
Industrieller Fischfang. | Bild: © Yali Shi - Dreamstime
Senegal: Geflüchtet, weil EU-Trawler ihre Küsten leer fischen
Fisch hat einen hohen Preis – für diejenigen, denen er geraubt wird. Seit gestern kann in Deutschland rein rechnerisch die Nachfrage nach Fisch nur noch durch Importe bedient werden. Das Bedürfnis nach Konsum wird nun hauptsächlich aus den Fischgründen vor den Küsten von Entwicklungsländern befriedigt – auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Der Mangel an Perspektiven treibt von dort zunehmend tausende Menschen in die Flucht. Das macht die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit in der Fischereiindustrie umso dringlicher. 1) taz: Fisch ist ab jetzt aus – Artikel vom 02.05.2016
Erneut haben die EU und der Senegal ein Fischereiabkommen abgeschlossen, das bis 2019 anhält – und beliebig verlängert werden kann. 2) European Commission: Senegal – nicht mehr verfügbar Seit das letzte Abkommen 2006 ausgelaufen war, haben sich lokale Fischereiverbände und die Zivilgesellschaft massiv gegen eine Verlängerung eingesetzt: Diese gehen durch die Überfischung vielerorts leer aus. Die subventionierten EU-Trawler fangen enorme Mengen und greifen die bereits empfindlich gestörten Fischbestände an. Damit werden industrielle Privatinteressen bedient, statt die Förderung von nachhaltiger Fischerei im kleinen Stil voranzutreiben. 3) Germanwatch: Die europäische Fischereipolitik gefährdet die Lebensgrundlage westafrikanischer Fischer – nicht mehr verfügbar Die Ausgleichszahlungen, die Senegal im Gegenzug erhält, sind nicht hoch genug, um die erheblichen wirtschaftlichen und ökologischen Schäden aufzufangen. Oft ist es undurchsichtig, wo die Zahlungen konkret angelegt werden: Korruption wird begünstigt. Die lokalen Kleinfischer gehen meist leer aus.
Dies stellt auch für die umliegenden Länder wie Gambia und Mauretanien eine Gefahr dar: Deren Fischbestände werden auch ohne Abkommen angegriffen, weil sich die Fischbewegungen nicht nach den Landesgrenzen richten.
Für die lokalen Kleinfischer bedeutet die massive Überfischung den Verlust ihrer Lebensgrundlage und ihrer Selbstbestimmung. Sie müssen den wenigen Fisch, den sie fangen, teurer verkaufen. Somit können sie mit den subventionierten EU-Trawlern nicht mithalten. Fisch ist in vielen westafrikanischen Ländern wie dem Senegal eine wichtige Einnahmequelle. Der Fisch liefert wertvolles Eiweiß, der in Dürreperioden Hungerkatastrophen entgegenwirken kann. Durch das Aussterben der Subsistenzfischerei und der stetig sinkenden Menge an Fisch, die im Land verbleibt, ist die Ernährungssicherheit massiv bedroht. 4) Europa-Links: Die EU-Fischereipolitik – Stand 03.05.2016
Die fischreichen Gewässer und die unzulänglichen Kontrollen der 531 Kilometer langen Küste machen den Fischfang auch für illegal fischende Flotten aus Asien, Russland und der EU attraktiv. Teils sogar unter senegalesischer Flagge fahren die Megatrawler bis nah an die Küsten und verdrängen die lokalen Fischer – auch dieser geraubte Fisch landet hier auf dem Teller. 5) WorldOceanReview: Mauretanien, Senegal und der schwierige Weg zum guten Fischereimanagement – Stand 03.05.2016 Eine kritische Bestandsaufnahme von nachhaltiger Fischereipolitik und der Verordnung zur Bekämpfung der illegalen Fischerie ist mittlerweile überfällig. „Das muss auch für die Verbraucher sichtbar werden. Deshalb müssen Industrie und Handel zu Transparenz bei Fischprodukten verpflichtet werden. Anders ist eine höhere Wertschätzung von Fisch als sehr kostbarem Lebensmittel nicht durchzusetzen“, mahnte Ursula Hudson von Slow Food Deutschland an.
Die senegalesische Regierung versucht derweilen, mit Mikrokrediten Anreize für ein nachhaltiges Berufsleben in der Landwirtschaft zu bieten. Allerdings machen auch hier subventionierte Produkte aus der EU ein Bestehen schwer. 6) DeutschlandFunk: Flucht aus Afrika-„Barcelona oder die Hölle“ – Artikel vom 18.08.2015 Außerdem verstärkt die anhaltende Erderwärmung extreme Wetterlagen wie Dürren in dem westafrikanischen Land. 7) The New York Times: Out of Africa, Part II – Artikel vom 20.04.2016
Der Senegal wird als sicheres Herkunftsland definiert. Für die Geflüchteten aus dem westafrikanischen Land herrscht Unverständnis: Senegal gilt als stabiler Musterstaat. Die Deklarierung als Wirtschaftsflüchtling ist bezeichnend. Allerdings ist auch die Sicherheit im Land brüchig. Aus der Frustration über die Perspektivlosigkeit ergibt sich die Gefahr der Radikalisierung: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind schlecht. 8) DW: Wie stabil ist Senegals moderater Islam? – Artikel vom 29.01.2016 Terrorgruppen wie Boko Haram zahlen hingegen gut. 9) The New York Times: Out of Africa, Part II – Artikel vom 20.04.2016
Der Mangel an Perspektiven und jeglicher Möglichkeit, sich ein Leben aufzubauen, treibt besonders junge Menschen in die Flucht. Da Europa sich gegenüber der Migration vom afrikanischen Kontinent immer weiter abschottet und beispielsweise das Erlangen von Visen weiter erschwert, bleibt für viele nur die gefährliche Flucht über das Wasser. 10) DW: Kein Krieg, kein Hunger im Senegal – dennoch fliehen Tausende – Artikel vom 01.05.2016 Tausende junge Senegalesen nehmen die Fahrt auf die Kanarischen Inseln mit ihren alten Fischerbooten auf sich.
„Es ist nicht einfach, hier zu bleiben und nichts zu tun zu haben. Also habe ich Verantwortung übernommen und bin [mit dem Boot] aufgebrochen. Aber ich bin nicht gegangen, um zu sterben, sondern um erfolgreich zu sein“, so ein junger Senegalese. 11) Heinrich-Böll-Stiftung: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ – Artikel vom 07.04.2015 Solange es diesen Menschen verwehrt bleibt, ein Leben in Selbstbestimmung (fort) zu führen, werden sich noch tausende auf den Weg nach Europa machen – dort, wo man auch den exportierten Fisch wieder finden kann.
Fußnoten und Quellen:
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