Proteste im Iran: die Mitschuld des Westens am heutigen Gottesstaat
Falsche Kleidung und man wird ermordet. In Deutschland klingt das ziemlich surreal. Im Iran ist das Mitte September die Realität geworden. Mahsa Amini – ein Name, den man nicht so schnell vergessen wird. Die junge Frau starb am 16. September 2022 nach der Festnahme durch die Sittenpolizei in Teheran. Der Grund: Sie habe ihren Hidschãb in der Öffentlichkeit nicht korrekt getragen. Darauf folgte nun eine der größten Protestbewegungen im Iran, die sich auf Rechte für Frauen bezieht. Fast 1000 Menschen wurden festgenommen, viele Frauen haben ihr Heimatland verlassen. Sie sind von der Polizei bedroht worden, es liegen Haftbefehle gegen viele von ihnen vor und es drohen Gefängnisstrafen. 1)Auswertiges Amt: Iran: Reise- und Sicherheitshinweise , 30.09.2022
Die iranische Republik ist ein Gottesstaat, in welcher Allah der Alleinherrscher ist. Bis zu seiner Wiederkehr übernimmt das offizielle Staatsoberhaupt stellvertretend die höchste Funktion im Staat ein. Damit die strengen religiösen Werte des islamischen Glaubens umgesetzt werden können, wurde nach 1979 die Scharia, ein auf dem Koran basierendes Recht, eingeführt. Vor dem Jahr der iranischen Revolution herrschte im Land eine fast dreißig Jährige diktatorische Monarchie unter dem Schah. Dieser wurde ab 1953 von der britischen Regierung als Herrscher im Land eingesetzt. 2)planet wissen: Der islamische Gottesstaat , 30.06.2020
Zuvor war einiges passiert. Im gleichen Jahr schon hatte der britische Geheimdienst mit der Unterstützung der CIA die demokratische Regierung des Irans gestürzt. Der iranische Premierminister Mohammad Mossadegh hatte zuvor die Ölindustrie des Landes verstaatlicht, da die britische Regierung über 80 Prozent des Gewinns aus der gemeinsamen Ölförderung für sich beansprucht hatte. In Folge dessen bat der britische Geheimdienst die verbündete USA um Unterstützung. Die Regierung unter Truman lehnte den Eingriff in den Iran allerdings ab, da sie dem Land halfen, sich von Russland zu befreien. Außerdem wollte die westliche Großmacht Großbritannien und Frankreich nicht in deren Kolonialismus unterstützen. Unter Präsident Eisenhower änderte sich diese Haltung allerdings. CIA und der britische Geheimdienst taten sich zusammen und arbeiteten einen Plan aus, um den iranischen Premierminister zu stürzen. Die Begründung war nun allerdings, dass man keinen anderen Ausweg sah, da die Sorge vor einer sowjetischen Intervention groß war. Tatsächlich waren die Briten aber hauptsächlich an den Ölquellen des Irans interessiert. So wurde der Plan 1953 von Churchill und Eisenhower genehmigt und es kam zum Sturz Mossadeghs. Dieser Putsch prägte die moderne Geschichte des Irans extrem. Erst 2013 bekannte sich die CIA dazu und bis heute sind die Dokumente zur Operation „Ajax“ nicht vollständig veröffentlicht worden. Ein großer Teil gelangte 2017 über das Außenministerium an die Öffentlichkeit. 3)Spiegel Magazin: Treibstoff der Feindschaft , 2010 4)bpb: Die Geschichte Irans 1941 bis 2020 , 13.01.2020
Dieser Putsch trägt bis heute schwere Folgen mit sich. Man kann davon ausgehen, dass er die iranische Republik so veränderte, dass diese keine Möglichkeit mehr hatte, sich nicht in einen extremen Gottesstaat zu entwickeln. Allein im Jahr 2021 flohen mehr als 20500 Menschen aus dem Iran. Vielleicht hätte er sich stattdessen zu einem reichen, demokratisch geprägten Industrieland entwickelt. Aufgrund der Ölvorkommen und der damaligen demokratischen Regierung wäre das durchaus möglich gewesen. Der Westen trägt also eine gewisse Schuld an den momentanen Zuständen im Iran. Obwohl der Vorgang und die Werte der jetzigen iranischen Regierung von den westlichen Industrieländern bis aufs schärfste Kritisiert werden, tragen sie aufgrund der Unterstützung und Vorantreiben der diktatorischen Monarchie 1953 eine großen Anteil an der Situation. 5)Spiegel Magazin: Treibstoff der Feindschaft , 2010 6)Laenderdaten.info: Flüchtlinge aus dem Iran: Zahlen und Entwicklung , stand Oktober 2022
Die aktuelle Situation im Iran ist sehr angespannt. Der Tod Aminis hat heftige Demonstrationen in mehreren Teilen des Landes ausgelöst. Frauen und Männer versuchen sich gegen die Regierung zu wehren, die in den letzten Jahren einen immer härteren Kurs fährt. Vor allem die Rechte für Frauen sind fast auf das Minimum beschränkt, die Menschenrechte werden nicht beachtet. Die Verschärfung der Kleiderordnung und der daraus resultierende Tod einer jungen Iranerin haben die anfangs friedlichen Proteste Mitte September zum Laufen gebracht. Die Menschen gehen auf die Straße, rufen „Tod dem Diktator!“, verbrennen Plakate der Regierung und viele Frauen schneiden sich als Zeichen ihre Haare ab. Die Sittenpolizei geht hart gegen die Demonstrierenden vor. Es gab bis jetzt über 1000 Festnahmen, die Menschen auf den Straßen werden verprügelt, es werden Schusswaffen eingesetzt, inzwischen gibt es mindestens 50 Tote. Das Internet funktioniert nur noch unregelmäßig, vieles dringt nicht mehr nach außen. Wie es weitergeht bleibt offen. Dies sind die heftigsten Proteste seit Jahren im Iran. 7)Amnesty: Iran: Internationaler Untersuchungsmechanismus gegen Straflosigkeit notwendig , 22.09.2022 8)Spiegel: Warum Mahsa Amini sterben musste , 25.09.2022 9)Tagesschau: „Lieber sterben als festgenommen werden“ , 26.09.2022
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare