Keine Zukunft im Nahen Osten: Palästinensische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa
Circa eine halbe Million Flüchtlinge kamen im letzten Jahr nach Deutschland, darunter auch Tausende Palästinenser. Sie stammen aus Flüchtlingslagern in Syrien, dem Libanon und Irak. Genaue Zahlen zu palästinensischen Flüchtlingen sind nicht auffindbar, da die meisten staatenlos sind und somit als Syrer, Iraker oder Libanesen registriert werden. 1) kopi-online.de: Soforthilfe für die palästinensischen Flüchtlinge in Deutschland – nicht mehr verfügbar
Syrien
Vor allem aus Syrien fliehen viele Palästinenser, deren Auffanglager zerstört worden sind. Sie zählen zu einer der größten Minderheiten in Syrien.
Syrien war vor dem Bürgerkrieg einer der Hauptempfänger palästinensischer Flüchtlinge, die vor den Aufständen während der israelischen Staatsgründung 1948 und vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 geflohen sind. 560.000 Palästinenser lebten in und um die Camps der UNRWA. Somit machten sie 2,5-3 Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Die meisten lebten in dem Camp Jarmuk. 2) middleeasteye.net: Forgotten and without a future – Stand 22.04.2016
Es entstand vor fast 70 Jahren im Süden von Damaskus, als Folge der Flucht zehntausender Palästinenser aus ihrer damaligen Heimat. In den 50ern wurde es zum eigenen Stadtteil erklärt, mit einem begrenzten Zugang zu Schulen und medizinischer Versorgung. Heute gleicht das Camp einer Geisterstadt, 90 Prozent der Bewohner sind geflohen. 3) senderfreiespalaestina.de: Flucht oder Tod – Stand 29.04.2016 Ein Grund für die Flucht der Palästinenser war zuerst die Belagerung von Jarmuk, dem größten palästinensischen Flüchtlingscamp in Syrien, durch das Assad-Regime. Die Einfuhr von fundamentalen Gütern in das Lager wurde eingeschränkt, Fassbomben wurden abgeworfen, als Kämpfer das Camp besetzten und die Einberufung zum Wehrdienst hatte die Festnahme von Verweigerern zur Folge – 212 Palästinenser wurden im Al´Aedouin inhaftiert. 4) middleeasteye.net: Forgotten and without a future – Stand 22.04.2016
2014 übernahm dann der IS die Kontrolle über das Camp. Es kam zu ethnischen und religiösen Säuberungsaktionen. Dazu gehörten auch Abschlachtungen auf offener Straße. 5) senderfreiespalaestina.de: Flucht oder Tod – Stand 29.04.2016 Scharenweise verließen die bereits Geflüchteten die Camps, nur 7.000-8.000 Palästinenser verblieben von ursprünglich 148.000. Viele von jenen sind immer noch obdachlos in Syrien, andere probierten, nach Jordanien zu gelangen und sahen sich einer gesperrten Grenze gegenüber. Im Libanon erwarteten Flüchtlinge heftige Diskriminierungen und kein vollständiger Schutz durch den Staat. Wegen der zunehmenden Demütigung und Verwundbarkeit der Palästinenser sind diese dazu gezwungen, woanders nach einem sicheren Gastland zu suchen – der nächstgelegene vielversprechende Hafen ist da Europa. 6) middleeasteye.net: Forgotten and without a future – Stand 22.04.2016
Der Gazastreifen
Auch der Gazastreifen ist durch dessen Bombardierungen durch Israel 2014 zum Großteil zerstört worden. Ein UNO-Bericht sagt voraus, dass die Region im Jahr 2020 unbewohnbar sein wird. Die israelische Belagerung erschwert die Flucht. Der sogenannte Rafah, der Übergang nach Ägypten, ist oft nur für sehr kurze Zeit geöffnet, meist ohne Ankündigung. Der direkte Seeweg ist nicht passierbar, da israelische Abwehrsysteme jedes unerwünschte Boot in die Luft jagen. Einigen hundert Menschen ist es trotzdem gelungen, von Ägypten aus in herunterkommenen und ungeeigneten Booten die Überfahrt nach Europa auf sich zu nehmen. Rund die Hälfte ist dabei ums Leben gekommen. 7) senderfreiespalaestina.de: Flucht oder Tod – Stand 29.04.2016
