Usbekistan: Die Produktion unserer Baumwollkleidung trocknet das Land aus
Der Wasserverbrauch der Industrienationen ist immens. Jeder Deutsche verbraucht am Tag im Schnitt 123 Liter, in Norwegen liegt der Verbrauch sogar bei 260 Litern. Ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Wassersparens ist durchaus vorhanden. So werden Spülstopp-Tasten in Toiletten eingebaut, das Eco-Programm in der Spülmaschine betätigt und der Wasserhahn so kurz wie möglich aufgedreht. Aber der wirkliche hohe Verbrauch entsteht erst durch das sogenannte „virtuelle Wasser“. Damit ist die Menge an Wasser gemeint, die bei der Herstellung verschiedener Produkte benötigt wird. So verbraucht ein Kilogramm Kartoffeln 255 Liter Wasser, ein Kilogramm Baumwolle 11 000 Liter und ein Kilo Rindfleisch 15 400 Liter. 1) Kirche Bremen: Wasser; Lebensgrundlage und Naturgewalt; nicht mehr verfügbar Baumwolle ist wichtigster Textilrohstoff weltweit. Im Jahr 2014/2015 betrug die weltweite Produktion 26 Millionen Tonnen. 2) Frankfurter Rundschau: Weiß, weich und gefährlich; Baumwolle; Artikel vom 18.2.2015
In Usbekistan wurde der exzessive Baumwollanbau zum Verhängnis für Mensch und Natur. Früher einmal war der Aralsee, der in Kasachstan und Usbekistan liegt, viertgrößter Binnensee weltweit. Mit einer Fläche von 67 000 Quadratkilometer entsprach das einer Fläche von Bayern. Heute ist der See in zwei kleine Teile zerfallen und nur noch etwa 14 000 Quadratkilometer klein. In Muinak, einem Dorf in Usbekistan, boomte einst der Fischhandel. Heute ist der Ort rund 90 Kilometer vom Ufer des Aralsees entfernt. Der Grund dafür liegt über 90 Jahre zurück: 1925 wurde das damalige Turkestan zur Usbekischen Sowjetrepublik und sollte auf Stalins Anweisung zum großen Baumwollanbaugebiet werden. Die Baumwollproduktion in Mittelasien sollte die Importunabhängigkeit der Sowjetunion erreichen. Deswegen wurden die Zuflüsse zum Aralsee für die Bewässerung in aufwändigen Kanalsystemen in die Umgebung umgeleitet. Es wurden Ende 1990 knapp acht Millionen Hektar Land bewässert, die Baumwollplantagen stiegen auf drei Millionen Hektar (1950 waren es nur eine Million Hektar). Ende der 1920er lebten die Menschen noch von Fisch. Damals wurden rund 5 000 Tonnen Fisch gefangen, dieser wurde auf 44 000 Tonnen Ende der 50er ausgeweitet. 60 000 Fischer konnten ihre Familien ernähren. 1992 musste wegen Überfischung der Fang allerdings eingestellt werden. 3) Ernst Klett Verlag: Infoblatt Aralsee; Artikel vom 14.06.2012 4) Welt: Wie aus dem Aralsee eine Salzwüste wurde; Usbekistan; Artikel vom 14.06.2015
Der hohe Wasserverbrauch und die starke Verdunstung, aufgrund der verzweigten Kanäle, führten dazu, dass 1987 der Wasserspiegel des Aralsees wegen der Plantagen um die Hälfte fiel. Daraufhin spaltete sich der See in zwei Teile. Der nördliche Teil lag komplett in Kasachstan und dort wurde im Jahr 2005 ein großer Staudamm zum Erhalt des Sees errichtet. Dort erholten sich die Fischbestände auch tatsächlich wieder und 2007 konnten bereits wieder 2 000 Tonnen Fisch gefangen werden. Der südliche, größere See, welcher hauptsächlich in Usbekistan lag, wurde allerdings komplett von jeglicher Wasserzufuhr abgeschnitten. Der See schrumpfte zusammen und der Salzgehalt ist dort inzwischen so hoch, dass er biologisch tot ist. Der Wasserspiegel im gesamten Aralsee sank insgesamt um rund 18 Meter und in den ausgetrockneten Gebieten entstand eine große unfruchtbare Salzwüste. Früher führte die Verdunstung zu einer Dunstglocke über dem See, welche die Winde abfing. Als diese im Zuge der Austrocknung verschwand, wurde das Klima extremer: heißere Sommer und kältere Winter waren die Folge. In der zurückgebliebenen Salzkruste finden sich zudem Rückstände der Pestizide, die für die Baumollkultivierung verwendet wurden. Durch Windabtragung verteilt sich das verseuchte Salz als Staub in der Umgebung. 5) Ernst Klett Verlag: Infoblatt Aralsee; Artikel vom 14.06.2012 6) Welt: Wie aus dem Aralsee eine Salzwüste wurde; Usbekistan; Artikel vom 14.06.2015 Atemwegserkrankungen und Missbildungen bei Säuglingen treten bei Bewohnern in der Nähe wesentlich öfter als früher auf.
Die Verschlechterung oder die Zerstörung nutzbarer Agrarflächen ist ein weltweites Problem. Etwa 30 Prozent der globalen Landflächen sind davon betroffen, das entspricht dem Lebensraum von etwa 3,2 Milliarden Menschen. 7) Zentrum für Entwicklungsforschung: Die weltweite Degradierung von Land und Böden; Artikel vom Februar 2016
Laut der Economics of Land Degradation Initiative liegt der jährliche Verlust durch die Versiegelung der Böden bei 6,3 bis 10,6 Billionen Dollar. Das könnte in den nächsten zehn Jahren zur Flucht von bis zu 50 Millionen Menschen weltweit führen, da ihnen ihre Lebensgrundlage genommen wird. 8) Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: AbL mahnt zu weltweit grundlegender Kehrtwende; Artikel vom 24.09.2015
Es werden immer noch rund drei Millionen Tonnen Baumwolle in Usbekistan geerntet, vor allem durch Zwangsarbeiter. Diese Zwangsarbeit wird staatlich organisiert und kontrolliert: Rund vier Millionen Erwachsene werden zur Baumwollernte gezwungen. Gegen Kinderarbeit wird zwar zunehmend vorgegangen, es bestehen aber keine offiziellen Zahlen mehr zur Kinderarbeit, weswegen sie nicht ausgeschlossen werden kann. Die Baumwollproduktion findet dort unter massiven Menschenrechtsverletzungen statt. 9) The Guardian: Uzbekistan ban on child labour forces more adults into cotton workforce; Artikel vom 14.11.2014
In Usbekistan verloren Tausende ihre Lebensgrundlage durch den extremen Baumwollanbau. So steht im Ort Muinak heute ein Denkmal, welches an das ehemalige Ufer erinnert. Der Aralsee wird sich, trotz der Bemühungen nie mehr erholen können. Dies gilt als die größte Umweltkatastrophe, die durch den Mensch verursacht wurde. 10) Welt: Wie aus dem Aralsee eine Salzwüste wurde; Usbekistan; Artikel vom 14.06.2015
Fußnoten und Quellen:
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