Drohender Bürgerkrieg in Kenia
Im Zuge der Präsidentschaftswahl in Kenia kommt es seit Mitte letzten Jahres immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Der neue Präsident reagiert mit Härte und Entschlossenheit und und bedient sich dabei oftmals antidemokratischer Methoden. Dabei bewegt sich das Land mit der einst stabilsten Demokratie Afrikas immer mehr auf eine diktatorisch geprägte Regierungsform zu, was für die Menschen und die innenpolitische Lage fatale Folgen haben könnte.
Letztes Jahr im August sollte in Kenia ein neuer Präsident gewählt werden. Von vornherein war klar, dass sich die Wahl zwischen den beiden Spitzenkandidaten Uhuru Kenyatta von der Jubile-Allianz und zwischen Raila Odinga von der National Super Alliance (NASA) entscheiden würde. Die Erstwahl konnte Kenyatta mit circa 54 Prozent für sich entscheiden. Odinga warf seinem Kontrahenten aufgrund von Regelverstößen der Wahlkommission (IEBC) Betrug vor, woraufhin der erste Durchgang, als erste Wahl in der afrikanischen Geschichte, vom obersten Gerichtshof für ungültig erklärt wurde und binnen 60 Tagen eine neue Wahl abgehalten werden musste. 1)tagesschau:Oberste Richter bestätigen Wahlergebnis; Artikel vom 20.11.2017 2) faz:Wie die Väter, so die Söhne; Artikel vom 27.10.2017
Jedoch sind solche Betrugsvorwürfe keine Neuheiten in Kenia, da in der Vergangenheit bereits die letzten drei Ergebnisse von Odinga angefochten wurden. Für die Neuwahl forderte der Oppositionsführer eine Veränderung der Wahlkommission, um unabhängige Wahlen zu garantieren. Diese wurde auf den 26. Oktober 2017 festgesetzt. Als diese Forderungen nicht erfüllt wurden, gab Odinga zwei Wochen davor seinen Rücktritt von der Wahl bekannt und rief seine Anhänger zum Wahlboykott auf. Am 25. Oktober versuchte eine Gruppe von politischen Aktivisten, die das gleiche Anliegen wie Odinga hatten, vor dem obersten Gerichtshof eine Änderung der Kommission zu bewirken, was aber wegen Kurzfristigkeit abgelehnt wurde. Am 26. Oktober gingen dann lediglich ein Drittel aller Wahlberechtigten Kenias wählen und Kenyatta gewann mit 98 Prozent der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 39 Prozent. 3) spiegel:Wahlen in Kenia werden Mitte Oktober wiederholt; Artikel vom 17.10.2017 4) zeit:Zusammenstöße bei Präsidentschaftswahl in Kenia; Artikel vom 26.10.2017
Im Zeitraum zwischen Erst- und Neuwahl kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Anhängern der Opposition. Diese reichten von Vandalismus, Sachbeschädigung über Plünderungen bis hin zu Blockaden und Straßenschlachten. Am Wahltag selber wurden Zufahrtsstraßen oder Eingänge zu Wahllokalen blockiert. Viele Wahllokale blieben wegen Angst vor Demonstranten auch gleich komplett geschlossen. Hierbei ging die Polizei äußerst brutal gegen Demonstranten vor, weshalb ihr von vielen Menschenrechtsorganisationen eine Unverhältnismäßigkeit von Gewalt vorgeworfen wird. Seit dem Amtsantritt Kenyattas hat sich die Lage durch Drohungen, aufrührerische Rhetorik und immer brutalerem Vorgehen der Polizei noch einmal verschärft. Seitdem sind circa 70 Oppositionsanhänger von Polizisten getötet und hunderte verletzt worden. 5) zeit:Zusammenstöße bei Präsidentschaftswahl in Kenia; Artikel vom 26.10.2017 6) faz:Wie die Väter, so die Söhne; Artikel vom 27.10.2017 7) derstandard:Menschenrechtler:54 Tote bei Gewalt nach Wahl in Kenia; Artikel vom 03.11.2017 8) dw:Gewalt überschattet Präsidentenwahl in Kenia; Artikel vom 25.10.2017
Die beiden politischen Kontrahenten gehören unterschiedlichen Volksstämmen an. Odinga gehört der Gruppe der Luo und Kenyatta der Gruppe der Kikuyu, dem größten Stamm der indigenen Bevölkerung in Kenia, an. Die scharfe Rivalität der politischen Gegner ist darauf zurückzuführen. Als von 1952 bis 1960 der britische Kolonialkrieg herrschte, kämpften die Väter der beiden zusammen gegen die Siedler. 1963 war der Krieg vorbei, Kenia wurde ein unabhängiger Staat und Jomo Kenyatta, mit Jaramogi Odinga als Vizepräsident, wurde der erste Präsident des Landes. Noch im selben Jahr enthob er wegen Illoyalitätsvorwürfen den Vizepräsidenten Odinga seines Amtes und verurteilte ihn zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Währenddessen teilte er die Ländereien der vertriebenen Kolonialisten den Leuten seines Stammes zu. Seit der Unabhängigkeit waren 4 von den 5 Präsidenten Angehörige der Kikuyu. Sprachliche und traditionelle Unterschiede in der Kultur verschärfen diese Rivalität noch einmal mehr. 9) stuttgarternachrichten:Kenia stürzt in die Krise; Artikel vom 23.10.2017
Aufgrund der immer weiter andauernden Ausschreitungen gerät die Wirtschaft des Landes zunehmend ins Stocken. Tausende Protestierende legen ihre Arbeit nieder. Die Tourismusbranche kommt wegen der momentanen politischen Instabilität immer weiter zum erliegen und Experten befürchten, dass die Krawalle weiter andauern und sich auch noch verschlimmern werden. 10) stuttgarternachrichten:Kenia stürzt in die Krise; Artikel vom 23.10.2017
Problematisch ist, dass sich Kenia immer mehr in Richtung einer Diktatur mit polizeistaatlichen Zügen bewegt. Als sich Odinga zum „Präsidenten des Volkes“ vereidigen ließ, wurden auf Geheiß von Präsident Kenyatta hin die drei größten Fernsehsender des Landes kurzerhand abgestellt, um die Übertragung zu verhindern. Ebenso liegt das Gewaltmonopol beim Staatsoberhaupt, wodurch es über Mittel verfügt, Aufstände oder staatkritisches Denken zu unterdrücken. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich die Gesellschaft immer mehr in zwei rivalisierende Lager aufteilt und die Möglichkeit eines Bürgerkriegs droht. Dies hätte für die Bevölkerung aber auch für die vielen Flüchtlinge in Kenia zur Folge, dass die Wirtschaft komplett zusammenbrechen und das Land in eine schwere Krise stürzen würde. 11) merkur:Spiel mit dem Feuer:Kehrt Kenia der Demokratie den Rücken; Artikel vom 07.02.2018
Fußnoten und Quellen:
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