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Ecuador: Es hätte alles so schön werden können – Landgesetz bedroht das „buen vivir“
Wie bemerkenswert und schön muss die Nachricht in 2008 gewesen sein, als in Ecuador die neue Verfassung verabschiedet wurde und damit vorbildliche Grundsätze etabliert worden sind. Ein gutes Leben für alle, „ Buen Vivir“ als Leitprinzip versprach gleichwertige und gerechte Lebensbedingungen. Ein harmonisches Verhältnis von Mensch und Natur sollte angestrebt werden. „Nicht Fortschritt und Wachstum […], sondern die Produktion und Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes“ waren Ziel der Verfassungsreformen. Doch nun ist das gute Leben in Gefahr. Am 11.02.2016 musste sich Rafael Correa, der Präsident Ecuadors, entscheiden, ob ein neues Landgesetz, bei dem der Verkauf von Land begünstigt wird, durchgeht. 1)FIAN Deutschland: Ecuador: Landgesetz wird soziale Konflikte verschärfen – Stand 15.02.2016
Mit den Verfassungsreformen wurden für die Bevölkerung Rechte festgeschrieben, die sich auch um Landnutzung drehen. Gerade für die ländliche Bevölkerung ist dies eine wichtige Regelung. Denn viele Familien, die in kleinbäuerlichen Strukturen leben, bewirtschaften seit Generationen eine Fläche. Jedoch sind diese Äcker nirgends aufgelistet. Der Grund dafür ist oft einfach der, dass sie keinen Landtitel oder Ähnliches gebraucht haben. Die Übergabe von Land von der einen Generation auf die nachfolgende benötigte nicht zwangsläufig die Verschriftlichung. Zudem ist es ein sehr bürokratischer und aufwendiger Prozess, sich die Rechte am eigenen Land zu sichern und ohne die entsprechende Hilfe kann die Unerfahrenheit der Menschen nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. 2)Denkwerk Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung: Buen Vivir – Stand 15.02.2016
Wichtig ist der Erwerb von Landtiteln genau dann, wenn ausländische Investoren versuchen, sich die Konzessionen für die entsprechenden Gebiete zu beschaffen. Das ist die Kehrseite der Globalisierung. Denn ohne den wichtigen Eintrag stehen den Menschen keine Entschädigungszahlungen oder Ausgleichsflächen zu. Sie werden einfach vertrieben und sogar strafrechtlich verfolgt, da sie ohne Landtitel als Invasoren gelten. Großflächige Plantagen, auf denen Palmöl angebaut oder Rohöl gefördert wird, zerstören die Umwelt und entsprechen nicht dem „Buen Vivir“. Der Kampf gegen Großkonzerne gestaltet sich zudem als sehr schwierig, denn gemeinsam gegen diese vorzugehen, bedarf bei der großflächig angesiedelten Bevölkerung eines hohen Organisationsaufwandes. Auch gibt es keine Beschränkungen für ausländische Investoren beim Landkauf. Zudem ist das Amazonsgebiet mehr als nur ein bisschen interessant. Die Böden sind sehr fruchtbar und versprechen hohe Ernteerträge. 3)FIAN Deutschland: Ecuador: Landgesetz wird soziale Konflikte verschärfen – Stand 15.02.2016 4)Südwind – Insitut für Ökonomie und Ökumene: Der Kakaosektor in Ecuador – nicht mehr verfügbar
Rohölvorkommen im Regenwald wurden in der Vergangenheit immer wieder durch Probebohrungen nachgewiesen. Auch im Yasuni-Nationalpark fanden sich Belege dafür. Die Lagerstätten im länderübergreifenden Regenwald sind für die in- und ausländischen Konzerne attraktiv, obwohl sie relativ klein sind. Kritisch ist es nicht nur wegen der beträchtlichen Umweltzerstörung, die durch den Einschlag von Schneisen für den Straßenbau oder leckende Pipelines entstehen. Auch die indigene Bevölkerung im Regenwald – Teils noch unkontakiert – ist negativen Auswirkungen ausgeliefert. Deren Lebensraum und Bedingungen könnten sich durch die Nähe und Einflussnahme der Konzerne gravierend verschlechtern. 5)Survival International Charitable Trust: Ecuador verwirft Plan zum Schutz des Landes unkontaktierter Völker – Stand 15.02.2016 6)Spektrum der Wissenschaft: Rohstoffe: Die nächsten Ölkrisen – Stand 15.02.2016
“Das Gesetz begünstigt Agrobusiness und den Raubbau an der Natur durch Bergbau und Ölförderung. Eine dringend notwendige Agrarreform rückt in weite Ferne. Hiermit werden die Rechte von KleinbäuerInnen und indigenen Gemeinschaften verletzt.“ 7)FIAN Deutschland: Ecuador: Langesetz wird soziale Konflikte verschärfen – Stand 15.02.2016 Soziale Bewegungen, die für das „Buen Vivir“ eintreten, werden währenddessen kriminalisiert. Darin engagieren sich überwiegend Kleinbauern und indigene Aktivisten, die verfolgt und verunglimpft werden. 8)Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.: Buen Vivir in Ecuador? Die Debatte um das neue Landgesetz und die Kriminalisierung von sozialen Bewegungen – Stand 15.02.2016
Der Grund für den drastischen Kurswechsel liegt in der Tatsache, dass Ecuador seit Beginn letzten Jahres nicht mehr als Entwicklungsland zählt. Handelshemmnisse wie Zollvorteile, die bis dahin durch den Status gesichert waren, fielen durch die Veränderung weg. Eine Alternative musste her. Da erschien der Beitritt zum Freihandelsabkommen mit der EU attraktiv, da dadurch einige Nachteile durch den Verlust von Zollvorteilen wieder ausgeglichen werden könnten. Letztendlich widerspricht jedoch der Beitritt zu dem Bündnis der eigenen Verfassung. Um aber nicht ins Hintertreffen zu geraten und im Wettbewerb mit den Nachbarländern bestehen zu können, existiert ohne Alternative keine Möglichkeit, sich gegen das Abkommen zu wehren. 9)netzpolitik.org e.V.: EU versus Ecuador: Geheime Dokumente zeigen, wie bei Verhandlungen von „Frei“handelsabkommen Druck gemacht wird – Stand 15.02.2016
Ein geschickter Schachzug der EU, mit dem ein weiterer Markt ohne Handelshemmnisse geöffnet werden konnte. Was jedoch passiert, wenn große Flächen an Konzerne verkauft werden und sich die heimische Bevölkerung durch Landverlust und verschlechterte Umweltbedingungen nicht mehr ernähren kann, ist bereits aus anderen Ländern bekannt.
Correa hat gegen einige Teile des neuen Landgesetzes sein Veto eingelegt und neue Artikel eingereicht, die wiederum vom Parlament diskutiert werden müssen. Das Ergebnis durch seine Entscheidung ist durchmischt. Die Gefährdung von Kleinbauern und der Landraub durch Konzerne würde durch seine Änderungsvorschläge nicht unterbunden werden. Mehr dazu kann hier auf amerika21 gelesen werden.
Fußnoten und Quellen:
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