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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Watergrabbing: Nestlé & Co. wollen Süßwasserreservoir in Südamerika privatisieren
In Südamerika soll es Bestrebungen von international agierenden Konzernen geben, das Guaraní-Aquifer, das zweitgrößte Grundwasserreservoir der Welt, zu privatisieren. Der brasilianischen Zeitung Correio do Brasil zufolge haben sich erst kürzlich Vertreter von Nestlé und Coca-Cola mit Regierungsbehörden getroffen, um Möglichkeiten und Verfahren zur Nutzung des Guaraní-Aquifer durch Privatunternehmen zu besprechen. Multiwatch, eine Organisation aus der Schweiz, berichtete, dass dabei Konzessionsverträge für über 100 Jahre angestrebt werden. 1) netzfrauen.org: Der große Ausverkauf Brasiliens findet statt; Artikel vom 06.03.2018
Das sogenannte Guaraní-Aquifer verläuft unter den Staatsgebieten von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Es erstreckt sich unter einer Fläche in der Größe von Südeuropa und umfasst mehr als 1,2 Millionen Quadratkilometer Grundwasser. Der Grundwasserleiter enthält genug Wasser, um die vier Länder für die nächsten zweihundert Jahre zu versorgen. Benannt wurde er nach dem gleichnamigen indigenen Volk der Guaraní. Ihre Siedlungsgebiete befinden sich zum größten Teil auf dem Land über dem Aquifer, verteilt auf alle vier Staatsgebiete. Der größte Teil des Guaraní-Aquifers, in etwa zwei Drittel, befindet sich innerhalb der brasilianischen Grenzen. Nicht nur für die indigene Bevölkerung der Guarani ist das Wasser seit jeher Lebensader und Mittelpunkt ihrer Kultur. Der Bundesstaat São Paulo versorgt bereits heute mehr als 65 Prozent seiner Stadtgebiete größtenteils mit dem Grundwasser des Guaraní-Aquifer. Die Bedeutung dieses riesigen unterirdischen Wasserspeichers für die Wasserversorgung der Zukunft als auch der Gegenwart ist für die Region immens hoch. Kein Wunder also, dass internationale Großkonzerne ihre Fühler ausstrecken, um Zugang zu den unendlich scheinenden, zudem noch unverschmutzten Wasservorräten, zu bekommen. Bestrebungen, den Zugang zu privatisieren und die Wasserversorgung durch privatwirtschaftliche Unternehmen regeln zu wollen, gibt es schon seit mehreren Jahren. Befürworter der Privatisierung, allen voran Nestlé und Coca-Cola, sehen darin eine kostengünstigere und effizientere Nutzung des kostbaren Guts. Deshalb treiben neben den genannten noch weitere internationale Akteure die Trinkwasserprivatisierung weltweit voran. Die Privatisierung eines Aquifers dieses unvorstellbaren Ausmaßes hätte aber eine ganz neue Qualität. 2) Umweltkonflikte: Wasserraub? Die mögliche Privatisierung des Guaraní-Aquifers; zuletzt geprüft am 15.03.2018 3) Konrad-Adenauer-Stiftung: Das blaue Gold des Guaraní-Aquifer; Artikel vom 12.02.2012
Die Angst davor, dass die Wasservorkommen privatisiert werden, besteht schon seit Jahren. So hatten sich einem Bericht der Defensoria da Água zufolge Nestlé und Coca-Cola wichtige Informationen zu Wasserentnahmestellen beschafft und Land in diesen Gebieten gekauft. Schon 2007 berichtete die Wasser-Aktivistin Maude Barlow über Aktivitäten der Weltbank, die in einem Projekt von 2001-2009 das Guarani-Aquifer erkundet hatte. Jo-Shing Yang veröffentlichte 2012 einen Artikel, in dem sie detailliert über die Investitionsabsichten in den Wassersektor der Big Player der Finanzbranche berichtete. Darunter die Allianz, Barclays, die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Alle scheinen ein zunehmendes Interesse an dem Guaraní-Aquifer zu haben. Seit 2016 wurde die Lobbyarbeit von allen Seiten nochmals intensiviert. So fanden auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos der brasilianische Präsident Michel Temer und eine ganze Reihe von Führungskräften mit Interesse an dem Grundwasserleiter zu privaten Gesprächen zusammen. Anwesend waren unter anderem der Nestlé CEO Paul Bulcke, der CEO von Coca-Cola Carlos Brito und weitere überaus interessierte Vorstandsmitglieder von internationalen Konzernen. Dieselben Unternehmen sind auch Teil der „2030 Water Resources Group“ (2030WRG). Diese bezeichnet sich als eine „einzigartige öffentlich-private-zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit, die Dialogprozesse unterstützt, um Maßnahmen zur Wasserressourcenreform in wasserarmen Ländern voranzutreiben.“ Und sehen sich selbst als diejenigen, die in der Lage sind, die Lücke zwischen Wasserbedarf und -angebot bis zum Jahr 2030 schließen zu können. Dahinter verbirgt sich aber nichts Geringeres als die Absicht, die Wasserversorgung der Entwicklungsländer zu privatisieren und damit Geld und Macht zu generieren. 4) labrooots: Coca-Cola and Nestlé want to privatize the world`s 2nd largest aquifer; Artikel vom 16.02.2018
