heutzutage müssen sich Frauen wieder verschleiern und kaum noch eine studiert an einer Universität. Das Chaos begünstigt zudem radikale islamistische Gruppierungen. Die Heimatstadt Gaddafis, Sirte, ist beispielsweiße der wichtigste Stützpunkt des gefürchteten Islamischen Staates (IS) außerhalb von Syrien und dem Irak. Der Krieg löste zudem eine gewaltige Flüchtlingswelle aus. Wohin früher Menschen aus ganz Afrika hin gewandert sind um Arbeit zu suchen und zu finden, wandern Menschen seit dem Tod Gaddafis in Massen aus. Millionen von Menschen haben bereits ihre Heimat verlassen. Der Krieg selbst hatte Fluchtursachen geschaffen.
Fußnoten und Quellen:
Sebastian Kühn
Veröffentlicht um 17:56h, 15 JanuarEine kleine, aber nicht unerhebliche Anmerkung: Die UN-Resolution ist nicht aus dem Jahre 1973, sondern vom 17.3.2011., sie wurde also inmitten des Libyen-Konflikt verabschiedet.. Sie heißt lediglich „UN-Resolution 1973“ – das ist quasi die fortlaufende Nummerierung der UN-Resolutionen seit er 1. Resolution im Jahre 1946.
Marius / earthlink
Veröffentlicht um 14:40h, 21 JanuarHallo Sebastian,
wir haben den Fehler korrigiert. Danke für deinen Tipp!
Viele Grüße,
Dein earthlink-Team