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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Warum deutsche Entwicklungskonzepte mit Afrika Augenwischerei sind
In vielerlei Hinsicht kann man die derzeitige Entwicklungspolitik der Bundesregierung als eine bloße Symptombekämpfung bezeichnen. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass viele westliche Industrienationen den afrikanischen Kontinent durch ihre Wirtschaftsweise weiterhin ausbeuten, scheint eine solche Herangehensweise wenig erfolgversprechend. Eine gerade eben ausgehandelte Obergrenze für den Flüchtlingszuzug (200.000 Menschen pro Jahr) von CDU und CSU ist keine Lösung, die einer Aufgabe der Entwicklungspolitik gerecht wird, sondern klingt nach einem Wegdenken von Verantwortungsbewusstsein in diesem Land und dient der „Beruhigung von AfD-Seelen“. 1) Huffingtonpost.de: Die Obergrenze für Flüchtlinge löst keine Probleme – weil Europa nicht auf die nächste Krise vorbereitet ist; nicht mehr verfügbar
Dabei steht seit Anfang dieses Jahres Afrika ganz oben auf der Liste der BRD, das „Afrikajahr 2017“ wurde ausgerufen. Im Rahmen des deutschen G-20 Präsidentschaftsprogrammes wurde ein ambitioniertes Ziel beschlossen: „Verantwortung übernehmen – besonders für Afrika“, so heißt es zumindest in der Theorie. Ganze drei Afrika-Konzepte wurden von dem Entwicklungsministerium, dem Finanzministerium und Wirtschaftsministerium in diesem Jahr vorgestellt: Der sogenannte „Marshallplan mit Afrika“, dann der „G-20 Compact with Africa“ und „Pro! Afrika“. Im Mittelpunkt der Konzepte steht vor allem die Neuausrichtung des Wirtschaftens durch Investitionen deutscher Unternehmen vor Ort. Selbst die Kanzlerin Merkel setzt sich verstärkt mit diesem Kontinent auseinander. Doch so voreilig sollte man nicht in die Hände klatschen. Denn trotz der Vielfalt der Konzepte stellt sich auch die Frage, inwieweit diese umsetzbar und vereinbar sind oder ob nicht doch besser ein gemeinsames Konzept erstellt werden sollte. 2) Taz.de: Hilfsprogramme für Afrika / Ein Kontinent wird neu entdeckt; 12.06.2017
Der „Deutsche Welle“-Redakteur Daniel Pelz fragt sich beispielsweise, wie viele Abkommen solcher Art noch der Öffentlichkeit präsentiert werden. Er ist der Auffassung, dass man für Afrika ein einziges klares und logisch durchdachtes Konzept braucht, da dadurch keine Reibungsverluste drohen. Er erläutert, dass durch fehlende Abstimmung die Konzepte ihre Ziele aus den Augen verlieren könnten und der schon erarbeitete Erfolg zunichte gemacht würde. Er schlägt vor, dass durch eine übergeordnete Strategie ein Konzept erschaffen werden sollte, welches die Handelspolitik auf dem afrikanischen Kontinent reformieren und dadurch die Armut beseitigen könnte. Laut ihm muss Europa seine Märkte für Produkte Afrikas öffnen, um den Kontinent nicht weiter mit Billig-Waren zu überfluten. Damit könnten die Probleme gelöst werden und eine neue Ära könnte beginnen. 3) Deutsche Welle: Viel hilft nicht immer viel; 04.05.2017
Doch so einfach ist es nicht: Schon vor einem Jahrzehnt warnte der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser vor einem „Image-Aufschwung des Marshallplans“, der als Initiative für Entwicklungsländer genutzt werden könnte. Er betonte, dass das Wiederaufbauprogramm als Vorbild für Entwicklungsländer untauglich bzw. „als Modell für Afrika absolut ungeeignet ist“. Herr Abelshauser erläutert, dass der damalige Marshallplan in Deutschland zwar ein erfolgreiches Instrument der USA war, um Westeuropa gegen den Ostblock abzuschirmen und somit eine gewisse Stabilität zu erreichen, was auch umgesetzt werden konnte. Dennoch sagt er, dass dieser Plan nicht für den Wirtschaftsaufschwung stünde, sondern nur indirekt mitgeholfen habe, damit Deutschland sich von den Folgen des 2. Weltkrieges erholen kann. Denn der Aufschwung der Wirtschaft kam über ein Jahr (1947/1948) vor dem Marshallplan (1948) zustande, da Güter zu teuer waren sowie den Bedürfnissen der Industrie nicht gerecht wurden, bzw. erst im Jahr 1949 ankamen. 4) Die Welt: „Als Modell für Afrika absolut ungeeignet“; 04.06.2007
Auch der Wirtschaftsökonom Carlos Lopes hält von der Idee des „Marshallplans mit Afrika“ wenig. Er bezeichnet ihn als lächerlich und wirbt stattdessen für Investitionen auf dem schwarzen Kontinent. Herr Lopes, der bis 2016 Generalsekretär der UN-Wirtschaftskommission für Afrika war, ist der Auffassung, dass der Plan von seinem Volumen her nur einzelnen Ländern helfen kann, was den Kontinent spalten würde. Das Abkommen hatte bezogen auf das damalige Volumen zur Wirtschaftsleistung der USA agiert. Als Maßstab für die heutige Zeit könnte hiermit finanziell höchstens nur Nigeria geholfen werden. Afrika müsse seine Probleme selber lösen und nicht immer von Initiativen von außen leben, das schade eher als das es helfe, so Lopes weiter. 5) Die Zeit Online: „Ich würde alle Projekte stoppen“; 05.07.2017
