Todesfalle Sahara – Auf dem Weg durch die Wüste gibt es vermutlich noch mehr Tote als auf dem Mittelmeer
Die Trans-Sahara-Migration ist ein uraltes Phänomen, das nur im Kontext der eng verflochtenen kulturellen, geographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Sahara-Sahel-Region verstanden werden kann. Um mit den unmenschlichen klimatischen Bedingungen der Region zurechtzukommen, sind schon immer viele Menschen entlang der Trans-Sahara-Route in andere Länder immigriert und viele Völker der Region leben bis heute als Nomaden in verschiedenen Ländern. Auch gab es schon seit dem 7. Jahrhundert rege Handelsrouten, die die Sahara durchquerten. Damals wurde mit Gold, Salz und Sklaven gehandelt, heute sind es Migranten. 1) Pulitzer Center; Highway through hell; Veröffentlicht am 04.10.2017 2) Clingendael; Turning the tide: The politics of irregular migration in the Sahel and Libya; Veröffentlicht im Februar 2017
Tatsächlich geben nur circa 20 – 35 Prozent der Migranten, die auf der Trans-Sahara-Route unterwegs sind, an, dass sie nach Europa wollen. Der Rest ist auf dem Weg nach Algerien und Libyen, wo es bessere Jobs gibt. Dies wird auch von den Daten der UNHCR bestätigt, denn die Anzahl der in Italien ankommenden Flüchtlinge entspricht 22,9 Prozent der Migranten, die die Sahara durchqueren. Zudem wird von der EU oft behauptet, dass noch eine große Anzahl von Migranten in Libyen auf die Überfahrt wartet, jedoch kehren auch 34,1 Prozent der Migranten von Libyen wieder in ihre Heimatstaaten im südlicheren Afrika zurück. Daher ist die Trans-Sahara-Migration keinesfalls eine Einbahnstraße nach Europa, denn der Großteil der Migranten kehrt nach einer gewissen Zeit wieder in die Heimat zurück. 3) Clingendael; Turning the tide: The politics of irregular migration in the Sahel and Libya: Veröffentlicht im Februar 2017
Trotzdem hat Europa Maßnahmen eingeleitet, um den Migrationsstrom aufzuhalten. Dadurch wurde jedoch die Durchquerung der Sahara noch gefährlicher, als sie sowieso schon ist. So wurde seit Mai 2015 der Menschenschmuggel in Niger als illegal deklariert und die meisten, die nach Norden wollen, müssen durch den Niger. Auch führt die Polizei und das Militär seitdem strengere Kontrollen durch und setzt härtere Strafen um. Früher wurden die Schmuggler oft vom Militär eskortiert, heute gehen sie weite Umwege, um die Militärcheckpoints zu vermeiden. Zudem steht die Stadt Agadez in Niger im Zentrum der Bemühungen, den Fluchtstrom einzudämmen. Es finden Razzias in den Häusern statt, in denen die Migranten auf die Weiterfahrt warten und es wurden Maßnahmen von der EU versprochen, um den Menschen eine alternative Einkommensquelle anzubieten, was bis heute aber noch nicht umgesetzt wurde. 4) The Washington Post; Smugglers are abandoning migrants in the middle of a desert the size of Texas; Veröffentlicht am 05.07.2017 5) The Guardian; On the road in Agadez: desperation and death along a Saharan smuggling route; Veröffentlicht am 09.11.2015
Mit den neuen Gesetzen und Grenzkontrollen wurden die Routen nicht nur länger, sondern auch teurer, denn der Preis ist von 300 US-Dollar auf über das Doppelte gestiegen. 6) Pulitzer Center; Highway through hell; Veröffentlicht am 04.10.2017 Wer es sich nicht leisten kann, wird in Libyen in die Zwangsarbeit übergeben oder muss sich in den Goldminen des Chads das Geld zur Weiterfahrt verdienen. 7) The Washington Post; Smugglers are abandoning migrants in the middle of a desert the size of Texas; Veröffentlicht am 05.07.2017 8) The Guardian; On the road in Agadez: desperation and death along a Saharan smuggling route; Veröffentlicht am 09.11.2015
