(K)Ein Aktionsplan gegen Ausbeutung – Sogar Minimalstandards für deutsche Unternehmen im Ausland sind umstritten
Am kommenden Donnerstag werden die zuständigen Bundesministerien zusammenkommen, um den „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ zu verabschieden. Ziel des Papiers ist es, die Standards in den internationalen Produktionsketten zu verbessern und somit die Bedingungen für Arbeitnehmer in Entwicklungsländern zu stärken. Das Bundesministerium für Finanzen setzt nun jedoch auf eine Verwässerung des Papiers. Allerdings wurde der Aktionsplan bereits im Vorfeld in seiner jetzigen Form von Entwicklungshilfe- und Menschenrechtsorganisationen als nicht weitreichend genug kritisiert. Doch bietet die bisherige Fassung zumindest verbindliche Vorgaben für bundeseigene und private Unternehmen. So sollen staatliche Unternehmen auf die Beachtung menschenrechtlicher Standards festgelegt werden und mindestens 50 Prozent der privaten Unternehmen sollen bis 2020 „Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse“ integriert haben.1)Frankfurter Rundschau: Schäuble gibt Industrielobby nach; Artikel vom 27.06.2017
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind jährlich über 2,3 Millionen Tote durch zu harte Arbeitsbedingungen zu beklagen. Davon können ca. 350.000 auf Arbeitsunfälle und ca. zwei Millionen auf arbeitsbezogene Krankheiten zurückgeführt werden. Besonders im Gedächtnis bleiben Bilder von unwürdigen Arbeitsverhältnissen in Bangladesch oder dem Fabrikbrand in Pakistan, der 216 Menschen das Leben kostete. Schuld sind nicht nur mangelnde Arbeitnehmerrechte in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch die Praktiken internationaler und in Deutschland heimischer Konzerne. Diese Faktoren führen zu einer Spirale der Armut und einem Mangel an Perspektiven, der die Menschen aus ihren Heimatländern auf der Suche nach einem besseren Leben auch nach Europa kommen lässt. Doch diese Zustände, Zahlen und ihre Auswirkungen scheinen Teile der Regierung nicht zu beeindrucken.2)Handelsblatt: Lieferketten mit tödlicher Nebenwirkung; Artikel vom 26.07.2016
Denn das Bundesministerium für Finanzen bremst nun selbst bei den kleinen vereinbarten Fortschritten für menschenwürdigere Zustände in den Produktionsketten. Von verbindlichen Standards für private und staatliche Konzerne und der von der Bundesregierung geprägten „menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ soll keine Rede mehr sein. „Das BMF will aus dem bisherigen Entwurf des NAP offenbar alle Spuren von Verbindlichkeit vollständig tilgen“, so Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender des Entwicklungshilfebündnisses VENRO, „Weltweit schuften Millionen Menschen unter unwürdigen Bedingungen für Hungerlöhne, auch für Unternehmen aus Deutschland. Diese Ausbeutung muss beendet werden.“3) http://venro.org/presse.html; nicht mehr verfügbar Das BMF möchte aber statt „Erwartungen“ und rechtlichen Pflichten nun lediglich „Empfehlungen“ für das Handeln der Unternehmen herausgeben.4)Entwicklungspolitik Online: Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – Zivilgesellschaft kritisiert Finanzministerium; Artikel vom 26.07.2016 Ein breites Spektrum von Nicht-Regierungsorganisationen läuft nun Sturm gegen die geplanten Änderungen. „Die Überarbeitung durch das Finanzministerium trägt die Handschrift der Wirtschaftsverbände, nicht die einer Regierung, die Fluchtursachen minimieren will“, kommentiert Cornelia Füllkrug-Weitzel von Brot für die Welt.5)Brot für die Welt: Organisationen protestieren: Finanzministerium torpediert Auflagen für Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten; Artikel vom 26.07.2016 Auch Misereor, Amnesty International und Germanwatch stimmen in die Beschwerden mit ein. Tatsächlich hatte sich die Bundesregierung und insbesondere Kanzlerin Merkel schon auf dem G7-Gipfel in Elmau 2015 für ein Umdenken in der Wirtschaft eingesetzt.6)Entwicklungspolitik Online: Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – Zivilgesellschaft kritisiert Finanzministerium; Artikel vom 26.07.2016 Dass das Finanzministerium des Bundes nun derart auf die Bremse tritt, kann nur mit befürchteten Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen im Ausland erklärt werden, die ihren Weg in die BMF-Forderungen gefunden haben. Doch auch Frankreich arbeitet bereits an einem weitreichenderen Gesetz, das Unternehmen generell zu menschenrechtlicher Sorgfalt bei ihren Auslandsgeschäften verpflichten soll. Die Bereitschaft starker Partner besteht also bereits.7)Handelsblatt: Lieferketten mit tödlicher Nebenwirkung; Artikel vom 26.07.2016
Daher könnte europäische Kooperation in diesem Bereich der Königsweg sein. Denn, dass ein Beschluss notwendig ist, zeigt jeder Bericht über Kinderarbeit und Ausbeutung, jeder ausgebeutete Armutsmigrant aufs Neue. Ein Aktionsplan des Bundes und seiner Partner wird somit entscheidend, um als reiche Verbraucherländer Druck auf die Unternehmen und somit die Produzenten in Entwicklungs- und Schwellenländern auszuüben. Nur wenn sich die Verhältnisse der Arbeitnehmer in diesen Teilen der Welt ändern, kann der Emigration aufgrund von Armut und Ausbeutung entgegengewirkt werden. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF sich mit seinen Forderungen nicht durchsetzen kann, da Herr Schäuble sonst die langfristigen Vorteile eines ökonomisch und rechtlich gestärkten globalen Südens den kurzfristigen Gewinninteressen deutscher Unternehmen opfern würde.
Fußnoten und Quellen:
helene .stadlmeyr-stippel
Veröffentlicht um 18:45h, 27 JuliFehlende #Arbeitnehmerrechte und teils rücksichtslose Gewinnorientierung internationaler Konzerne bilden eine wesentliche Grundlage für Ausbeutung und Armut in #Entwicklungsländern. Einige Bundesministerien möchten morgen einen Aktionsplan beschließen, mit dem diese Praktiken zumindest für deutschen Unternehmen in Zukunft erschwert würden. Die Konzerne sollten verpflichtet werden UN-Vorgaben und allgemeine #Menschenrechte in der #Produktionskette einzuhalten. Doch das Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble blockt ab. Es will gesetzliche Vorgaben vollständig entfernen und das Papier aushöhlen, da Wettbewerbsnachteile befürchtet werden.