Kürzung der UN-Beitragszahlungen – stehlen sich die USA aus der Verantwortung?
Staatschefs und ranghöchste Diplomaten aus aller Welt fanden sich zwischen dem 12. und 25. September zur jährlichen Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN/UNO) in New York ein, um über globale Probleme, Krisen und Ziele zu beraten. Der amerikanische Präsident Donald Trump betrat zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt das Hauptquartier am East River und die Augen der Weltgemeinschaft ruhten auf ihm.
Trump ist seit vielen Jahren ein lauter Kritiker der Vereinten Nationen und brachte dies auch während seines Wahlkampfes häufig zum Ausdruck. Trump wirft der Organisation Trägheit und Ineffizienz vor. Sie liefere trotz außerordentlicher finanzieller Beiträge keine Ergebnisse, sei zu bürokratisch und quasi obsolet. Natürlich sind diese Vorwürfe nicht komplett aus der Luft gegriffen. Die Vereinten Nationen sind eine Internationale Organisation und arbeiten auch nach entsprechenden Richtlinien. Die Kompetenzen sind begrenzt. Es gibt keine übergeordnete Entscheidungsinstanz. Die Vollversammlung ist kein Parlament, auch der Sicherheitsrat verfügt über kein effektives völkerrechtliches Gewaltmonopol. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel forderte ebenfalls erst kürzlich mehr Handlungsfähigkeit der Organisation.
Jedoch muss man sich fragen, wie Trumps Bedauern der kollektiven, diplomatischen Unfähigkeit der Organisation mit seiner nationalistischen „Amerika zuerst-Devise“ vereinbar ist. Die USA waren 1945 maßgeblich an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt. Sie sind quasi eine amerikanische Erfindung. Über 70 Jahre lang waren die Amerikaner so etwas, wie das Zugpferd dieses internationalen Ensembles. Derzeit finanzieren sie 22 Prozent des UNO-Haushalts und sind damit vor Japan mit 13 und Deutschland mit acht Prozent der mit Abstand größte Geldgeber. 1) RP Online: Alle Augen auf Trump; Artikel vom 19.09.17
Doch diese Zeiten könnten bald vorbei sein. Präsident Trump hat angekündigt, er sehe sich gezwungen, die finanziellen Zuwendungen massiv zu kürzen, sollte sich die Organisation nicht reformieren. Einige Mitglieder betrachten das als Akt der Erpressung. „Er wird nicht dazu führen, dass irgendein anderes Mitgliedsland seine prozentualen Pflichtbeiträge erhöhen wird“, so Andreas Zumach, UNO-Korrespondent der taz. Für die Finanzierung des Etats der Vereinten Nationen, welcher von der Generalversammlung verabschiedet wird, gibt es einen eindeutig definierten Beitragsschlüssel. Die Höhe der Beiträge wird auf Grundlage des durchschnittlichen Bruttoinlandsproduktes eines Landes der letzten viereinhalb Jahre sowie in Abhängigkeit von der Schuldenbelastung, des Pro-Kopf-Einkommens und der Währungsschwankungen berechnet. Da die USA das mit Abstand höchste BIP aller Mitgliedsstaaten haben, zahlen sie dementsprechend auch die höchsten Beiträge. Man könnte jedoch stutzig werden, wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte aller Länder nur den Mindestbeitrag von 0,001 Prozent bezahlt. Zumach fordert ein neues Finanzierungsmodell, bei dem jedes Land den Pflichtbeitrag von 0,05 Prozent des BIP aller Mitgliedsstaaten zahlt. „Das müsste möglich sein“, schreibt Zumach. 2) Der Tagesspiegel: Trump wirft UN Misswirtschaft vor; Artikel vom 18.09.17 3) taz: So lässt sich die Erpressung verhindern; Artikel vom 19.09.17
Doch die Realität ist momentan eine andere. Und zu ihr gehört, dass die Vereinten Nationen in der nahen Zukunft wohl auf eine beträchtliche Menge an Geld verzichten werden müssen. Wer darunter zunächst am meisten leiden wird, kann man sich schon ausmalen. Die Amerikaner zahlen aktuell 28 Prozent aller Blauhelm-Friedensmissionen. 15 solcher Missionen gibt es derzeit. Diese werden durch Resolutionen der UN mit dem Ziel beschlossen, den Frieden in einem Land oder einer Region zu sichern oder zu bewahren. Auch wenn es immer wieder Kritik an Blauhelm-Missionen gibt, gelten einige von ihnen als außerordentlich erfolgreich. So trug beispielsweise die Mission UNAMSIL zwischen 1999 und 2005 dazu bei, den Bürgerkrieg in Sierra Leone zu beenden und das Land nachhaltig zu sichern. Die meisten Missionen gibt es aktuell in Afrika. Man stelle sich den enormen Zuwachs an Flüchtlingsströmen vor, sollten diese Friedens- und Stabilisierungsmissionen aufgrund fehlender finanzieller Mittel eingestellt werden müssen. 4) United Nations Peacekeeping: Current peacekeeping operations; nicht mehr verfügbar
Außerdem sind die USA der größte Geldgeber, was freiwillige Zahlungen betrifft. Diese werden vornehmlich für UN-Nebenorgane wie das Kinderhilfswerk UNICEF oder das Weltflüchtlingswerk UNHCR aufgewendet. UNICEF schützt Kinder weltweit vor Ausbeutung und Gewalt, versorgt sie mit sauberem Trinkwasser, Impfstoffen und Schulmaterial. Desweiteren leisten sie Nothilfe nach Naturkatastrophen. Das UNHCR stellt sicher, dass die Menschenrechte von Flüchtlingen gewahrt werden und hilft ihnen, eine neue Existenz aufzubauen. Der Hohe Kommissar des UNHCR Filippo Grandi befürchtet massive Kürzungen in der Flüchtlingshilfe und kündigte an, sein Kommissariat sei ohne die USA eigentlich nicht arbeitsfähig. 5) UNO-Flüchtlingshilfe: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen; nicht mehr verfügbar 6) UNICEF: Für jedes Kind – gestern, heute und morgen; nicht mehr verfügbar
Die Ankündigung, Hilfsgelder zu kürzen, wirkt umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Amerikaner für drei der größten Flüchtlingsströme aus Afghanistan, dem Irak und Syrien mitverantwortlich sind. Diese Mitverantwortung war dem ehemaligen Präsidenten Obama durchaus bewusst. Unter ihm stiegen diese freiwilligen Ausgaben der Amerikaner beträchtlich. Unter Trump werden sie wohl wieder sinken. Ob sich der Präsident seiner Verantwortung noch bewusst wird, ist momentan nicht abzusehen. Generalsekretär Guterres kündigte bereits an, er wolle Friedenseinsätze und Entwicklungsarbeit effizienter gestalten. Sollte Trump ernst machen, kann er beweisen, ob er das kann.
Fußnoten und Quellen:
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