Der verschleppte Krieg in der Ostukraine: Europas vergessene Flüchtlinge
Während die EU-Mitgliedstaaten nach wie vor darüber streiten, wie mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten umgegangen werden soll, scheint die Situation in der Ostukraine für die Mächtigen, aber auch für die mediale Öffentlichkeit, keine sonderlich große Rolle mehr zu spielen. Und das Letzte, was die Menschen vor Ort jetzt brauchen, ist, Vergessene in einem verschleppten Konflikt zu werden. Vor Kurzem erst hielt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede. Bis auf einige wenige Experten interessierte sich niemand von internationalem Rang und Namen für den Auftritt des Staatsoberhaupts. 1) Tagesspiegel: „Die Menschen stehen vor einer schrecklichen Wahl“; Artikel vom 28.02.2018
Dieser Umstand ist aus mehreren Gründen fatal: Erstens, aus humanitärer Sicht, vor allem deshalb, weil die Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten unter den täglichen Schusswechseln und der damit einhergehenden fehlenden Versorgung leidet. Zweitens, weil Poroschenko kaum Erfolge bei der Modernisierung des Landes vorweisen kann und daher den Krieg mit den abtrünnigen Kräften braucht, um von den wirtschaftlichen Problemen des Landes abzulenken und den Unmut der Bevölkerung auf ein externes Feindbild (Russland) zu lenken. Drittens, weil Russland damit wiederholt seinen De-facto-Herrschaftsbereich auf völkerrechtswidrige Art erweitern konnte (mehr hierzu). Und letztlich, viertens, zieht der Konflikt die gesamte ukrainische Wirtschaft in den Abgrund und hinterlässt einen hochverschuldeten Staatsapparat. 2) Zeit Online: Vergessener Krieg im Donbass; Artikel vom 19.02.2018 3) Tagesspiegel: „Das Leid der Menschen ist unsäglich“; Artikel vom 24.02.2018
Der Unwillen und das Unvermögen der Verhandlungspartner – darunter in einer Vermittlerrolle: Deutschland – das Abkommen von Minsk zur Beilegung des Konflikts umzusetzen, lässt kaum eine Aussicht auf Besserung zu. Stand 2016 rechnet das UNHCR mit rund 1,85 Millionen Binnenvertriebenen. Aber auch in der restlichen Ukraine sehen die Menschen wirtschaftlich keine Zukunft und so haben bereits viele das Land verlassen. Im Nachbarland Polen leben und arbeiten mittlerweile 2 Millionen Ukrainer, geschätzte 500.000 davon illegal. Ein Drittel der Bevölkerung denkt über das Auswandern nach. Seit im Juni 2017 die Visumspflicht für Ukrainer entfallen ist, verlassen laut dem ukrainischen Außenminister monatlich 100.000 Menschen das Land. Und auch diese Entwicklung ist negativ für die Gesundung des Staates. Da die Regierung durch die Emigration de facto aus der Verantwortung entlassen wird, die Lebensbedingungen ihrer Bürger zu verbessern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Durch Überweisungen der Exilukrainer werden obendrein noch Devisen ins Land gebracht. 4) UNHCR: Global Focus: Ukraine; aufgerufen am 02.03.2018 5) Telepolis: Brain Drain: Massenauswanderung aus der Ukraine; Artikel vom 27.02.2018
Bleibt die Lage weiterhin derart prekär, wird sich auch der Migrationsdruck weiter erhöhen. Für die Menschen in den betroffenen Regionen Lugansk und Donezk, aber auch für die gesamte ukrainische Zivilbevölkerung, sollten die europäischen Partner ebendiese vielbeschworene östliche Partnerschaft endlich wieder ernst nehmen und für eine nachhaltige Lösung und friedliche Beendigung des Konflikts eintreten. Eine Einigung über die Entsendung einer UN-Friedensmission wäre ein erster Schritt und könnte zumindest in militärischer Hinsicht zur Entspannung und einer Umsetzung des Minsker Abkommens beitragen.
Fußnoten und Quellen:
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