Der eingangs erwähnte Bericht, demnach sich erneut Vertreter der brasilianischen Regierung mit Vertretern von Nestlé und Coca-Cola getroffen haben sollen, lässt NGOs und Bürgerbewegungen, die gegen eine Privatisierung kämpfen, aufhorchen. In Anbetracht der Tatsache, dass der nicht gewählte Präsident Temer bereits progressive Maßnahmen der Vorgänger-Regierung zum Umweltschutz sowie Hindernisse für die Privatisierung der natürlichen Ressourcen zurückgefahren hat, scheinen die Befürchtungen akuter denn je werden zu lassen. Hinzu kommt, dass nicht nur seine Politik neoliberale Züge aufweist, sondern auch in Argentinien und Paraguay konservativ-neoliberale Regierungen an der Macht sind. In drei von vier Anrainerstaaten scheint somit politisch der Weg zur Wasserprivatisierung geebnet, diese Chance scheint auch die private Wasserwirtschaft erkannt zu haben. Passend dazu findet vom 18. bis zum 23. März 2018 in Brasilien das World Water Forum statt. Es gilt als wirtschaftsfreundliche Veranstaltung. Organisiert wird das Ganze von großen Lobbyorganisationen wie der Weltbank, der Global Water Partnership, und den führenden profitorientierten Wasserkonzernen unter dem Slogan „Sharing Water“. Ob die Inwertsetzung des Guaraní-Aquifers auch auf der Agenda steht, ist nicht bekannt. Dass die politische Situation in Brasilien und der Region sich jedoch sehr zum Vorteil der teilnehmenden Konzerne verändert hat und sich dadurch die Chancen für die Aneignung von Gemeingütern wie Grundwasserressourcen durch transnationale Unternehmen erhöht, passt den Beteiligten gut.5) Deutschlandfunk: Das blaue Gold der Guaraní; nicht mehr verfügbar 6) Oxfam: Konzerne machen Wasser zum Luxusgut; Artikel vom 24.06.2015
Wie auch immer sich die Vorhaben der Privatisierung des Blauen Goldes verwirklichen lassen, es steht fest, dass sobald Wasser eine Ware ist, ökonomische Interessen im Vordergrund stehen. Im Falle des Guaraní-Aquifers wären die Folgen zunächst einmal für die Guaraní spürbar, denn sie leben auf dem Land, welches Nestlé und Co sich zu eigen machen müssten, um an das Wasser zu kommen. Wie mit enteigneten indigenen Stämmen in der Vergangenheit nicht nur in Brasilien umgegangen wurde, lässt das Schicksal, welches den Guaraní bevorstünde, erahnen. Nicht nur für die Guaraní, deren Leben sich auf dem Guaraní-Aquifer abspielt und der seit Generationen ihre Lebensgrundlage bildet, wird sich mit der Privatisierung so einiges ändern. Die Privatisierung des Wassers könnte einen Anstieg des Wasserpreises bedeuten und es für arme Menschen zum Luxusgut werden lassen. Sauberes Wasser würde für Teile der Bevölkerung unerschwinglich werden. Angesichts der Wasserknappheit, die auf der ganzen Welt ein reales Problem darstellt, sollten sich die Staaten der Welt genauestens überlegen, ob man das Wasser und somit unglaublich viel Macht in die Hände von Privatunternehmen, die meist an kurzfristigen und gewinnbringenden Lösungen für die Wasserversorgung interessiert sind, geben möchte. Die Privatisierung von Wasserdienstleistungen sowie der Wasserhandel sind ein gefährlicher Trend. Die Kommerzialisierung von Wasser könnte das Ausmaß von Wasserknappheit enorm verstärken und für Millionen Flüchtlinge sorgen, die auf der Suche danach ihre Heimat verlassen müssen. In Brasilien finden sich deshalb parallel zur Veranstaltung des Weltwasserforums, bei dem internationale Konzerne und Organisationen Fragen rund ums Thema Wasser unter sich ausmachen, verschiedene Nichtregierungsorganisationen und soziale Projekte zusammen, um eine alternative Veranstaltung stattfinden zu lassen. Sie stehen für einen gerechten und nachhaltigen Umgang mit den Wasservorräten in Brasilien. 7) amerika21: Bis zum letzten Tropfen – drohender Ausverkauf des Wassers von Brasilien; Artikel vom 03.03.2018 8) Mintpress News: Coca-Cola, Nestle To privatize World´s second largest Aquifer; Artikel 26.02.2018
Fußnoten und Quellen:
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