Umliegende arabische Staaten, die USA und auch die EU versprachen Milliarden für den Wiederaufbau des zerbombten Gazastreifens, doch es kam kaum etwas davon an. 8) israelheute.com: Milliarden-Versprechen für den Wiederaufbau in Gaza – nicht mehr verfügbar
Yusef Quishta sieht in der Flucht seiner Kinder das einzige erstrebenswerte Ziel. „Ich bin froh, dass sie gehen wollen. Denn hier gibt es kein Auskommen. Sie können sich keine Existenz aufbauen, es gibt zu wenig Schulen, keine Häuser, nichts. Gaza ist leer, die Zukunft liegt in Europa.“ Einer seiner Söhne konnte durch Ägypten nach Libyen gelangen und nahm von dort aus ein Boot nach Europa. Klein erschien die Gefahr der Flucht, verglichen mit der Hölle daheim. „Die Wirtschaftslage ist schlecht. Die Hamas regiert und es gibt keine Aussicht auf Verbesserung.“ Der Grenzübergang nach Ägypten wird nahezu komplett geschlossen gehalten und auch Israel lockert die Abriegelung des Küstengebiets nur sehr schwer. Es wäre an der Zeit, dass Deutschland gemeinsam mit der EU und den USA Druck auf Israel und Ägypten ausübt, um die Lage der Palästinenser zu verbessern. 9) deutschlandfunk.de: Keine Zukunft in Gaza – Stand 23.04.2015
Rechtliche Situation der Palästinenser
Palästinenser befinden sich in der am längsten andauernden Flüchtlingskrise weltweit! Weder fanden Fortschritte statt, noch ist eine Besserung in Sicht. Laut Schätzungen gibt es 10,5 Millionen Palästinenser weltweit, von denen 7 Millionen den Flüchtlingsstatus besitzen. Das internationale rechtliche Flüchtlingsregime, bestehend aus der Flüchtlingskonvention von 1951, wird für alle Flüchtlinge weltweit angewendet, nur nicht für Palästinenser. Für diese gibt es ein gesondertes Regime, bestehend aus der UN-Schlichtungskomission für Palästina (UNCCP) und dem UNRWA, plus bestimmten Klauseln der Genfer Flüchtlingskonvention und der UNHCR-Satzung. Personen deren ständiger Wohnsitz zwischen Juni 1946 und Mai 1948 in Palästina lag (ca. 700.000) sowie auch Geflüchtete des Sechs-Tage-Kriegs 1967 erhalten direkte Hilfen der UNRWA und gelten per Definition als Palästinensischer Flüchtling. Auch Nachkommen männlicher Geflüchteter, die in einem der fünf UNRWA-Operationszonen leben, bekommen den Flüchtlingsstatus zugesprochen. Insgesamt gibt es heute 5 Millionen palästinensische Schutzberechtigte. Die 58 Flüchtlingslager der UNRWA finden sich im Gazastreifen, dem Westjordanland (inklusive Ost-Jerusalem), Libanon, Syrien und Jordanien.
Zu den Leistungen des Hilfswerks gehört die Bereitstellung einer Grundsicherung an Nahrungsmitteln, Kleidung und Unterkunft. Menschenrechte und fundamentale Freiheiten, wie sie in der Genfer Flüchtlingskonvention und der UNHCR-Satzung zu finden sind, werden ihnen jedoch versagt! Weder Religionsfreiheit, noch die Grundschulausbildung, Ausweispapiere, Integration, etc. stehen ihnen demnach zu.
Entspricht man nicht den eben genannten Kriterien eines palästinensischen Flüchtlings, steht man unter dem Schutz der Flüchtlingskonvention von 1951, allerdings nur wenn das Gastland jenes Abkommen ratifiziert hat. Das trifft auf den Großteil der arabischen Nachbarstaaten Israels nicht zu. Aufgrund der politischen Interessen und Sicherheitsbedenken in ihren Gastländern, befinden sich geflohene Palästinenser in einer prekären Lage bezüglich ihrer politischen und zivilen Rechte.
