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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur verstärkt die dortigen Umwelt- und Sozialkonflikte
Seit fast zwanzig Jahren verhandeln die EU und Mercosur, die regionale Wirtschaftsgemeinschaft Lateinamerikas, über ein Freihandelsabkommen. Nun steht es kurz vor dem Abschluss. 1) Reuters: EU official sees trade deal with Mercosur toward year-end; Stand: 25.05.2018 Doch das Handelsabkommen ist umstritten und könnte enorme negative Auswirkungen auf die Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay sowie Uruguay haben.
Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und Co sind immer kontrovers. Das Abkommen zwischen der EU und dem lateinamerikanischen Staatenbund Mercosur ist hier keine Ausnahme. Leider finden die Verhandlungen wie so oft hinter geschlossenen Türen statt. Bis jetzt ist aber bekannt, dass der Abbau der Zölle für 90% aller Waren sowie von Handelsbarrieren im Bereich der Dienstleistungen vorgesehen ist. Außerdem enthält der Vertrag unter anderem Pläne für die Angleichung von technischen sowie rechtlichen Vorschriften und neue Regelungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe. 2) Das Erste: Freihandelsabkommen mit Mercosur-Staaten; nicht mehr verfügbar 3) European Comission: EU-Mercosur Association Agreement; nicht mehr verfügbar
EU ist Hauptprofiteur des Abkommens – wirtschaftliche Abhängigkeit der Mercosur-Staaten wird verstärkt
Besonders die EU und dessen Unternehmen wären wohl die Nutznießer des Abkommens. Denn die Europäische Union erhält als bisher einziger Partner, mit dem Mercosur ein Handelsvertrag abgeschlossen hat, exklusiven Zutritt zum siebtgrößten Wirtschaftraum der Welt und spart jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ein. Vor allem der Zugang zu verbilligten Rohstoffen ist ein großer Vorteil. Aber auch die Mercosur-Staaten können laut Befürwortern auf ähnliche Weise von dem Freihandelsvertrag profitieren. Jedoch muss beachtet werden, dass durch das Abkommen die lateinamerikanischen Staaten vor allem ihren Export von Rohstoffen aus dem Agrarbereich und hier besonders von Fleischprodukten steigern werden, während die EU immer mehr Industriegüter liefern wird. Somit würde die internationale Arbeitsteilung, die schon seit der Kolonialzeit für Lateinamerika „die Rolle des Exporteurs von Natur“ 4) Maristella Svampa: Neuer Entwicklungsextraktivismus. Regierungen und soziale Bewegungen in Lateinamerika, in: Julia Roth (Hg.), Lateinamerikas koloniales Gedächtnis, Baden-Baden 2015, S.151-184. vorsieht und die daraus folgende wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industrienationen, noch verstärkt. Zudem leidet der heimische produzierende Sektor unter der zunehmenden Konzentration auf den Export von Primärgütern und einheimische Produkte können durch das Abkommen durch europäische Ware verdrängt werden. 5) European Comission: EU-Mercosur Association Agreement; nicht mehr verfügbar 6) Deutsche Welle: Liebe auf den zweiten Blick. EU und Mercosur nähern sich an; Stand: 28.05.2018 7) Amerika21: Das Abkommen Mercosur – Europäische Union; Stand: 28.05.2018 8) Misereor: Das EU-Mercosur-Abkommen auf dem Prüfstand; nicht mehr verfügbar
Abkommen senkt Umwelt-, Sozial-, und Verbraucherstandards und fördert Umweltzerstörung
Des Weiteren werden die Umwelt, Kleinbauern und die Verbraucher sowohl in den europäischen als auch in den Mercosur-Ländern die Verlierer des Abkommens sein. Besonders im Agrarbereich wird Kritik an dem Abkommen laut. Somit wird das Abkommen den Export von Agrarrohstoffen- und produkten wie Fleisch, Soja, Ethanol oder Zuckerrohr seitens der lateinamerikanischen Länder fördern. Die Produkte werden dort zum großen Teil in Monokulturen angebaut, deren Zahl in Folge dessen noch zunehmen wird. Die Landwirte in der EU befürchten, dass sie gegen diese riesigen Monokulturen nicht bestehen können und dass die Preise durch die neuen Einfuhren stark sinken werden. Zudem warnen Verbraucherschützer vor der Absenkung der Standards in Europa. So sei es der EU egal, unter welchen Bedingungen die Agrarprodukte produziert werden, solange sie einen neuen Absatzmarkt erschließen könne. 9) Das Erste: Freihandelsabkommen mit Mercosur-Staaten; nicht mehr verfügbar 10) Deutsche Welle: Liebe auf den zweiten Blick. EU und Mercosur nähern sich an; Stand: 28.05.2018
