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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Der Marshall-Plan: Kann die Vision vom revolutionierten Afrika tatsächlich umgesetzt werden?
2017 ist das Afrika-Jahr in Deutschland. Passend dazu legte Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, seinen „Marshall-Plan“ vor. Es gäbe genug Ressourcen, um alle zu ernähren, die Schlüsselrolle spiele die Landwirtschaft. Fairer Handel und Sozialstandards sind nach Meinung des Entwicklungsministers auch die beste Fluchtursachenbekämpfung. Sollten diese Ziele nicht erreicht werden, stehe eine Masseneinwanderung von Globalisierungsverlierern nach Europa bevor, warnte Müller im Bundestag.
Der „Marshallplan mit Afrika“ beinhaltet Eckpunkte für eine neue deutsche entwicklungspolitische Afrika-Strategie. Die Vorschläge verbinden öffentliche und private Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Ansätzen, wie zum Beispiel der Agenda 2063 der Afrikanischen Union. Daneben bestehen zwei weitere Schwerpunkte zur Friedenssicherung und Governance-Förderung. Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent, um so auch Fluchtursachen zu bekämpfen. 1) Euractiv: Marshallplan mit Afrika – Wirksamkeit der Entwicklungspolitik weiterdenken; Artikel vom 02.05.17 Der Plan baut auf drei Säulen auf. Wirtschaft, Handel und Beschäftigung, welche Bildung, Finanzierung und Soziale Sicherung beinhaltet. Frieden und Sicherheit, die für Stabilität sorgen und Unruhen eindämmen sollen. Die dritte Säule ist Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte, politische Teilhabe und Korruptionsbekämpfung einschließt.
Mobilisation von privaten Investitionen statt staatlicher finanzieller Mittel

Investition © Abdullatif Omar Dreamstime.com
7.407 Milliarden Euro standen im Jahr 2016 im Haushaltsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, doch dieses Geld wurde beispielsweise auch für Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland oder für Studierende aus dem Ausland ausgegeben. Aber Müller sieht sowieso einen anderen Plan vor: Er appellierte an Unternehmen, denn statt staatlicher Hilfsgelder sollen in erster Linie mehr private Mittel mobilisiert werden. Das Motto lautet hier: Investitionen für unternehmerische Entfaltung. Denn nicht der Staat, sondern die private Wirtschaft schaffe auf Dauer Arbeitsplätze. Deshalb braucht Afrika weniger Subventionen und mehr private Investitionen. Natürlich stehen auch hier der deutsche Eigennutzen und die Gewinnorientierung mit im Vordergrund. Selbst der Minister sagte, dass Afrika nicht Russland oder China überlassen werden dürfe. Trotzdem ist dieser Ansatz als positiv zu bewerten. Denn nur staatlich finanzielle Mittel zu verschicken, bewerten viele afrikanische Kritiker negativ. Ökonom James Shikwati, Direktor des IREN-Instituts in Nairobi, ist der Meinung, dass diese Art von Entwicklungshilfe das Land nur abhängig gemacht und Machtstrukturen verfestigt hat, von denen nur wenige profitieren. Die westliche „Hilfsindustrie“ stärke lediglich tyrannische Herrscher und Korruption. Hier wiederum wäre es sinnvoller, über mehrere Jahrzehnte Budgethilfen festzuschreiben, die sich jährlich reduzieren. Die Vergabe der Gelder müsste an Bedingungen geknüpft sein. Zum Beispiel, dass das Land eine Demokratie ist und dass Standards bei Menschenrechten und Korruptionsbekämpfung erfüllt werden. 2) FAZ: Ein Marshall-Plan löst Afrikas Probleme nicht; Artikel vom 29.01.17
Der Einfluss unseres Konsums auf die Lebensbedingungen der Afrikaner
Ein weiteres, zentrales Thema des Marshallplans ist die Landwirtschaft und die Ernährung. Afrika könnte sich selbst ernähren, muss aber jährlich 35 Milliarden US-Dollar für den Import von Lebensmitteln ausgeben. Und noch immer hungern hunderte Millionen Menschen. Dabei kann die Produktivität der afrikanischen Landwirtschaft bereits mit Hilfe besserer Bildung, Ausbildung und Beratung sowie einem einfachen Zugang zu Erkenntnissen aus der Agrarwissenschaft enorm gesteigert werden. Notwendig wären hier technische, organisatorische und systematische Innovationen. Außerdem muss die Infrastruktur immens ausgeweitet und die Rechte für kleinbäuerliche Betriebe reformiert werden. Die Globalisierung verknüpft die Lebensbedingungen unmittelbar, heißt es in dem Plan. Die Produktion und der Konsum von Agrarprodukten haben einen erheblichen Einfluss auf die ökologischen und sozialen Verhältnisse in Afrika. Wege für nachhaltige agrarische Wertschöpfungsketten und eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort werden dringend nötig.
„ Glauben Sie nicht, dass wir auf die Dauer unseren Wohlstand auf dem Rücken Afrikas und Entwicklungsländer leben können, ohne dass die Menschen dann zu uns kommen und sich das holen, was ihnen gehört.“ 3) Tagesschau: Sendung vom 18.05.17
Entwicklungsminister Gerd Müller

