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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Frankreichs Kolonialpolitik ebnet Weg für Bürgerkrieg in Zentralafrikanischer Republik
Mit der Wahl von Faustin-Archange Touadéra zum Präsidenten vergangenes Jahr trauten viele Beobachter der Zentralafrikanischen Republik endlich einen Wandel zu. Seit Frankreich die Zentralafrikanische Republik in die Unabhängigkeit entließ, kommt es nicht zur Ruhe. Daran ist auch der ehemalige Kolonialherr nicht ganz unschuldig, hatte Frankreich doch für eine lange Zeit die totalitären Herrscher toleriert oder gar unterstützt. Zuerst unterstützte das Land den Putsch des Schreckensherrschers Jean-Bédel Bokassa mit Fremdenlegionen, duldete seine Ausrufung zum Präsidenten auf Lebenszeit und akzeptierte seine Kaiserkrönung, die 20 Millionen US-Dollar verschlang, obwohl diese für Entwicklungshilfe vorgesehen waren. All das nur, weil Frankreich als Gegenleistung für Waffenlieferungen Uran erhielt. Das bildete den Grundstein für weitere Putschversuche nach Bokassas‘ Zeit. Darunter fällt auch der Putsch Francois Bozizés 2003, der von französischer Seite wiederum toleriert und später legalisiert wurde. Und genau diese Toleranz stellt den Knackpunkt dar, ist es doch die Präsidentschaft Bozizés, die die religiösen Konflikte und letztendlich auch den Bürgerkrieg erst richtig befeuerte. In dieser Zeit bildeten sich die muslimische Séleka und die christliche Anti-Balaka heraus, die sich im Namen ihrer Religion gegenseitig bekämpften. 1) n-tv: Die zentralafrikanische Tragödie; Artiekl vom 22.01.2014 Erst nach jahrelangen, verlustreichen Kämpfen zwischen den beiden verfeindeten Rebellengruppen, tausenden Toten und humanitärem Notstand schien in demokratischer Wahl ein neues und vielversprechendes Staatsoberhaupt gefunden zu sein. Präsident Touadéra versprach Frieden und eine Einigung der Staatsgewalt im ganzen Land. Die Republik Zentralafrika sollte endlich wieder in Frieden geeint sein und auf Basis dessen einen Aufschwung der Wirtschaft erleben. 2) DW: Zentralafrikanische Republik: Sicher ist nur die Unsicherheit; Artikel vom 13.02.2017
Die Realität hingegen sieht nach einem Jahr in Amt und Würden ganz anders aus. Der Bürgerkrieg tobt wie in vergessen geglaubte Hochzeiten und die Regierung kontrolliert gerade mal 60 Prozent des Landes. 3) reliefweb: The Primacy of Protection: Delivering on the MINUSCA Mandate in the Central African Republic; Artikel vom 05.04.2017 Grund dafür ist die veränderte Lage der Rebellen. Séleka, die früher bestimmende Rebellengruppe, zersplitterte sich in Einzelgruppen, was die militante Landschaft noch unübersichtlicher erscheinen lässt, und andere Milizen denken nicht daran, die Waffen niederzulegen. So bilden sich die Konfliktlinien nicht mehr im überschaubaren Kontext Christen gegen Muslime, vielmehr gibt es nun Auseinandersetzungen zwischen etlichen Splittergruppen aufgrund von ethnischen Differenzen und Territorien. 4) The New Humanitarian: Central African Republic: What’s gone wrong; Artikel vom 24.02.2017
Für die zivile Bevölkerung stellt das ein noch größeres Gefahrenpotential dar. Dorfbewohner müssen täglich mit Überfällen und anderen Grausamkeiten rechnen. Verstümmelte Leichen dienen den Milizen nicht selten zur Einschüchterung und Terrorisierung der Bewohner. Oder es werden unliebsame Bürger ohne Rücksicht auf Verluste von ihren Häusern und Feldern vertrieben, was ihnen jegliche Existenzgrundlage raubt. 5) epo: Willkürliche Hinrichtungen und Terror gegen Zivilisten; Artikel vom 13.04.2017 Das führt dazu, dass ein Klima der Angst herrscht, so dass vage Gerüchte reichen, damit Einwohner Hals über Kopf vor den Rebellen fliehen. Lieber setzen sich die Geflüchteten Schlangenbissen, Malaria und Hunger aus, als dass sie sich einer plündernden und vergewaltigenden Meute im Drogenrausch stellen. 6) DW: Zentralafrika: Auf der Flucht vor Gerüchten; Artikel vom 03.05.2017 In Zahlen heißt das, dass 2,2 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Das entspricht in etwa der Hälfte der zentralafrikanischen Bevölkerung. Zudem befanden sich 100.000 Menschen im Zeitraum zwischen September 2016 bis Februar 2017 innerhalb des Landes auf der Flucht. Diese Fakten zeigen, wie sehr Touadéra an seinen, zugegeben gewagten, Versprechen gescheitert ist und wie hilfsbedürftig die Zentralafrikanische Republik ist.
