Europa trägt Teilschuld an radioaktiver Verseuchung in Niger
Als im März 2011 der Tsunami das japanische Kernkraftwerk Fukushima traf und somit das bislang größte Atomunglück im 21. Jahrhundert verursachte, forderte man in Deutschland den unverzüglichen Atomausstieg. Sechs Jahre später sind noch immer acht Kernkraftwerke im Betrieb, von welchen erst 2017 wieder eines heruntergefahren wird. 1)Gesetze im Internet: Genehmigung von Anlagen – Stand: 29.01.2016
Atomenergie wurde schon immer als sauber, sicher und energiereich beschrieben, einmal abgesehen von den radioaktiven Abfällen. Das Bundeswirtschaftsministerium erzählt dem besorgten Bürger, dass Kernenergie „praktisch eine heimische Energieform“ sei, da „Urananreicherung und Brennelementfertigung inländische Wertschöpfungsstufen sind“. Soweit so gut. Aber Energie kommt bekanntlich nicht aus dem Nichts. Woher kommt nun das notwendige Uran? Aus Deutschland sicher nicht, wie eine Statistik zu den Energieträgern 2014 vom BMWI zeigt. 2)BMWi: Energiedaten: Gesamtausgabe (Stand Januar 2016) (PDF-Datei) – nicht mehr verfügbar Die Nettoimportabhängigkeit von Kernenergie lag bei 100 Prozent, in Deutschland wird schon lange kein Uran mehr abgebaut. Es fängt schon einmal damit an: Statistiken zu Importländern gibt es nicht. Nur durch eine parlamentarische Anfrage kann man diese Zahlen einsehen. Die Regierung behauptet, 50 Prozent des Urans kämen aus England und Frankreich. Dort gibt es aber auch keine Uranminen, denn diese Länder importieren wiederum selbst das Uran aus anderen Teilen der Welt. 3)n-tv: Die Uran-Lüge – Stand: 29.01.2016 4)taz.de: „Wir sind beim Uran abhängig“ – Stand: 29.01.2016
Ein großer Teil des französischen Urans kommt aus Niger. Nebenbei sei gesagt: Niger ist auf dem letzten Platz des HDI, trotz reicher Uranvorkommen. Der dort ansässige Konzern AREVA, der fast zu 80 Prozent dem französischen Staat gehört, baut seit Jahrzehnten in Afrika Uran ab. Uran ist Nigers wichtigstes Exportgut. Es macht mehr als zwei Drittel der gesamten Exportgüter aus. Auch wenn diese Zahl immens wirkt, macht sie nur fünf Prozent des BIP aus. Uran hat Niger nicht reich gemacht. Noch heute leben mehr als die Hälfte der Menschen von 1$ pro Kopf. Der Staat verdient dabei auch kaum Geld, weil Verträge die Versteuerung fast gegen Null drücken. Bürokratische Hürden sind dank des Kolonialzeitalters kaum vorhanden und die zentrale Lage in der Sahel-Zone spielt dem Konzern in die Hände. Denn wenn überhaupt, wird nur von Hungersnöten, Entführungen von Europäern oder Anschlägen berichtet. 5)Spiegel: Der Fluch des strahlenden Reichtums – Stand: 29.01.2016
In der Wüste bei Arlit liegen nach Schätzungen von Umweltaktivisten 45 Millionen Tonnen Abraum aus den nigrischen Minen . Dieser ist kaum so gefährlich wie hochradioaktive Abfälle, aber er strahlt eine nicht zu verachtende Menge aus. Zwar hat der französische Konzern versprochen, diese Strahlung zu senken, passiert ist aber nichts. Die Messwerte, die in Luft, Wasser und Boden genommen wurden, übertreffen die internationalen Vorgaben um ein Vielfaches. Dadurch ist die Gesundheit von mehr als 80.000 Einwohnern gefährdet und das hat gesundheitliche Auswirkungen. Neben Fehlbildungen bei Neugeborenen führt es auch noch zu Krebs und unter anderem auch zu Leukämie. Uran kann auch die Nieren schädigen und in hohen Dosen zu einem Multiorganversagen führen. 6)Greenpeace: Arevas Uranförderung immer noch eine Gefahr für Niger – Stand: 29.01.2016 7)Spiegel: „Die Gesundheit von 80.000 Menschen ist bedroht“ – Stand: 29.01.2016 8)YouTube: Die atomaren Pläne afrikanischer Regierungen (ab circa 1:12:00) – Stand: 29.01.2016
