Jamaika in Berlin – Kommt jetzt der Kohleausstieg?
Deutschland ist Kohleland. Wenn die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele in den nächsten Jahren einhalten will, muss sich das ändern. Die besonders „dreckige“ Braunkohle bereitet Umweltschützern die meisten Kopfschmerzen. Eigentlich sind sich alle etablierten Parteien über die Tatsache des Kohleausstiegs einig. Nur über das wann und wie herrscht Uneinigkeit. Seit knapp 45 Jahren wird die Bundesregierung von einem siebenköpfigen Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) beraten. Dieser fordert nun in einer neu veröffentlichten Stellungnahme den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung innerhalb von 20 Jahren. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung – so kurz nach der Bundestagswahl – ist wohl nicht zufällig gewählt. Eine neue Regierung muss derzeit in Berlin gebildet werden. Und die einzige mehrheitsfähige Koalition ist nach der Absage der SPD nun das sogenannte „Jamaika“-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und den Grünen. 1) SRU: Umweltrat fordert vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung innerhalb von 20 Jahren; Artikel vom 02.10.17
Die Grünen werden also gebraucht. Dringend. Die Stellungnahme des SRU verdeutlicht dies. Denn unter zwölf Jahren Merkel’scher Regierung hinkt Deutschland seinen „Klimazielen“ weit hinterher und kommt nur sehr langsam voran. Man kann diese Ziele grob in drei Punkten zusammenfassen: Erstens soll der CO2-Ausstoß reduziert werden. Die Werte sind seit acht Jahren nicht mehr gesunken. Zweitens soll Energie gespart werden. Und drittens muss der Ausbau erneuerbarer Energien voran getrieben werden. Deutschland liegt dort im internationalen Vergleich gerade noch im Mittelfeld.
Der SRU macht deutlich, dass das Handeln der kommenden Bundesregierung maßgeblich für die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist. Bezüglich der „Abschaltung“ der Kohlekraftwerke schlägt er einen Plan vor, der sich in drei Phasen abspielen soll. Bereits bis 2020 sollen die Kraftwerke mit dem größten CO2-Ausstoß vom Netz gehen. In der zweiten Phase sollen bis 2030 – gebunden an ein jährliches Emissionsbudget von 2000 Megatonnen – die restlichen und moderneren Anlagen weiterlaufen. Auch um Arbeitsplätze vorläufig zu erhalten. 2030 soll dann die letzte Phase anlaufen: die Stilllegung sämtlicher Kohlekraftwerke in der Bundesrepublik. Ein solcher strukturverträglicher Ausstiegspfad biete Planungssicherheit und eine gerechte Lastenverteilung. Würde man einen Ausstieg überstürzen, liefe man Gefahr, ganze Regionen zu destabilisieren. Aber er sollte unverzüglich eingeleitet werden. „Das letzte Kraftwerk muss in spätestens 20 Jahren vom Netz gehen“, so Prof. Claudia Kemfert vom SRU. Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, erklärte den Bericht der Sachverständigen für eindeutig. Ohne einen zügigen Ausstieg aus der Kohle würde Deutschland keinen ausreichenden Beitrag zum Klimaschutz leisten können und das Ziel von 40 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2020 krachend verfehlen. 2) epo: Umweltrat fordert vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung innerhalb von 20 Jahren; Artikel vom 02.10.17
Natürlich hat die Kohleenergie eine mächtige Lobby, der sehr daran gelegen ist, dass Deutschland auch ein Kohleland bleibt. Bereits vor zwei Jahren hatte das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel einen Plan für den Kohleausstieg vorbereitet. Dieser scheiterte jedoch an der immensen Gegenwehr diverser Interessenvertreter.
Letztendlich muss ein Umdenken innerhalb der Gesellschaft stattfinden. Und dieses Umdenken muss von der Politik gestützt werden. Der Klimawandel ist real und wir alle werden die Konsequenzen tragen müssen, sollte dieses Umdenken ausbleiben. Bei genauerer Betrachtung herrscht in Deutschland seit Jahren Stillstand beim Klimaschutz. Die Emissionen der Energiewirtschaft sind seit über 20 Jahren nicht mehr gesunken. Wirkliche Einsparungen gehen größtenteils auf die Stilllegung alter Kraftwerke und den Zusammenbruch der früheren DDR-Industrie zurück. Es muss mehr beim Klimaschutz passieren. Sei es im Energiesektor, beim Verkehr oder bei „grüner“ Architektur. Das würde dem Klima, dem Arbeitsmarkt und unserer Gesundheit zu gute kommen. Aber es geht natürlich nicht nur um uns. Nicht nur um Deutschland. Millionen von Klimaflüchtlingen machen sich jährlich auf den Weg in die Industriestaaten, welche die Hauptverursacher des Klimawandels sind. Wenn wir von Fluchtursachenbekämpfung sprechen, müssen wir auch von Klimaschutz sprechen. 3) derFreitag: Wie der Kohleausstieg vereitelt wurde; Artikel vom 12.09.17
Die Grünen haben den Klimaschutz zur unentbehrlichen Hauptbedingung für Sondierungsgespräche gemacht. Gleichzeitig kündigten sie bereits Zweifel an, ob gewünschte Ziele mit der FDP verhandelbar seien. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann sich dieses Umdenken endlich einstellen wird. 4) DW: Schafft Deutschland den Klimaschutz mit Jamaika?; Artikel vom 26.09.17
Fußnoten und Quellen:
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