Niema Movassat von der Partei „Die Linke“ ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2013 Obmann der Fraktion im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Er ist zudem der Sprecher für Welternährung. Movassat beleuchtet in seinem im Juni veröffentlichten Artikel die miserablen Missstände der Konzeption:
Weit voraus in der Entwicklung scheint dabei die Vision „Compact with Africa“ aus dem Hause des (noch derzeitigen) Finanzministers Wolfgang Schäuble und des Chefökonoms Ludgar Schuknecht zu sein, die zudem mit in solchen Fragen wichtigen internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank verhandelt wurde bzw. wird. Das Konzept sieht vor, dass afrikanische Länder zu investorfreundlichen Regimen für den ganz großen Handel umgebaut werden. Eine spezielle Art von Investoren soll involviert werden, wie zum Beispiel institutionelle Anleger, Pensionskassen, Versicherungen etc. Durch deren Hilfe soll die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afrikas behoben werden, die sich durch eine fehlende Infrastruktur im Energiebereich, bei der Wasserwirtschaft und im Verkehrssektor auszeichnet. Soweit so gut, aber die Tatsachen stehen gegen ein humanes Vorgehen:
Reine humanitäre Abzocke und eine Mischung aus schon skurrilen neoliberalen Ideen und Instrumenten findet sich im Vorhabeplan.
Angeblich sollen Strukturanpassungsprogramme die Ausgaben von den zum Pakt zugehörigen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent stark reduzieren und zu volkswirtschaftlicher Stabilität beitragen. Die Privatisierung der Daseinsvorsorge bzw. die Kommerzialisierung öffentlicher Dienstleistungen zielt ebenfalls darauf hinaus und soll außerdem zur gleichen Zeit dem Kapital neue Verwertungsmöglichkeiten bieten. Damit die Interessen der Investoren auch gegen politischen Widerstand, beispielsweise nach Regierungswechseln, gut abgesichert sind, werden „neutrale“ Schiedsgerichte eingesetzt, die dies sicherstellen sollen.
Solche Vorschläge des Konzeptes passen gut unter den Deckmantel der wirtschafts- und finanzpolitischen Vorstellungen der BRD. Besonders Herr Schäuble profitiert von ihnen, ein Finanzminister, der den Privatisierungsausbau auch hier in Deutschland für gut und wichtig erklärt hat. Das Stichwort Autobahnprivatisierung in Deutschland verdeutlicht das damit verbundene Vorhaben übertragen auf Afrika. Die Privatisierung wird von der Bundesregierung bei der Erreichung der 17 sogenannten „Sustainable Development Goals“ (SDGs) bei der „Agenda 2030“ gutgeheißen. Im Klartext bedeutet das, dass in diesem Diskurs der Entwicklungspolitik vor allem ein Interesse der Mobilisierung des Privatkapitals besteht, was noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa treiben würde.
Der Ökonom und ehemalige Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, Paul Collier, findet seit Jahren die Idee der institutionellen Anleger als Hauptfinanzierer von Infrastrukturprojekten gut, da diese aufgrund der niedrigen Zinsen in Europa und den USA ihre hohen Renditeerwartungen ohnehin nicht erfüllen können bzw. große Schwierigkeiten damit haben. Dementsprechend müsste man einfach in der Entwicklungspolitik so agieren, dass dieses Geld von diesen Anlegern nach Afrika verfrachtet wird. Dies geschieht am besten dadurch, dass die öffentliche Hand den Investoren mit ihren Rendite-Erwartungen den Rücken deckt. Die Bildung der dafür notwendigen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern wie auch die Risikoabsicherungen schaffen dadurch ein Ergebnis der „Gewinnprivatisierung“ und der „Verlustsozialisierung“ (Verstaatlichung) in diesen Staaten. Um etwa solche „Kampagnen“ geht es bei dem Konzept. 6) Deutsches Institut für Entwicklungspolitik: Compact with Africa, Marshallplan und Co: ein gefährlicher Paradigmenwechsel der deutschen Entwicklungspolitik; 13.06.2017
Inwiefern der Ökonom die Weltbank während seiner Jahre dort in seiner Denkweise beeinflussen hat, könnte seiner Haltung geschuldet sein. Schon damals setzte er sich für eine selektivere und geringere Einwanderung aus den Entwicklungsländern nach Europa und in die USA ein. 7) Wikipedia: Paul Collier (Ökonom); 06.11.2017
Fußnoten und Quellen:
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