Nigeria: Ein Land zwischen Gewalt und Umweltzerstörung – Teil I
Es begann alles mit dem „schwarzen Gold“. Nachdem Shell 1950 in Nigeria auf größere Erdölvorkommen gestoßen war, begann die radikale Ausbeutung. Für die Pipelines wurden gewaltige Schneisen im Urwald geschlagen, Raffinerien und Bohrtürme aus dem Boden hochgezogen.
Die einheimische Bevölkerung, welche meist nicht freiwillig ihr Zuhause aufgab, wurde durch das Militär gewaltsam von ihrem Grund und Boden vertrieben. Mit dem Geld, welches durch das Erdöl verdient wurde, bezahlte die Regierung die Armee, die wiederrum im Sinne der Konzerne die Vertreibung vorantrieb. Zu jener Zeit machte das Ölgeschäft 80 Prozent der Einnahmen der Regierung aus. Auch herrschte noch immer eine Diktatur und das Geld ist nicht zur Bevölkerung durchgekommen. Nigeria, welches durch das Erdöl hätte aufblühen können, blieb arm. Viele Einwohner flohen vor der Armee, um nicht misshandelt oder sogar erschossen zu werden, wie es 1990 der Fall war, als die Polizei 80 friedliche Demonstranten tötete, Häuser und lebenswichtige Getreidefelder zerstörte.
Nach der massiven Abholzung und Bebauung wurde im selben Jahr eine Organisation mit dem Namen „Bewegung für das Überleben des Ogonivolkes“ (MOSOP) gegründet. Diese setzt sich friedlich für den Schutz der verseuchten Gebiete, eine Beteiligung der Ogoni an dem Gewinn durch das Erdöl und den Schutz der kulturellen Rechte und ihrer Ausübung ein. Gegründet von Ken Saro-Wiwa, welcher 1995 mit acht weiteren Aktivisten hingerichtet wurde, ist diese Gruppierung noch heute aktiv. 1)mosop.org: About the Movement for the Survival of Ogoni People (MOSOP) – Stand: 11.01.2016 2)essentialaction.org: Shell in Nigeria: What are the issues – Stand: 11.01.16
Als sich Shell 1993 aus dem Nigerdelta zurückzog, blieben jedoch die Pipelines bestehen, in welchen immer noch Erdöl fließt. Shell ist unter anderem noch dafür zuständig, diese in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Einige am Existenzminimum lebende Menschen nutzen diese Chance und zweigen von diesen Rohren Erdöl ab. Dies bedeutet, dass nicht immer die Konzerne für die Verschmutzung verantwortlich sind, die Einheimischen tragen an diesem Unglück auch eine Mitschuld. Häufig fallen Pipelines auch Sabotageakten zum Opfer. Shell und andere Firmen mit großem Namen können somit behaupten, nicht der Zustand der Pipelines allein sei der Grund für die Umweltverschmutzung, sonst müssten sie Geld an die dort lebende Bevölkerung zahlen.
Nachdem 2008 in der kleinen Gemeinde Bodo eine Pipeline geborsten war, liefen tausende Barrel Rohöl in einen Flussarm. Dadurch wurde der Flussarm so stark verschmutzt, dass das Öl nicht nur die Umwelt, sondern auch die Existenzgrundlage der Einwohner zerstörte. Shell bezahlte in einem außergerichtlichen Vergleich um die 70 Millionen Euro Schadensersatz an die Bewohner und die Gemeinde. Zuvor bestritt Shell vehement, der Schaden sei durch unzureichende Kontrollen entstanden. 3)Süddeutsche Zeitung: Shells Schande – Stand: 11.01.16
Was zunächst nach viel Geld klingt, ist in ein paar Jahren aufgebraucht, der Schaden an der Umwelt bleibt aber noch Jahrzehnte. Dieses Beispiel zeigt auch, mit welchem Dessinteresse Shell die eigentlich nötigen Reparaturen an den maroden Pipelines verfolgt und das Land vor sich hinvegetieren lässt. Der niedrige Ölpreis und die Geiselnahmen von Mitarbeitern durch verschiedene Gruppierungen sowie die instabile Lage des Landes führen zu einem allmählichen Rückzug von Shell und anderen Konzernen aus Nigeria. Die Überreste dieser vergangenen Zeit bleiben zurück. Dementsprechend wird es wohl nur eine Weile dauern, bis das nächste Unglück passiert.
Heute werden zwar noch zwei Drittel der Kohlenwasserstoffe für den Energie- und Wärmemarkt genutzt und bloß ein Drittel als Chemierohstoff, dieses Gefälle wird sich jedoch in den kommenden Jahrzehnten verschieben, da erneuerbare Energien immer mehr an Bedeutung gewinnen. Denn Erdöl ist aus dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken, ob in Kosmetika, Haushaltsreinigern, Medikamenten, Verpackungen, Fahrzeugbestandteilen oder im Straßenbau, um nur ein paar aufzuzählen. Ist also nicht nur Shell Schuld and dem Elend? Tragen auch wir eine Mitschuld? Jeder kennt das Prinzip zwischen großer Nachfrage und Angebot, da geraten Menschenrechte und Umweltschutz schnell ins Hintertreffen. Sollten wir unser Konsumverhalten deswegen ändern oder greifen wir doch lieber nach dem billigsten Produkt? Dies sollte jeder für sich selber entscheiden und mit den Konsequenzen leben können.
4)Erdölmuseum: Nutzung von Erdöl und Erdgas – nicht mehr verfügbar
Diese Gründe: die Umweltverschmutzung, die Zerstörung ihrer Existenz und aufgrund des harten Militärvorgehens, tragen maßgeblich dazu bei, dass Flüchtlinge nicht nur in ein anderes Landesteil fliehen, sondern auch den langen und beschwerlichen Weg nach Europa einschlagen.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare