Irak: Gemeinsam gegen den IS – trügt der Schein?
Bei der Offensive auf Mossul kämpfen Kurden, ausgebildet von der deutschen Bundeswehr und mit Waffen aus Deutschland, und schiitische Milizen gemeinsam gegen den sogenannten Islamischen Staat. Im nordirakischen Tuz Khurmato sieht die Lage deutlich anders aus: Kurden, Turkmenen und Araber lebten einst friedlich und respektvoll miteinander, seit über einem Jahr kommt es aber immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Peschmerga und turkmenischen Kämpfern. Anders als den Ereignissen in Mossul werden den Menschenrechtsverletzungen in Tuz Khurmato keine Aufmerksamkeit zuteil. 1) Amnesty International: Krieg im Krieg; Artikel von Februar 2017 2) Mitteldeutscher Rundfunk: So ist die Bundeswehr am Kampf um Mossul beteiligt; nicht mehr verfügbar
Die Gefechte zwischen der kurdischen Peschmerga und den turkmenischen Kämpfern, die sich dem schiitischen Milizenverband Hashd al-Shaabi anschlossen (Volksmobilisierung), begannen in Tuz Khurmato im November 2015. Letztere Einheit wird als wichtigste Kampfgruppe gegen den IS gesehen und vom irakischen Staat finanziert und gesteuert. Die Kurden verfeindeten sich allerdings mit diesem Verband. In diesem Zusammenhang wurden 16 Menschen auf den Straßen erschossen, es kommt zu gegenseitigen Entführungen, Verwandte der Opfer werden durch Folter um Lösegeld erpresst und hunderte Zivilisten flohen aus Angst, zwischen die Fronten zu geraten. 3) The Economist: The caliphate strikes back; Artikel vom 23.5.15 4) Amnesty International: Krieg im Krieg; Artikel von Februar 2017
Der Auslöser der Kämpfe ist umstritten, eindeutig ist aber, dass die 60.000 Einwohner der Stadt zunehmend getrennt leben. Eine Mauer teilt die Gebiete, in denen überwiegend Kurden leben von denen von Turkmenen besiedelten. Viele sunnitische Araber verließen die Stadt und die, die es noch nicht taten, trauen sich abends aus Angst, entführt zu werden, nicht mehr auf die Straße. Man befürchtet, dass sich diese Geschehnisse bald auf das gesamte Land ausweiten werden. Tuz Khurmato ist wie viele andere Gemeinden im Norden ein umstrittenes Gebiet, auf das sowohl die kurdische Regionalverwaltung in Erbil als auch die Zentralregierung in Bagdad Ansprüche erheben. Darüber sollte in einem Referendum entschieden werden – der Komflikt mit dem IS unterbrach allerdings dieses Vorhaben. Damals rückten die Peschmerga in Gebiete ein, die die irakische Armee vor der Flucht vor den Dschihadisten geräumt hatten, was die Schiitenmilizen nun unbedingt rückgängig machen wollen. Tuz Khurmatu sei eine turkmenische Stadt.
Nur drei Kilometer entfernt verläuft die Front, an der sich die Dschihadisten noch halten konnten. Unter anderem, weil irakische Sondereinheiten, die kurdische Peschmerga und die internationale Allianz gegen den IS sich derzeit auf Mossul konzentrieren. Obwohl sie dort noch gegen den gemeinsamen Feind kämpfen, verlief das Nebeneinander früher zwischen Kurden und Turkmenen ruhiger. Der Rechtsberater des irakischen Präsidenten beklagt, wie sehr sich die Landkarte der Turkmenen verändert habe und dass eine „Einheit der Volksgruppe“ nicht mehr gegeben sei. Noch überdeckt der Kampf gegen den IS in vielen Fällen die Differenzen. 5) Amnesty International: Krieg im Krieg; Artikel von Februar 2017
Im Kampf gegen den IS werden kurdische Kämpfer der Volksmobilisierungseinheit vom irakischen Staat unterstützt, die kurdischen Peschmerga von der deutschen Bundeswehr. 6) Mitteldeutscher Rundfunk: So ist die Bundeswehr am Kampf um Mossul beteiligt; nicht mehr verfügbar 7) The Economist: The caliphate strikes back; Artikel vom 23.5.15 Die Kämpfer werden durch die Unterstützung ausgebildet und mit Waffen versorgt – deutschen Waffen. Was also in erster Linie gegen den IS wirksam scheint kann auf Dauer dazu führen, dass das Land sich von innen heraus selbst zerstört. Die Verschiebung der Grenzen werden nach den Gefechten mit dem IS die Konflikte zwischen Kurden und Turkmenen – Sunniten und Schiiten – weiter anfeuern. Durch bessere Ausbildung der Kämpfer und durch die Waffen nehmen die Auseinandersetzungen größere Ausmaße an. Deutschland, das Waffen in die umstrittenen Regionen liefert, sollte sich also der Verantwortung und der Langzeitfolgen bewusst sein.
Fußnoten und Quellen:
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