In Niger sind auch französische Truppen stationiert. Eine temporäre Basis befindet sich in der Nähe der Minen AREVAs. 9)defese.gouv.fr: Sahel – Stand: 29.01.2016 Diese wurde unter anderem dort errichtet, um die Mitarbeiter AREVAs vor Entführungen und vor Terroristenanschlägen al-Quaidas zu schützen. Auch die dort einheimischen Tuareg erhoffen sich eine Mitbeteiligung an den Gewinnen und stärkere Vertretung ihrer Interessen durch Entführungen von Mitarbeitern. Zuletzt wurden auch tausende Menschen durch die Boko Haram im Südosten des Landes vertrieben. Innerhalb Nigers sind geschätzt 50.000 Menschen, durch Kampfhandlungen, auf der Flucht. 10)UNHCR: Tausende Menschen durch Boko Haram vertrieben – Stand: 29.01.2016 11)UmweltFAIRaendern.de: Uranlieferant Niger – Hunger und Krieg – Stand: 29.01.2016
Das ärmste Land der Welt bleibt arm. Diese Aussichtslosigkeit führt aber etwa nicht zu Flüchtlingsströmen, denn diese wiederum erschaffen einen Markt in diesem Land. Es wurde schon viel in Europa über Schlepper berichtet, auf der Balkan-Route oder an den Meerküsten etwa. Doch Niger ist selbst stark in dieses Geschehen involviert. Eine Stadt namens Agadez, sehr zentral gelegen, ist für dieses Vorhaben optimal. „Etwa 120.000 Menschen werden pro Jahr durch die Stadt auf die Migranten-Routen geschleust“, berichtet der NDR. Es entsteht ein riesiges, wenn auch illegales, Gewerbe und treibt die Ströme weiter und weiter an. Die EU hat deswegen überlegt, ein Flüchtlingszentrum dort zu errichten. Doch was nützt das in einem Land ohne Perspektiven? Das Gewerbe wird sich dementsprechend in eine andere Stadt verlagern. Fraglich ist auch der Nutzen solch einer Institution, in welcher den Migranten ihre Chance auf Asylantrag erläutert wird. Ein Beispiel in Mali zeigt, die wenigsten interessiert es. Für sie heißt es: Europa oder der Tod. 12)Tagesschau: „Was, wenn die uns nur verpfeifen?“ – Stand: 29.01.2016 13)NDR: Agadez: Drehkreuz für Flüchtlinge und Schlepper – nicht mehr verfügbar
Doch die Ärmsten der Armen können das nötige Geld für die Weiterreise nicht zahlen und müssen somit arbeiten. Männer haben hier bessere Chancen, da diese schwere körperliche Arbeit verrichten können. Frauen dagegen müssen ihren Körper verkaufen. Das so verdiente Geld reicht aber nur für den Alltag und daher steigt die Anzahl der armen Bevölkerung weiter. Ein wichtiger Schritt für das Land könnte der neue Vertrag zwischen AREVA und Niger werden, der die Steuerabgaben drastisch erhöht. Der Vertrag sei „ausgewogen“, betonen beide Seiten.
Dies könnte dazu führen, dass dem Staat mehr Geld zur Verfügung steht und er somit der Armut, den Schlepperbanden und dem Terror entgegentreten kann. 14)derbund.ch: Das armseligste Bordell der Welt – Stand: 29.01.2016 15)Zeit: Atomkonzern Areva verlängert Vertrag mit Niger über Abbau von Uran – nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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