EU-Afrika-Gipfel: Die unfaire Handelspolitik Europas
„Der EU-Afrika-Gipfel muss neue Schwerpunkte zum Ausbau der Beziehungen zwischen beiden Kontinenten setzen“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vergangenen Dienstag in Berlin. Gestern begann in Abidjan in der Elfenbeinküste das Gipfeltreffen von Europäischer und Afrikanischer Union. Im Mittelpunkt steht das Thema „Investitionen in die Jugend für eine nachhaltige Zukunft“. 1) Entwicklungspolitik Online: Müller sieht Marshallplan als Grundlage einer neuen Afrika-Offensive; Artikel vom 28.11.2017
„Europas Schicksal und Zukunft entscheidet sich auf dem afrikanischen Kontinent“, unterstreicht Müller. 2) Entwicklungspolitik Online: Müller sieht Marshallplan als Grundlage einer neuen Afrika-Offensive; Artikel vom 28.11.2017 Wichtige Themen beim Gipfeltreffen sind Migration, Frieden und Sicherheit. Auch die Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika soll angesprochen werden. Sehr wichtige Maßnahmen dabei sind die Stärkung der afrikanischen Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, um vor allem jungen Afrikanern Perspektiven zu bieten. Bereits jetzt ist Afrika der jüngste aller Kontinente. Antonio Tajani, der Präsident des Europaparlaments, schätzt, dass die Bevölkerungszahl Afrikas bis 2050 auf über zwei Milliarden Menschen anwächst. Wenn nicht umgehend Lösungen zu den Problemen Afrikas verwirklicht würden, brächen in den kommenden Jahrzehnten Millionen Afrikaner in Richtung Europa auf, meint Tajani im Interview mit der DW vor dem EU-Afrika-Gipfel. „Afrika muss seinen jungen Menschen eine Zukunft garantieren können“, sagt der Präsident des Europaparlaments. 3) Deutsche Welle: Partner mit unterschiedlichen Interessen; Artikel vom 29.11.2017
Um die afrikanische Wirtschaftskraft zu verbessen, setzt die EU nunmehr vor allem auf Investitionen und Handelsabkommen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Junker sagt dazu: „Wir Europäer [bewegen] uns von Entwicklungshilfe für Afrika hin zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe.“ 4) Die Welt: „Die Mitgliederstaaten müssen ihre Versprechen halten“; Artikel vom 29.112017 Um die Investitionsbereitschaft europäischer Unternehmen in Afrika anzukurbeln, wurde von der EU im September 2016 die Europäische Investitionsoffensive (EIP) ins Leben gerufen. Ein Bestandteil dieses Projekts ist der Europäische Fonds für Nachhaltige Entwicklung (EFSD), welcher den Zweck hat, mit öffentlichen Geldern Investitionen in Afrika schmackhafter für europäische Unternehmen zu machen. 5) Südwind e.V.: Perspektive wechseln! EU-Handels- und Investitionspolitik und die SDG in Afrika; nicht mehr verfügbar Mit einem Beitrag von 4,1 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt, können laut Junker durch den EFSD bis zu 44 Milliarden Euro für Investitionen mobilisiert werden. 6) Die Welt: „Die Mitgliederstaaten müssen ihre Versprechen halten“; Artikel vom 29.112017 Die Investitionswilligkeit europäischer Unternehmen soll durch Zuschüsse, Zinsvergünstigungen oder die Garantie auf Rückzahlung der Gelder, im Falle des Scheiterns, vergrößert werden. 7) Südwind e.V.: Perspektive wechseln! EU-Handels- und Investitionspolitik und die SDG in Afrika; nicht mehr verfügbar
Doch ob dieses Projekt die versprochenen, entwicklungspolitischen Erfolge erzielt, ist fraglich. Denn die ärmsten Länder werden von den Investoren meist trotzdem gemieden. Eine Ausnahme ist die Förderung von Rohstoffen, aber diese hat meist keine positiven Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmarkt im jeweiligen Land. Wichtig wäre es, die Verarbeitung der Rohstoffe direkt in den Abbauländern durchzuführen. Doch das kommt nur sehr selten bis gar nicht vor. Außerdem sollten mit der EIP in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden. Durch Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft können lokale Wertschöpfungsketten ausgebaut werden und ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung des Hungers getan werden. Doch bisher profitieren von der Investitionsförderung hauptsächlich industrielle Großkonzerne. Im Landwirtschaftssektor beispielsweise sichern diese sich so die lukrativen Märkte Afrikas, bringen aber nur wenige, unattraktive Arbeitsplätze mit. 8) Südwind e.V.: Perspektive wechseln! EU-Handels- und Investitionspolitik und die SDG in Afrika; nicht mehr verfügbar