Und diese Kritik hat durchaus seine Berechtigung. Denn die Monokulturen in den Mercosur-Staaten haben schwerwiegende ökologische und soziale Konflikte zur Folge. Das Freihandelsabkommen und die dadurch steigende Nachfrage wird diese noch verstärken. In Brasilien beispielsweise werden die Nutztierherden vor allem im Amazonasgebiet gehalten. Dafür müssen jedoch riesige Flächen an Regenwald gerodet werden. So ist die Erschließung von Weideland einer der Hauptgründe für den dortigen Waldverlust. Und die Klimabilanz ist ebenso betroffen, denn die Rinderfarmen haben einen enormen Anstieg von Treibhausgas-Emissionen zur Folge. Bei der Produktion von einem Kilo Rindfleisch entstehen somit 27 Kilogramm Kohlendioxid und es werden 75 Badewannen Wasser verbraucht. Auch für den Anbau von Ethanol, Soja und Zuckerrohr muss der Regenwald sowie Trockenwälder weichen und die ursprünglichen Landschaften Lateinamerikas werden durch Monokulturen ersetzt. Diese Anbauform ist nicht nachhaltig, sondern verbraucht enorm viel Wasser und laugt den Boden durch intensive Bewirtschaftung aus, wodurch dessen Fruchtbarkeit schwindet. Außerdem steigt die Gefahr von Schädlingsbefall, was dazu führt, dass die Agrarkonzerne vermehrt auf chemische Düngemittel und Pestizide zurückgreifen. Diese belasten die Pflanzen sowie das Grundwasser und gefährden somit die Gesundheit der lokalen Bevölkerung. Und auch bei der Rinderzucht sollen Wachstumshormone sowie genmanipuliertes Futter keine Seltenheit sein und 2017 erregte ein Gammelfleischskandal in Brasilien enormes Aufsehen. 11) Misereor: Das EU-Mercosur-Abkommen auf dem Prüfstand; nicht mehr verfügbar 12) Greenpeace: EU-Mercosur-Abkommen schadet Umwelt und bedroht heimische Landwirtschaft; nicht mehr verfügbar 13) Zeitonline: Vegetarier sind die besseren Umweltschützer; Stand: 29.05.2018
Durch Vertrag werden Landraub und Ausbeutung intensiviert
Zu dieser Umweltzerstörung kommen des Weiteren noch Landkonflikte und Ausbeutung hinzu. Denn für die Rinderzucht und die Monokulturen sind riesige Agrarflächen nötig, die die produzierenden Unternehmen und Großgrundbesitzer oft auf kriminelle Weise aufkaufen oder auf denen sie illegal ihre Produkte anbauen. Die Betroffenen der Gier nach Agrarland sind vor allem indigene Stämme. Diese werden bedroht und vertrieben, wodurch sie ihre Lebensgrundlage verlieren. Einer der vielen betroffenen Stämme sind die Guarani im brasilianischen Bundesstaat Mato Grasso del Sul, die ihr Land an einen Großgrundbesitzer verloren und jetzt unter elenden Bedingungen am Straßenrand leben. Obwohl ihnen laut der Verfassung das Land ihrer Vorfahren zusteht, erkennt der Besitzer dies nicht an und reagiert mit Gewalt auf Versuche der Guarani, ihre Rechte durchzusetzen. Und auch im Nordosten von Brasilien kommt es immer wieder zu Landgrabbing, welches auch durch deutsche Pensionskassen finanziert wird. Zudem verstoßen viele Betriebe insbesondere in der Richterzucht gegen das Arbeitsrecht und beuten ihre Mitarbeiter aus. So konnten zwischen 2003 und 2014 45.000 Menschen entdeckt werden, die zu sklavenartiger Beschäftigung gezwungen wurden. Der brasilianische Staat unternimmt kaum etwas dagegen. Das liegt einerseits daran, dass die Bürokratie sowie Justiz sehr langsam arbeitet und die Demarkierung von Indigenengebieten lange dauert. Andererseits profitiert der Staat auch selbst von einer Begünstigung der Agrarindustrie und ist auf diese angewiesen. Außerdem ist Korruption in Brasilien keine Seltenheit und viele Politiker oder Sicherheitsbeamte kooperieren gegen ein kleines Entgelt gerne mit den Konzernen. Nur eines von vielen Beispielen ist der Gammelfleischskandal, in Zuge dessen unter anderem Präsident Temer verdächtig wird, Schmiergeldzahlungen von Konzern JBS angenommen zu haben. 14) Misereor: Das EU-Mercosur-Abkommen auf dem Prüfstand; nicht mehr verfügbar 15) NDR: Brasilien. Landraub und Gewalt; Stand: 29.05.2018 16) Amerika 21: Experten fordern Maßnahmen gegen Landraub in Brasilien; Stand: 29.05.2018
Unter Präsident Temer nehmen Umweltzerstörung und Landkonflikte in Brasilien zu
Insbesondere in Brasilien verschlimmert sich die Lage unter Präsident Michel Temer, der sich in den Augen vieler 2016 an die Macht putschte, immer mehr. Der rechtsgerichtete Temer verfolgt eine neoliberale Politik und ist ein Freund der Agrarlobby und der Großgrundbesitzer. So erlässt er neue Gesetze, die einen großen Rückschritt im Indigenen- und Umweltschutz bedeuten, kürzt das Budget von für Umwelt und Indigenenrechte zuständigen Institutionen, legt den Kampf gegen Sklaverei auf Eis und spricht nicht mehr von Landraub, sondern von staatlich geförderter Landgewinnung. Besonders viel Aufsehen erregte beispielsweise das Landgrabbing-Gesetz, das illegale Landnahme befördert. 17) Heinrich Böll Stiftung: Brasilien. Einschneidende Rückschritte im Umwelt-und Indigenenschutz; Stand: 29.05.2018 18) Amerika21: Brasilien. Ein Putsch im Putsch; Stand: 29.05.2018 Für die Großgrundbesitzer gleicht die Politik Temers einem Freifahrtsschein. Die von ihnen organisierten Attacken auf soziale Bewegungen wie der Landlosenbewegung MST, die oft in Kooperation mit den brasilianischen Sicherheitskräften stattfinden, nehmen zu. Alleine 2017 wurden 70 Aktivsten in Brasilien ermordet, 52 davon im Zusammenhang mit Landkonflikten. 19) Amerika21: Brasilien. Rückfall in brutale Zeiten; Stand: 29.05.2018
Doch nicht nur in Südamerika führt unsere stetig steigende Nachfrage nach billigen Lebensmitteln und Energie zu Umweltzerstörung und Landraub. Wir lagern die Kosten unseres Konsums ebenso nach Afrika und Asien aus.
Fußnoten und Quellen:
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