Präsidentschaftswahl in Frankreich: Rückt Europa weiter nach rechts?
Frankreich, 2017. Am 07. Mai wird der neue Präsident oder die neue Präsidentin gewählt. Es entscheidet sich zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron. Sie: Kandidatin der rechtsextremen Partei Front National (FN). Er: nach eigenen Worten weder links noch rechts, keiner Partei zugehörig, tritt an mit der progressiven sozialliberalen Bewegung „En Marche!“. (dt.: Vorwärts!) Zwei Kandidaten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Le Pen möchte einen Austritt aus der EU, Macron hingegen zeigt sich Europa-zugewandt. Es stellt sich die Frage, welche Migrationspolitik die beiden Kandidaten vorsehen und welchen Einfluss diese auf Europa haben wird. Wie verhält sich das Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf französische Kolonien in Afrika? Und wird sich der oder die zukünftige PräsidentIn der Bekämpfung von Fluchtursachen stellen?
Le Pen verlangt eine Überarbeitung des Schengener Abkommens. Am 15. Juni 1985 wurde von Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland vereinbart, dass „die Binnengrenzen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen“. Heute gehören dem Schengener Abkommen 26 Staaten an. 1) eu-info.de: Schengener Abkommen; Stand vom 05.05.17 Le Pen möchte, dass nationale Grenzen wiederhergestellt werden, um illegale Immigration besser kontrollieren zu können. Sie fordert zudem, die Aufnahme von Flüchtlingen auf 10.000 Personen jährlich zu reduzieren, die Abschiebung von Asylanten zu vereinfachen und die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen.
Abgesehen von dem Vorhaben, den Prozess des Asylverfahrens vereinfachen zu wollen, vertritt Macron zu diesen Argumenten laut seines Wahlprogramms keine Meinung. Jedoch lobte der Präsidentschaftskandidat Kanzlerin Angela Merkel für ihre Massenmigrationspolitik. Er verurteilte die Kritik an der Kanzlerin und lobte, sie habe „unsere kollektive Würde gerettet“. Ihr vorzuwerfen, sie hätte Berlin und ganz Europa ausgeliefert, sei eine „widerliche Vereinfachung“. 2) europenews.dk: Macron würdigt Merkels Migrantenpolitik; Artikel vom 27.02.17 – Link nicht mehr verfügbar Es lässt sich also annehmen, dass Macron eine Pro-Flüchtlings-Politik betreiben wird.
Frankreich hat eine weitreichende Geschichte mit Afrika. Im 15. Jahrhundert begannen die Franzosen, auf dem afrikanischen Kontinent Kolonien zu gründen. Nach etlichen Jahren des Handels, der Sklaverei und der Barbarei begann 1958 die Entkolonialisierung. Unabhängigkeit und Selbstständigkeit wurden gefordert. Doch auch knapp 60 Jahre später versinken die Länder in Armut und Wohlstand ist nur den wenigsten vergönnt. Nach wie vor leiden die ehemaligen Kolonien stark unter der anhaltenden Abhängigkeit von Frankreich. 3) fluchtgrund.de: Westafrika – das CFA-Franc-Regime; Artikel vom19.07.16 Französisch als Pflichtsprache, zwei Währungsverbündete mit 15 afrikanischen Staaten, deren Reserven bei der französischen Zentralbank liegen. Große Konzerne, wie die Baufirma Bolloré oder der Erdöl-Riese Total, sind extrem präsent, ebenso französisches Militär. Außerdem ist Frankreich einer der größten Waffenexporteure in afrikanische Kriegsgebiete. Im Februar besuchte Emmanuel Macron die ehemalige französische Kolonie Algerien und sagte: „Die Kolonialisierung ist Teil der französischen Geschichte. Sie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine wahre Barbarei. Diesem Teil der Vergangenheit muss man sich stellen und sich bei denen entschuldigen, denen wir das angetan haben.“ Das lässt einen zwar optimistisch stimmen, jedoch sollte es hier nicht bei einer Entschuldigung bleiben. Aktive Entwicklungszusammenarbeit ist gefragt. Der Standpunkt der rechtsradikalen Le Pen ist folgender: „Ich verstehe, dass die Menschen leiden, aber ich will, dass wir vor allem anderen zunächst einmal die Fluchtursachen beseitigen. Mein Standpunkt ist ein wenig wie der des Papstes. Das heißt, vor allem die Kriegstreiber zur Verantwortung zu ziehen.“, sagte Le Pen in einem Interview. Sie betont also, dass auch sie die Bekämpfung der Fluchtursachen nicht außer Acht lassen möchte. Durch die starke Abhängigkeit zu Frankreich, unter der Afrika leidet und durch die immens großen Waffenexporte könnte man behaupten, Frankreich hätte die moralische Verpflichtung eine stärke Entwicklungspolitik zu betreiben. Es liegt in der Hand des zukünftigen Präsidenten, der Bekämpfung von Fluchtursachen eine größere Priorität zu verleihen. 4) deutschlandfunk.de: Wer Waffen exportiert, muss Flüchtlingen helfen; Artikel vom 23.04.15
Die Kandidatin einer rechtsextremen Partei ist nun in Frankreich in der Stichwahl, um Präsidentin zu werden. Es ist erschreckend, wie viele neue Wähler der Front National gewonnen hat, wie viele Menschen sich von Hasstiraden auf Ausländer und Propaganda beeinflussen lassen. Noch erschreckender ist es, dass dies nicht nur in Frankreich der Fall ist. In Österreich wäre beinahe die FPÖ an die Macht gekommen, in den Niederlanden vertritt Geert Wilders die Rechtspopulisten mit Hetze gegen den Islam und gegen Europa. In Ungarn ist die „Bewegung für ein besseres Europa“ aktiv, die aus Ultrakonservativen und Rechtsnationalen besteht. Und Polen ist beispielsweise das einzige Land Europas mit einer offen rechtsradikalen Regierung. Aber auch in Deutschland verstärkt sich die rechte Szene. Die AfD gewinnt immer mehr an Zustimmung. Die Afd ist mittlerweile in 10 Landtagen vertreten und erreichte in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt eine erschreckende Zahl von mehr als 20 Prozent der Stimmen. 5) augsburger-allgemeine.de: Rechte Parteien sind in Europa auf dem Vormarsch; Artikel vom 08.12.15
Fremdenhass, Egoismus und Intoleranz verbreiten sich in Europa immer mehr. Dadurch erhöhen sich die Chancen für rechtsgesinnte Parteien, mit ihren Wahlprogrammen gegen Europa und gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, immer mehr Befürworter und Anhänger zu gewinnen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, ob sich das rechter werdende Europa wieder fangen und Werte wie Toleranz, Akzeptanz und Fremdenfreundlichkeit noch einmal zeigen wird.
Fußnoten und Quellen:
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