Seitdem sich das Vorgehen der Regierung so drastisch gewendet hat, werden auch immer mehr Migranten aus Angst davor, vom Militär entdeckt zu werden, von ihren Schmugglern in der Wüste zurückgelassen. Zudem gibt es auch Berichte darüber, dass das Militär das Feuer auf Schmugglerfahrzeuge eröffnet hatte, wenn diese entdeckt wurden und versucht haben, davon zu kommen. Nicht nur die Schmuggler müssen sich vor dem Militär fürchten, auch die Migranten werden missbraucht und ausgenutzt. Die Überlebenschancen für die Migranten, die in der Wüste von ihren Schmugglern zurückgelassen wurden, stehen sehr schlecht. Wie viele jedoch bei der Durchquerung der Sahara ihr Leben verlieren, ist noch unbekannt, da nur selten Leichen gefunden werden, aber manche Schätzungen gehen davon aus, dass es zweimal mehr Tote auf der Sahara-Route als auf der Mittelmeer- Route gibt. 9) The Jordan Times; Migrant deaths in the Sahara likely twice Mediterranean toll- UN; Veröffentlicht am 12.10.2017 10) UNHCR; News comment: UNHCR shocked at deaths in Sahara Desert; Veröffentlicht am 02.07.2017 11) The Washington Post; Smugglers are abandoning migrants in the middle of a desert the size of Texas; Veröffentlicht am 05.07.2017 12) The Guardian; On the road in Agadez: desperation and death along a Saharan smuggling route; Veröffentlicht am 09.11.2015
In einem Land wie dem Niger, wo es wirtschaftlich nur wenige Möglichkeiten gibt, war der Schmuggel von Migranten eine wichtige Einkommensquelle und in einigen Regionen, wie der Stadt Agadez, ist ein Großteil der Bevölkerung von dieser Einkommensquelle abhängig. Im Jahr 2015, als circa 100 000 Migranten Agadez passierten, könnten so über 18 Millionen Euro umgesetzt worden sein. 13) The Washington Post; Smugglers are abandoning migrants in the middle of a desert the size of Texas; Veröffentlicht am 05.07.2017 14) The Guardian; On the road in Agadez: desperation and death along a Saharan smuggling route; Veröffentlicht am 09.11.2015 Seitdem jedoch die EU dafür gesorgt hat, dass die Migration entlang der Trans-Sahara-Route eingedämmt wird, ist auch die Wirtschaft in der Gegend um Agadez stark zusammengebrochen und die Menschen dort werden in die Armut gedrängt. 15) Pulitzer Center; Highway through hell; Veröffentlicht am 04.10.2017
Solange es den Menschen in Afrika wirtschaftlich nicht besser geht und es für sie keine Zukunft in ihrer Heimat gibt, wird sich der Migrationsstrom durch die Sahara auch nicht aufhalten lassen. Die Maßnahmen, die jedoch von den afrikanischen Staaten unter Drängen der EU umgesetzt wurden, berücksichtigen keineswegs die lokalen Gegebenheiten und lassen es völlig außer Acht, dass Migration in diesem lebensfeindlichen Teil der Welt schon immer eine wichtige Überlebensstrategie war. 16) Clingendael; Turning the tide: The politics of irregular migration in the Sahel and Libya; Veröffentlicht im Februar 2017 So wurde das Leben von vielen Menschen in der Region noch schwerer und der Weg durch die Wüste fordert noch mehr Opfer. Grenzschließungen können keine Lösung sein, vielmehr sollte man auf Bildung und Investitionen in die lokale Wirtschaft setzen, um den Menschen eine alternative Möglichkeit zu bieten. Zudem ist die Trans-Sahara-Route eine wichtige Lebensader für saisonale Migration, kulturellen Austausch und Handelsbeziehungen zwischen den Völkern der Sahel-Sahara-Region und somit notwendig für das Wohlergehen und die Stabilität der Region.
Fußnoten und Quellen:
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