Fairtrade Siegel © Patricia Niklas Flickr [CC BY 2.0]
Frieden und Demokratie als Grundvoraussetzung für Entwicklung und Wachstum
Auch der Stopp der Waffenlieferungen nimmt einen Punkt in der Thesenaufstellung des Marshallplans ein. Ein leichter Duft von Zynismus weht durch die Luft. Die Bundesregierung, die tagsüber Entwicklungsgelder versendet, verdient nachts Milliarden im Rüstungsexport. Mit diesen Waffen werden Kriege und Parteien unterstützt und befeuert, viele Waffen landen in den Händen von Kindersoldaten. Deutschland ist weltweit einer der größten Exporteure, deshalb ist es nicht ungerechtfertigt, an der Umsetzung der Einstellung von Waffenlieferungen zu zweifeln. Sollten die Waffenexporte in Krisengebiete jedoch tatsächlich eingeschränkt werden, wäre dies sehr zu begrüßen.
Grundsätzlich spielen Frieden und Sicherheit eine große Rolle. Denn sie sind Grundvoraussetzungen für Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum, heißt es im Marshall-Plan. Was jahrelang aufgebaut wird, kann innerhalb weniger Wochen von Krieg und Gewalt zerstört werden. Hinzu kommt gewaltsamer Extremismus, der oftmals mit vermeintlichen religiösen Auffassungen begründet wird. Um die Situation in Afrika dahingehend zu verbessern, gibt es afrikanische, deutsche und internationale Ansätze. Beim ersten sollen beispielsweise die Finanzierung der Friedens-und Sicherheitspolitik sichergestellt werden, beim zweiten der Aufbau afrikanischer Sicherheitsstrukturen vor allem bei Frühwarnsystemen und Friedenskonsolidierung unterstützt und beim dritten Religionsgemeinschaften als friedenstiftendes Element gefördert werden. 5) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Afrika und Europa –Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft
In der Agenda 2063 heißt es auch, das Ziel ist ein Afrika der guten Regierungsführung, der Demokratie, des Respekts für die Menschenrechte, der Gerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit. Hierfür sollen zum Beispiel die AU-Charta zu Demokratie, Wahlen und Governance und die VN-Korruptionsbekämpfungskonvention durch alle afrikanischen Regierungen umgesetzt werden. Vor allem illegale Finanzströme sowie Korruption und Steuerhinterziehung müssen gestoppt werden. Bildung muss gefördert und Menschenrechte müssen für alle Menschen durchgesetzt werden. 6) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Afrika und Europa –Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft
Der Marshall-Plan: eine träumerische Vision oder tatsächlich umsetzbar?
Der Plan weist viele Lösungsstrategien auf, die sich in der Theorie gut anhören und dem Kontinent eine Chance geben könnten, Armut und Unsicherheit den Rücken zukehren. Doch der Plan gleicht einem trainierten, hoch motiviertem Kämpfer, der mit Steinen beladen kämpfen muss. Denn Deutschland alleine kann nichts erreichen, es müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Und ob beispielsweise die Waffen- oder Agrarlobby mitspielt oder wir als Konsumenten gewillt sein werden, uns einzuschränken und nicht weiterhin dem Wahnsinn des Konsums zu verfallen, ist fraglich.

Kind in Sambia © Alex Berger Flickr [CC BY-NC 2.0]
Fußnoten und Quellen:
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