Außerdem wird das Recht auf Rückkehr, trotz der Verankerung in den VN-Resolutionen 194 und 237, nicht durchgesetzt. „Palästinensische Flüchtlinge haben keinen Zugang zu Gerichten, die ihnen effektive Rechtsmittel und Entschädigung ermöglichen könnten, und es gibt keine internationale Organisation, die eine umfassende und dauerhafte Lösung, einschließlich Reparation, zum Ziel hat.“, berichtet Ilona-Margarita Stettner, von der Konrad-Adenauer-Stiftung. 10) kas.de: Die rechtliche Situation palästinensischer Flüchtlinge – nicht mehr verfügbar
Wegen ihrer Staaten- und Heimatlosigkeit seit Jahrzehnten haben Palästinenser eine besonders hohe Schutzbedürftigkeit. Deshalb wurde im Jahr 2012 vom Europäischen Gerichtshof beschlossen, dass alle Palästinenser ein Recht auf die Asylbeantragung in Europa haben. Doch die Asylsuche gestaltet sich nicht sonderlich einfach. Palästinenser besitzen keinen syrischen Pass, nur Ersatzdokumente, welche erklären, dass jene gebürtige Palästinenser mit Wohnsitz in Syrien sind. Das hat viele Schwierigkeiten mit sich gebracht auf dem Weg durch Europa.
Palästinensische Syrer strandeten 2015 entlang der westlichen Balkanroute, weil laut Vorgaben nur Syrer, Iraker und Afghaner angenommen werden sollten. Derzeit sind sie aus administrativen Gründen einfach als Syrer registriert. Wegen der Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass syrische Palästinenser nicht gleich Syrer sind, kommt es zu Verzögerungen der Einbürgerung. 11) middleeasteye.net: Forgotton and without a future – Stand 22.04.2016
Die derzeitige Situation zeigt, dass trotz nachvollziehbarer Fluchtgründe von Palästinensern und ihrem festgeschriebenes Recht auf Asyl, Institutionen wie die EU nach jeder Möglichkeit suchen, ihre Verpflichtungen zu umgehen. Syriens Palästinenser sind zweifach, wenn nicht sogar öfter versetzt worden. Die Krise, in der sich die Palästinenser befinden, bleibt deshalb für die europäische Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.
Fußnoten und Quellen:
Posel Mucke
Veröffentlicht um 18:34h, 28 Maiüber die 800000 juden, die aus den arabischen ländern bösartig vertrieben wurden, hört man bei euch nie etwas. die araber haben selbst schuld.
christian / EarthLink
Veröffentlicht um 16:29h, 29 MaiWir werden uns das Thema mal genauer ansehen. Zu sagen, die Araber hätten selbst Schuld, ist aber definitiv eine vereinfachte Sichtweise. Ein Großteil der Migrationsbewegungen jüdischer Bevölkerungsgruppen aus arabischen Staaten setzte erst nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel im Jahre 1947 ein, die den zwei Jahre währenden Palästina-Krieg zur Folge hatte. Dieser Krieg hatte die Flucht/Vertreibung von rund 750000 Palästinensern zur Folge. Erst danach kam es gegenüber Juden, die in arabischen Staaten residierten, zu vermehrter Feindseligkeit. Diese Feindseligkeit war aber nicht der einzige Fluchtgrund. Viele Juden waren verständlicherweise angezogen von einem neuen, eigenen jüdischen Staat. So spielten bei diesem Exodus auch zionistische Sehnsüchte und die Hoffnung auf einen besseren wirtschaftlichen Status eine Rolle.
Gem Martin
Veröffentlicht um 07:02h, 26 AugustMeines Wissens gab es keine Vertreibung von Juden durch Araber. Der marokkanische König hat in den 50ern versucht, die in Marokko ansässigen Juden an der Ausreise aus Marokko eine Weile zu hindern, die auf Grund wirtschaftlicher Anreize in den zionistischen Staat Israel ziehen wollten, indem er ihnen eine Weile keine Ausreisegenehmigungen gegeben hat.
christian / earthlink
Veröffentlicht um 14:52h, 27 AugustEs handelt sich um die sogenannte „jüdische Nakba“, eine Mischung aus Flucht und Vertreibung von Juden aus arabischen bzw. islamisch geprägten Staaten, die zwischen 1948 bis in die 70er Jahre stattfand. Hierbei gab es mehrere Ursachen, leider auch Antisemitismus, militärische Zwangsmaßnahmen und gezielte Verfolgung. Auch aus Marokko wurden Juden gewaltsam vertrieben, im Rahmen der Pogrome von Oujda und Jerada von 1948.
Siehe hierzu: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertreibung_von_Juden_aus_arabischen_und_islamischen_L%C3%A4ndern; https://de.wikipedia.org/wiki/Pogrome_von_Oujda_und_Jerada