EU-Handelspolitik im Agrar- und Kakaosektor raubt Menschen ein existenzsicherndes Einkommen und ihre Gesundheit
In Berlin beginnt heute die „Internationale Grüne Woche“, die bis zum 28. Januar 2018 stattfindet. Auf dieser international wichtigsten Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau werden landwirtschaftliche Erzeugnisse von Herstellern und Vermarktern aus aller Welt den Fachbesuchern und dem allgemeinen Publikum präsentiert. Anlässlich dieser Messe und dem gleichzeitigen Auftakt der Agrarministerkonferenz am 20. Januar fordert das Hilfswerk „MISEREOR“ eine kohärente EU-Handels- und Agrarpolitik. Außerdem wies das Bonner SÜDWIND-Institut auch auf die Armut von Bäuerinnen und Bauern in den Kakaoanbaugebieten Westafrikas hin. Zusätzlich hatte das Institut vor der immer noch weit verbreiteten Kinderarbeit auf den Plantagen gewarnt. Denn die massiven Ex- und Importe von Lebensmitteln der EU führen und führten immer wieder zu weitreichenden Menschenrechtsverletzungen und zerstören die Lebensgrundlage vieler Menschen in afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten. 1) epo.de: Agrarministerkonferenz / EU-Handelspolitik im Agrarsektor verschärft globale Ungleichheit; 19.01.2018 2) epo.de: Grüne Woche /Kakaosektor benötigt existenzsichernde Einkommen und faire Preise; 19.01.2018
MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel erklärte ausführlich: „Bei einer fairen Handelspolitik müssen die Folgen für Menschen und Umwelt im Mittelpunkt stehen, denn der Handel mit Agrarprodukten hat direkte, oft sehr schwerwiegende Auswirkungen auf die Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungsländern. EU-Exporte von Milchpulver nach Nigeria und Burkina Faso, Schweinefleisch in die Elfenbeinküste, Hühnerfleisch nach Kamerun sowie Tomatenpaste nach Ghana zu Preisen unterhalb der Erzeugungskosten üben enormen Druck auf die Preise aus und beeinträchtigen dadurch Einkommensgrundlagen und das Recht auf Nahrung von Bauern und Bäuerinnen in Entwicklungsländern. All diese Produkte können vor Ort, also lokal produziert werden und Einkommen für Produzenten und Produzentinnen und in der Weiterverarbeitung generieren. Viele Hersteller und Händler in Ländern Afrikas stehen vor dem Aus ihrer Unternehmen. Die Bundesregierung sollte sich, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf angekündigt hat, auch für eine Überprüfung der geplanten Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen mit den Ländern Afrikas einsetzen. Diese brauchen langfristig Spielräume, um ihre Landwirtschaft vor Billigimporten zu schützen.“ 3) epo.de: Agrarministerkonferenz / EU-Handelspolitik im Agrarsektor verschärft globale Ungleichheit; 19.01.2018
Zudem beeinflussen auch die massiven Importe von Sojabohnen und Sojaschrot nach Deutschland und in die EU die Herkunftsländer. Das genetisch veränderte Saatgut, das u.a. für die Tierhaltung eingesetzt wird, hat vielen Menschen dort ihre lebenserhaltende Existenz zerstört. Der Anbau von Soja ist zusätzlich ressourcenintensiv und beansprucht rund 57 Millionen Hektar Land in Südamerika. Vorwiegend werden beim Besprühen der Pflanze Pestizide verwendet. Zahlreihe Studien belegen die damit verbundenen fatalen Folgen für Natur und Mensch in den betroffenen Ländern wie Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. 4) epo.de: Agrarministerkonferenz / EU-Handelspolitik im Agrarsektor verschärft globale Ungleichheit; 19.01.2018
