Mammutprojekt Haiti: Gute Absichten reichen nicht aus, um den Menschen nachhaltig zu helfen
Direkt nach seiner Unabhängigkeit 1825 war die ehemalige französische Kolonie Haiti der reichste Staat Lateinamerikas. Inzwischen zählt das Land zu den am wenigsten entwickelten und zudem ärmsten Ländern der Welt. Die Hälfte der Bevölkerung muss mit nur einem US-Dollar pro Tag auskommen. Die meisten Menschen leben von der Subsistenzwirtschaft. 1) Auswärtiges Amt: Haiti: Wirtschaft; nicht mehr verfügbar Diese Entwicklung wurde dabei maßgeblich durch die horrenden Entschädigungszahlungen beschleunigt, welche Frankreich zur Anerkennung der Unabhängigkeit erhobenen hatte. Haiti zahlte dabei einen sehr hohen Preis für seine Freiheit. So betrug die auferlegte Summe mit 150 Millionen Gold-Francs ein Fünffaches der gesamten Exporteinnahmen des Landes und führte zu einer lang anhaltenden Stagnation der haitianischen Wirtschaft. 2) Vox Europ: Schuld ist Frankreich; Artikel vom 21.01.10 Mit dem Erdbeben 2010 wurde Haiti dann vollständig abhängig von internationaler Unterstützung. Humanitäre, finanzielle und technische Hilfe sowie Überweisungen durch im Ausland lebende Haitianer an Familienangehörige, sind für einen Großteil der Menschen unverzichtbar. Und auch der Staat selbst ist auf diese Hilfe angewiesen. So wird der Anteil der internationalen Spenden am BIP für das Jahr 2016/17 auf etwa 27,5 Prozent geschätzt, ohne Berücksichtigung des informellen Transfers. 3) Auswärtiges Amt: Haiti: Wirtschaft; nicht mehr verfügbar
Doch nicht immer kann diese Hilfe erfolgreich und effizient geleistet werden. Nach dem verheerenden Sturm „Matthew“, welcher den kleinen Inselstaat am 04. Oktober 2016 traf, konnten Hilfslieferungen beispielsweise nur langsam zu den Menschen durchdringen. Manche Gebiete wurden überhaupt nicht erreicht und sind bis heute nicht wieder aufgebaut worden. Zudem gelang es nicht, die noch von dem schockierenden Erdbeben aus dem Jahr 2010 verursachten Schäden zu reparieren, was die Lage 2016 umso prekärer machte. 4) Spiegel Online: 1,4 Millionen Menschen in Haiti sind in Not; Artikel vom 16.10.16 Die Überlebenden der Naturkatastrophe leiden bis heute unter mangelnder Trinkwasserversorgung, was insbesondere die Gefahr einer Choleraepidemie erhöht, eine Krankheit, welche Haiti bereits seit Jahren verfolgt. Viele Häuser und Teile der überlebenswichtigen Agrarflächen sind immer noch zerstört und den Menschen fehlen die Mittel, um diese wieder in Stand zu setzen. 5) Spiegel Online: 1,4 Millionen Menschen in Haiti sind in Not; Artikel vom 16.10.16 Dabei müssen sich die internationale Gemeinschaft sowie die zahlreichen in Haiti agierenden Hilfsorganisationen zunehmend den Vorwurf der ineffizienten Nutzung verfügbarer Mittel und Spendengelder sowie Missmanagement gefallen lassen. So steht insbesondere das Amerikanische Rote Kreuz (ARC) in der Kritik, welches Hilfsgelder veruntreut haben soll. 6) Independent: Haitians are urging people not to give money to American Red Cross; Artikel vom 09.10.16
Ein weiteres Problem stellt die weit verbreitete Korruption im Land dar, ein maßgebliches Hindernis für Stabilität, welche auch durch die langjährige Friedensmission der UN sowie Bemühungen der USAID nicht erreicht werden konnte. Die von Korruption zerfressenen Institutionen des haitianischen Staates stellten sich als weitgehend unfähig heraus, die eintreffenden finanziellen Hilfen so zu verteilen, dass sie insbesondere die am schwersten von der Katastrophe betroffenen Menschen erreichen. Doch auch hier muss den westlichen Geberstaaten eine Mitschuld angelastet werden, da sie es versäumten, die Investitionen der Hilfszahlungen adäquat zu überwachen und auf das Problem der Korruption angemessen zu reagieren. 7) Independent: Now that Haiti has been devastated again, we must ensure that aid money doesn’t fall into the wrong hands; Artikel vom 07.10.16
Die Folgen der Naturkatastrophen stellen jedoch nur einen weiteren Faktor für die nahezu aussichtslose Lage der haitianischen Bevölkerung dar. Die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes sowie die politische Instabilität treiben bereits seit Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Haitianer zur Flucht. Dabei liefert die Anfälligkeit für Naturkatastrophen nur weitere Gründe für die verarmte Bevölkerung, das Land zu verlassen. Neben Wirbelstürmen, Erdbeben und Überschwemmungen hat Haiti auch mit langen Dürreperioden zu kämpfen, welche eine wirtschaftliche Erholung bisher unmöglich machten. 8) Auswärtiges Amt: Haiti: Wirtschaft; nicht mehr verfügbar Diese Gefahr, verheerenden Naturkatastrophen zum Opfer zu fallen, wird dabei nicht zuletzt auch durch die zunehmende Abholzung der Waldflächen und den, durch die westliche Industrie maßgeblich vorangetriebenen, Klimawandel mit verantwortet.
Die erst kürzlich stattgefundene, zuvor mehrfach verschobene, Stichwahl der Präsidentschaftswahl brachte den Geschäftsmann Jovenel Moïse als Sieger und neuen Hoffnungsträger Haitis hervor. Objektiv betrachtet lässt die Wahl jedoch nur eingeschränkt eine verbesserte Lage Haitis in der Zukunft erwarten. Wenngleich sie von der EU als grundsätzlich frei und fair bezeichnet wurde, 9) Stuttgarter Nachrichten: Neuer Staatschef vor Mammutaufgabe; Artikel vom 21.11.16 so war die Wahlbeteiligung sehr gering und von einigen Zwischenfällen sowie hoher Präsenz von Sicherheitspersonal gekennzeichnet. 10) Amerika 21: Wahlen in Haiti mit geringer Beteiligung, Präsident Moise setzt auf Trump; Artikel vom 03.02.17 Zudem ist die innenpolitische Lage Haitis bereits seit Jahrzehnten durch Krisen, gewalttätige Konflikte und ausländische Interventionen gekennzeichnet. Die chronische Instabilität des Landes zeigt sich vor allem im Fehlen einer rechtsstaatlichen Ordnung, mangelnder Strafverfolgung und der damit einhergehenden hohen Kriminalitätsrate, oft in Verbindung mit Drogenhandel. Diese verlorene Stabilität wieder aufzubauen, um der Bevölkerung damit eine Perspektive für das Leben auf Haiti bieten zu können, lässt sich also angemessen nur als „Mammutaufgabe“ bezeichnen. 11) Stuttgarter Nachrichten: Neuer Staatschef vor Mammutaufgabe; Artikel vom 21.11.16
Fußnoten und Quellen:
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