Das Gesundheitsziel der UN erschwert die Armutsbekämpfung
In Deutschland ist jeder Mann, jede Frau und jedes Kind entweder gesetzlich oder privat krankenversichert. Auch wenn gesetzliche Krankenkassen nur unbedingt erforderliche Behandlungen übernehmen und bei der Definition von „erforderlich“ eher streng sind, müssen Deutsche sich in lebensbedrohlichen Situationen zumindest vorerst keine finanziellen Sorgen machen. Denn die Entfernung von Hirntumoren und Nierentransplantationen bezahlt die Krankenkasse. Diesen Luxus gibt es nicht überall auf der Welt. Eigentlich ist er sogar die Ausnahme. Besonders in Ländern des globalen Südens übernehmen Krankenversicherungen bei weitem nicht alle notwendigen Leistungen. Viele Menschen müssen sich für medizinische Versorgung hoch verschulden, auch wenn sie eigentlich krankenversichert sind. 1)Oxfam International: Why the health SDG is at risk of leaving the poorest behind; 15. Juli 2015
Zurzeit findet in New York das „High-level Political-Forum on Sustainable Development“ (HLPF) statt. Unter dem Thema „Sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird“ beraten sich Minister und Vertreter aller UN-Staaten vom elften bis zum 20. Juli unter der Leitung des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen. Bei dem Treffen sollen die Mitgliedsländer ihre Fortschritte bei der Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele vorstellen, die im letzten Jahr festgelegt worden sind. 2)UN: Sustainable Development (HLPF 2016); Stand Dezember 2022 Die 17 Nachhaltigkeitsziele sollen bis 2030 erreicht werden. Sie beinhalten beispielsweise die Beseitigung von Armut und Hunger, Geschlechtergleichheit, Bezahlbare und saubere Energie, sowie Frieden und Gerechtigkeit. 3)Sustainable Development: Sustainable Development Goals; Stand 19. Juli 2016 Besonders Entwicklungsländern fällt es verständlicherweise schwer, diese Ziele anzugehen und umzusetzen. Während die Mitgliedsländer der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) besonders bei dem Ziel „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ noch viel Luft nach oben haben, sind Entwicklungsländer schon mit der Hungerbekämpfung überfordert. 4)Huffpost: Hausaufgaben für die Weltgemeinschaft: Staaten müssen mehr tun, um UN-Ziele zu erreichen; nicht mehr verfügbar
Eines der wohl wichtigsten Ziele ist Punkt drei: Gesundheit und Wohlergehen. Die gesamte Weltbevölkerung soll bis 2030 von Gesundheitssystemen erfasst werden. Die UN will alle Menschen vor hohen medizinischen Ausgaben schützen und Zugang zu grundlegenden und bezahlbaren Gesundheitsdienstleistungen, Medizin und Impfstoffen für jeden gewährleisten. Dieses Ziel ist mitunter so wichtig, weil jährlich 100 Millionen Menschen aufgrund von medizinischen Behandlungskosten in Armut verfallen. Kritisch ist aber, dass die UN seit März dieses Jahres nicht mehr die Höhe der Ausgaben für Medikamente und Operationen betrachtet, die Patienten selbst übernehmen müssen, sondern die Verbreitung von Krankenversicherungen und staatlichen Gesundheitssystemen. Dabei übernehmen diese Systeme nicht alle notwendigen Leistungen. Familien und Einzelpersonen bleiben oft auf besonders hohen Kosten sitzen. So auch die Familie von Nhut. Der 16 jährige Vietnamese musste vor zwei Jahren wegen eines Gehirntumors operiert werden und ist immer noch auf Chemotherapie angewiesen. Die Krankenversicherung seiner Familie deckte die Kosten nicht, deswegen mussten Nhuts Eltern ihren gesamten Besitz verkaufen und sich durch die Aufnahme von Krediten hoch verschulden. „Wir haben nichts mehr. Alles was uns bleibt, sind große Schulden und ein schwer kranker Sohn“, erklärte Nhuts Vater der Hilfsorganisation Oxfam. Durch die unzulänglichen Leistungen solcher Krankenkassen werden Menschen in die Armut gestürzt, die sich zuvor gut selbst versorgen konnten und nicht auf Zusatzleistungen ihrer Staaten angewiesen waren. Das Schicksal dieser Menschen ist oft ungewiss. Aus Verzweiflung schließen sich einige radikalen Gruppierungen an, die finanzielle Unterstützung versprechen. Andere wagen die Flucht in Länder mit besser ausgeprägten Gesundheitssystemen. Oft ist das durch den schlechten Gesundheitszustand des betroffenen Familienmitglieds nicht möglich. Tragisch an der Situation dieser Menschen ist auch, dass sie bei den Vereinten Nationen als Erfolg verbucht werden. Denn eine Krankenversicherung haben sie ja. Es bleibt zu hoffen, dass die UN bei ihrem zehntägigen Treffen über dieses gravierende Problem diskutiert und den Fortschritt des Gesundheitsziels zukünftig aussagekräftiger misst. 5)Oxfam International: Why the health SDG is at risk of leaving the poorest behind; 15. Juli 2015
Fußnoten und Quellen:
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