Sudan: Menschenrechtsverletzungen beim Bau des Merowe-Staudamms

Der Merowe-Staudammbau im Norden des Sudans ist eines der größten Wasserkraftprojekte in Afrika. Rund 40.000 Personen sind vom Bau dieses Stau­damms und den damit verbundenen Umsied­lungen betroffen. Obwohl schon 2002 die ersten Bauverträge unterzeichnet worden waren, hatte die sudanesische Regierung bis zur Inbetriebnahme der ersten Turbinen des Wasserkraftwerkes 2009 keine Umsiedlungspläne mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen ausgehandelt. Im Endeffekt sind rund 4.700 Familien durch die Flutung des Siedlungsgebietes ohne Vorwarnung aus ihren Häusern vertrieben worden. Infolge dieser unerwarteten Überschwemmungen ist es zu Körperverletzungen, zur Zerstörung von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden, landwirtschaftlichen Geräten, Nutzflächen und Nutztieren gekommen. ¹⁾ TAZ: Als der Nil alles wegschwemmte – Stand 02.12.2015 Die Versorgung mit Trinkwasser- und Nahrungsmitteln wurde ebenfalls abgeschnitten.

Die deutsche Firma Lahmeyer International mit dem Sitz in Bad Vilbel galt als Generalunternehmer des Merowe-Staudammbaus: Bei der Errichtung des Staudamms war Lahmeyer für die Bauplanung und -überwachung sowie die Kontrolle der Inbe­triebnahme verantwortlich. ²⁾ CorA Netzwerk: Lahmeyer International: Bauen ohne Rücksicht auf Verluste – Stand 02.12.2015 Gegen leitende Angestellte Lahmeyers stellte die Menschenrechtsorganisation European Center of Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine schriftliche Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen die Menschenrechte auf Eigentum, Nahrung und Wohnung bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, die daraufhin ein Verfahren eingeleitet hat. ³⁾ Radio Utopie: Sudan: Verhaftung von zwei Deutschen lässt Berliner Außenministerium rotieren – Stand 02.12.2015

Es wurde argumentiert, Lahmeyer habe die Bauern am Nil 2006 und 2008 nicht davor gewarnt, dass der Damm geschlossen wurde, um das Wasser anzustauen. Als die Fluten des Flusses Felder und Dörfer überschwemmten, hätten die Bewohner kaum eine Chance gehabt, ihr Vieh, ihren Hausstand und ihre Vorräte zu retten. Der Grund dafür könnte sein, dass die staatliche sudanesische Dammbaubehörde, Lahmeyer und die chinesischen Baufirmen, die die meisten Arbeiten erledigten, schlicht ihren Zeitplan einhalten wollten. Man brauchte Einnahmen aus der Stromproduktion am Stausee, um die Kredite zu bedienen. ⁴⁾ Badische Zeitung: Verletzen deutsche Staudamm-Planer die Menschenrechte? – Stand 02.12.2015 Obwohl die Strafanzeige bereits im Mai 2010 bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingereicht wurde, ist bis heute nichts geschehen.

Es ist allgemein schwierig, internationale Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen: Es gibt bisher keine völkerrechtlich verbindlichen Regeln, die menschenrechtliche Verpflichtungen von Unternehmen festlegen. Allerdings hat der UN-Menschenrechtsrat vor vier Jahren sogenannte Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. ⁵⁾ Legal Tribune Online: Wenn Unrecht weit weg ist – Stand 02.12.2015 Diese Leitprinzipien legen fest, dass in erster Linie die jeweiligen Staaten dafür verantwortlich sind, Betroffene vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen. Auch die Unternehmen selbst sollen Menschenrechte respektieren, indem sie entsprechende Risikoanalysen durchführen und negativen Auswirkungen bei Unternehmensprojekten entgegenwirken. Verbindlich sind die Verpflichtungen für Unternehmen jedoch nicht.

Weiterhin zu erwähnen ist, dass der bedeutendste ausländische finanzielle Förderer des sudanesischen Megaprojektes die China Export-Import (Exim) Bank war, welche das für die Kreditvergabe benötigte Geld durch Anleihen auf nationalen und internationalen Kapitalmärkten aufbringt. Im Juli 2004 arrangierten die Deutsche Bank, die Citibank, Goldman Sachs und die HSBC eine Schuldverschreibung für die Exim Bank im Wert von 750 Millionen US-Dollars. Somit unterstützte die Deutsche Bank nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker mit ihrer finanziellen Unterstützung der Exim Bank indirekt auch deren Kreditvergabe für umstrittene Großprojekte wie den Merowe-Staudamm. ⁶⁾ Gesellschaft für bedrohte Völker: Bau des Merowe-Staudammes im Sudan – Stand 02.12.2015