Der Kakaoanbau ist ein weiteres Problem. Seitdem die Kakaopreise seit September 2016 einen besonders starken Absturz zu verbuchen hatten, setzt sich das Institut SÜDWIND dafür ein, dass den kakaoanbauenden Familien endlich ein Preis ausgezahlt wird, der ein menschenwürdiges Einkommen ermöglichen und garantieren kann. Im Rahmen der Grünen Woche wird zu dem Thema eine Diskussion zwischen Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und SÜDWIND über die Möglichkeiten von nachhaltigem Kakaoanbau, vor allem in der Elfenbeinküste, aber auch in anderen westafrikanischen Staaten, stattfinden. Friedel Hütz-Adams ist ein Kakaoexperte und hat für den Kakaosektor zahlreihe Publikationen über Nachhaltigkeit herausgegeben. Er beleuchtet das Problem: „Zwar haben Unternehmen, Regierungen und die Entwicklungszusammenarbeit eine Vielzahl von Projekten angestoßen, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. Doch an der Situation der Menschen in den Kakaoanbaugebieten Westafrikas hat sich bisher wenig geändert. Es wurde häufig die Produktivität auf den Plantagen gesteigert. Die Produktivität lässt sich laut dem Institut zwar von derzeit rund 400 Kilogramm pro Hektar in Westafrika steigern, jedoch könnte eine Erhöhung der Produktivität zu einem Kakaoüberschuss beitragen. Somit würden die Kakaopreise weiter sinken, was auch zurzeit passiert: Aufgrund einer guten Ernte zwischen September und Dezember 2016 ist dieser Preis von rund 3.000 US-Dollar je Tonne auf 2.000 je Tonne gefallen und bleibt auch auf diesem Niveau. Hinzu kommt, dass Bäuerinnen und Bauern nur in den seltensten Fällen genügend finanzielle Mittel besitzen, um in nachhaltige Anbaumethoden zu investieren. Besonders in der Elfenbeinküste ist die Situation dramatisch: Hier reichen die Einkommen für viele Familien nicht einmal dafür aus, ihren Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen. 5) epo.de: Grüne Woche /Kakaosektor benötigt existenzsichernde Einkommen und faire Preise; 19.01.2018
„Existenzsichernde Einkommen sind ein Menschenrecht. Unternehmen der Kakao- und Schokoladenindustrie müssen daher veränderte Geschäftsmodelle aufbauen, um die Situation der Bäuerinnen und Bauern nachhaltig zu verbessern“, so Hütz-Adams. Dafür schlägt das Institut langfristige und direkte Verbindungen zu den Bäuerinnen und Bauern vor, die Preise garantieren, die eine nachhaltige Produktion möglich machen. „Ohne diese tiefgreifenden Veränderungen der Geschäftsbeziehungen zwischen KakaoproduzentInnen, kakaoverarbeitenden Unternehmen und letztendlich auch dem Einzelhandel und den KonsumentInnen wird sich die Situation der Bäuerinnen und Bauern nicht verbessern“, fügt Hütz-Adams hinzu. Aber auch die Regierungen der Anbauländer sind in der Verantwortung und müssen in die benötigte Infrastruktur in den Kakaoanbaugebieten investieren. Schlussendlich müssen sie die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen und ihnen aus ihrer Armut verhelfen. 6) epo.de: Grüne Woche /Kakaosektor benötigt existenzsichernde Einkommen und faire Preise; 19.01.2018
In den Sondierungsergebnissen von Union und SPD steht, dass man eine „faire Handelspolitik, die allen zugutekommt und auf Wachstum, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit setzt, und eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) anstrebt. Eine faire Handelspolitik bedeutet aber: Faire Chancen für die lokale Produktion in Entwicklungsländern. Wenn es uns wirklich um die Ursachen der Armutsbekämpfung geht, dürfen wir mit unserer Agrarpolitik die globale Ungleichheit nicht noch verschärfen, die zu wachsenden Spannungen und weiteren Migrationsbewegungen weltweit führen. Dies sollte dann auch im Koalitionspapier dargelegt werden und nicht eine allgemeine Absichtserklärung bleiben“, so Pirmin Spiegel von MISEREOR. 7) epo.de: Agrarministerkonferenz / EU-Handelspolitik im Agrarsektor verschärft globale Ungleichheit; 19.01.2018
Fußnoten und Quellen:
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