Aus diesem Grund gibt es die UN-Truppe Minusca, die nach dem Rückzug Frankreichs nach den Präsidentschaftswahlen die einzig verbliebene Schutzmacht im Land darstellt. In gewisser Weise ist sie das einzig staatlich legitimierte Militär, da die Zentralafrikanische Armee so gut wie nicht einsatzfähig ist und Munitionsvorräte für lediglich 30 Minuten leichtes Feuergefecht besitzt. 7) NZZ: Machtlose Regierung; Artikel vom 18.03.2017 Mit einer Truppenstärke von 12.870 Männern und Frauen versucht Minusca, die politische Krise zu lösen und Sicherheit und Menschenrechte zu garantieren. 8) UN: MINUSCA Facts and Figures; Stand vom 09.05.2017 Die Operation feierte gerade zu Beginn durchaus Erfolge, indem sie die Religionsgruppen auseinanderhielt und in einigen Regionen für merkliche Sicherheit sorgte. Die unübersichtliche Lage mit verschiedensten Rebellengruppen dämpft aber auch die Minusca Friedenstruppe. Die langwierigen und anhaltenden Diskussionen über sexuelle Übergriffe auf Kinder und Frauen von einzelnen Minusca-Soldaten werfen ein negatives Licht auf die Mission. Gerade weil die Minusca im Vergleich zu den anderen UN-Einsätzen die zahlenmäßig größten Übergriffe zu verantworten haben und die Opfer anschließend kaum Unterstützung erfuhren. 9) Guardian: Broken promises for the children of Bangui abused by peacekeepers; Artikel vom 28.03.2017
Doch nicht nur der Skandal beeinträchtigt die positive Bewertung der Friedensmission, auch die aktuellen Kapazitäten, Aufgabenbereiche und Vorbereitung der Truppe geben Anlass zu Bedenken. Die Truppenstärke erscheint angesichts der zahlreichen Brandherde als zu gering. Mit den vorhandenen Ressourcen sei es möglich, zwei bis maximal drei Krisen einzudämmen, jedoch gibt es gleichzeitig über sechs Krisengebiete, die allesamt ihre Aufmerksamkeit fordern. Ein Offizier beschreibt Minusca als Feuerwehrmann, der zu viele Feuer zu löschen hat. Doch nicht nur die zahlreichen Einsatzgebiete, auch die Aufgabenbereiche der UN-Truppen sind mit 47 verschiedenen Aufgaben mannigfaltig. Die Friedensmissionare sind nicht nur für die Sicherheit zuständig, sondern müssen, um nur einen kleinen Überblick zu geben, unter anderem auch die Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung übernehmen, die Operation mit der Regionalen Task Force der Afrikanischen Union koordinieren oder bei politischen Bemühungen anderer Organisationen assistieren.
Um all diese Aufgabenbereiche zu bewerkstelligen, bräuchte es eine höchst effektive Vorbereitung, doch Offiziere kritisieren gar eine unzureichende Ausbildung, um effizient und zuverlässig die Zivilisten zu schützen. Wenn die Minusca auf kriegerische Kräfte und auf generelle Unsicherheit trifft, schafft sie es oft kaum, eine sichere und geschützte Umgebung für humanitäre Hilfeleistungen bereitzustellen. Ein Offizier im Kriegsgebiet Ouaka beispielsweise kritisierte, dass man nicht mal ein Minimum an Sicherheit garantieren könne. Das sei für ihn ein Zeichen, dass sie scheitern würden. 10) reliefweb: The Primacy of Protection: Delivering on the MINUSCA Mandate in the Central African Republic; Artikel vom 05.04.2017
Alles in allem scheint die Minusca trotz sichtbarer Erfolge nicht als ein alleiniges Allheilmittel zu dienen. Um die desolate Sicherheitslage mit hunderttausenden Vertriebenen und ebenso vielen Toten in den Griff zu bekommen, braucht es mehr Bemühungen der UNO. Gemeinsam mit der zivilen Bevölkerung und der hiesigen Regierung muss die UNO-Staatengemeinschaft weitere Schritte zur Verbesserung und umfangreiche humanitäre Hilfe einleiten, sonst droht ein Flächenbrand, der Boko-Haram aus Nigeria, Al-Qaida im Maghreb und die Milizen im Süd-Sudan anlockt.
Fußnoten und Quellen:
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