Auch der Vorstandsvorsitzende von VENRO Bernd Bornhorst stellt fest: „Kleine und mittlere Unternehmen und der informelle Sektor sind der Motor für Beschäftigung. Mit Hilfe erschwinglicher Kredite und verbesserten Zugängen zu Märkten könnten sie Millionen von Arbeitsplätzen schaffen.“ VENRO fordert zudem, dass mehr in die Aus- und Weiterbildung junger Afrikaner investiert wird. 9) Entwicklungspolitik Online: Hoffnungen auf Neustart für gerechten Handel; Artikel vom 27. November 2017
Neben Investitionen möchte die EU die Handelsbeziehungen mit Afrika stärken. Dazu dienen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) der europäischen Union mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Doch diese Freihandelsverträge kommen in erster Linie europäischen Unternehmen zugute, denn sie sorgen dafür, dass Handelshemmnisse zu ihren Gunsten abgeschafft werden. Die afrikanischen Länder sollen ihre Märkte zu mindestens 80 Prozent für europäische Produkte und Dienstleistungen öffnen. Das würde zum vermehrten Import billiger Produkte aus Europa führen, welche lokale Waren vom Markt verdrängen würden. Denn die Konzerne aus den starken Wirtschaftsnationen Europas können viele Produkte und Dienstleistungen preisgünstiger anbieten, als es den jungen lokalen Unternehmen aus Afrika möglich ist. Außerdem fehlen den afrikanischen Regierungen wichtige Erträge aus Zöllen und Importsteuern. In einigen Ländern machen diese einen wichtigen Anteil der Staatseinnahmen aus. Die Gelder aus Zöllen und Steuern könnten zur Förderung der verarbeitenden Industrie genutzt werden. Denn genau dieser Industriezweig kann viele Arbeitsplätze bereit stellen und einen enormen Beitrag zum Wirtschaftswachstum im jeweiligen Land leisten.
Für die afrikanischen Länder ist der innerafrikanische Handel zudem von großer Bedeutung und darf nicht von einseitigen Abkommen zwischen Afrika und den Industrienationen überschattet werden. Eine junge Verarbeitungsindustrie kann ihre Wettbewerbsfähigkeit im regionalen Rahmen stärken. Mittelfristig kann auf die Integration in die regionale Wirtschaft eine Eingliederung in die globale Wertschöpfungskette folgen. Aus diesem Grund plant die Afrikanische Union, dass zukünftig der innerafrikanische Handel bis zu 50 Prozent des Außenhandels ausmachen solle.
Es ist dringend notwendig, dass die EU ihre Handels- und Investitionspolitik mit Afrika überdenkt, denn wie sie aktuell durchgeführt wird, profitieren in erster Linie die europäischen Konzerne. Ihren ursprünglichen entwicklungspolitischen Auftrag haben die Handelsabkommen inzwischen verloren. Und das, obwohl gerade gute und vor allem faire Handelsbeziehungen sowie Investitionen aus Europa enorm zum Wirtschaftswachstum in Afrika beitragen könnte. Dabei müssen aber die jungen verarbeitenden Industrien und landwirtschaftliche Kleinbetriebe vor Ort speziell geschützt werden. Es ist sehr wichtig, nicht nur große Unternehmen, sondern speziell den Mittelstand zu fördern. Der Handel darf nicht zu früh mithilfe von Freihandelsabkommen liberalisiert werden. 10) Südwind e.V.: Perspektive wechseln! EU-Handels- und Investitionspolitik und die SDG in Afrika; nicht mehr verfügbar
Denn nur mit einer Handels- und Investitionspolitik, die für beide Seiten faire Bedingungen bietet, kann die Wirtschaftskraft in Afrika gestärkt werden und der Kontinent endlich vom Entwicklungshilfeempfänger zum Partner auf Augenhöhe werden. Nur so können den Menschen in Afrika Chancen auf eine perspektivenreiche Zukunft in ihrer Heimat geboten werden und sie müssen sich nicht auf den lebensbedrohlichen Weg nach Europa machen.
Fußnoten und Quellen:
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