Die Gier nach Rohstoffen führt zu Vertreibung und Umweltzerstörung in Brasilien
Brasiliens Präsident Bolsonaro hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Ausbeutung von indigenen Gebieten frei gibt. Insgesamt gibt es 486 Reservate, die zusammen ein Achtel der Landesfläche ausmachen. Viele von ihnen liegen im ökologisch wertvollen Amazonasbecken und sind noch größtenteils intakte Wälder. Ein Desaster für indigene Völker, die Artenvielfalt und das Klima. Bolsonaro ist das alles egal, denn die wirtschaftliche Nutzung dieser Flächen verspricht ein Milliardengeschäft. In den Reservaten sollen zukünftig Bodenschätze und Metalle wie Gold, Erdgas und Öl gefördert werden. Oppositionspolitiker kritisieren, dass die Ausbeutung von Rohstoffen auf Gebieten der indigenen Bevölkerung diese unnötigen Gefahren aussetzt, soziale Konflikte schürt und zu Misshandlungen führt. Wieso Brasilien genau jetzt die Förderung von Ressourcen und besonders den Bergbausektor ausweitet, ist nicht schwer zu sehen. Obwohl in den letzten Jahren nach der Fußball-WM 2014 die Wirtschaft im Land eingebrochen ist, boomt der Bergbausektor. Brasilien hat im letzten Jahr Mineralien im Wert von 239,5 Milliarden US-Dollar exportiert, ein neuer Rekord seit 2013. Damit sind metallische Erze das drittwichtigste Exportgut des Landes. 1) WKO: Länderprofil Brasilien; Stand 04.2020 2) Zeit: Von wegen deutsche Gründlichkeit; Stand 24.07.2019 3) Deutschlandfunk: Bolsonaro hebt Schutz indigener Gebiete auf; Stand 08.02.2020
Es ist nicht das erste Mal, dass ein lateinamerikanischer Politiker auf Wachstum durch die ungebremste Ausbeutung von Rohstoffen setzt. Die Kosten dafür zahlen meist die Menschen, die von den Folgen betroffen sind. Im aktuellen Fall in Brasilien sind es die indigenen Völker, welche für den Bergbau von ihrem Land vertrieben werden. Auf lange Sicht sind aber auch alle anderen Menschen und die Umwelt in er Region die Leidtragenden, denn wie die Vergangenheit zeigt, ist Bergbau in Brasilen ist weder sauber noch sicher. Am 25. Januar 2019 ereignete sich eine der größten Katastrophen in der brasilianischen Bergbaugeschichte. Der Staudamm der Eisenerzmine in Brumadinho brach und setzte eine gigantische Schlammlawine frei, welche sich durch das tiefer liegende Tal wälzte und Teile der Stadt zerstörte. In dem Unglück starben 272 Menschen und noch heute kämpfen die Überlebenden mit den verehrenden Umweltfolgen der Katastrophe. Der Schlamm in Rückhaltebecken von Minen fällt bei der Reinigung von beispielsweise Eisenerz an, dabei wird er oft mit Schwermetallen und giftigen Chemikalien belastet. 4) Spektrum: Der globale Bergbau-Skandal; Stand 28.01.2020 5) DW: Blei im Blut; Stand 23.02.2020 6) tagesschau: Strafanzeige gegen TÜV-Süd-Manager; nicht mehr verfügbar
Die Mine in Brumadinho wird von Vale betrieben, einem der größten Bergbauunternehmen der Welt und wurde erst kurz vor dem Unglück von Mitarbeitern der brasilianischen Tochter des TÜV-Süd kontrolliert und als sicher eingestuft. Allerdings geht aus internen E-Mails der Firma hervor, dass durchaus Stabilitätsprobleme beim Damm der Mine gefunden wurden. Ein Mitarbeiter des TÜV-Süd schrieb:“[…] können wir die Stabilitätserklärung des Staudamms streng genommen nicht unterzeichnen.“ Dem Unternehmen war bekannt, dass der Damm nicht stabil ist und trotzdem wurde die Bescheinigung ausgestellt. Der Grund – Profit. Brasilien ist ein lukrativer Markt für Zertifizierungen, insgesamt gibt es 770 Dämme, die jährlich überprüft werden müssen, viele davon von Vale. Die Logik der TÜV Mitarbeiter war, dass sich Vale einfach ein anderes Unternehmen zur Zertifizierung sucht, wenn sie nicht das gewünschte Ergebnis liefern. Sowohl der TÜV als auch Vale haben wirtschaftliche Interessen über Sicherheit gestellt und die Menschen vor Ort mussten dafür bezahlen. 7) tagesschau: Konzern muss für Dammbruch-Schäden zahlen; nicht mehr verfügbar 8) tagesschau: Strafanzeige gegen TÜV-Süd-Manager; nicht mehr verfügbar
Dabei hätte man es besser wissen können und müssen, denn dieses Unglück war bei Weitem nicht das Erste seiner Art. Bereits 2015 brach in der Eisenerzmine Samarco, auch von Vale betrieben, der Damm des Rückhaltebeckens. 50 Millionen Tonnen Eisenerzabfälle haben 13 Menschen getötet, ein ganzes Dorf unter sich verschüttet und Tausende Hektar fruchtbaren Landes unter sich begraben. Über den Rio Doce, den angrenzenden Fluss, hat sich Schlamm, der mit Arsen, Quecksilber und Blei belastet ist, verteilt und strömt inzwischen ins Meer. Die umliegenden Dörfer sind nicht mehr bewohnbar, die Menschen mussten ihre Häuser verlassen und Felder aufgeben. Überall am Ufer des Flusses bis ins Mündungsgebiet am Atlantik finden Anwohner tote Fische. Der Dammbruch bedroht damit langfristig die Existenz von Fischern und Landwirten in der Region, denn laut der brasilianischen Meeresbiologin André Ruschi wird es mindestens 100 Jahre dauern, bis die Rückstände der Giftstoffe langsam verschwinden. Bis dahin sind auch Menschen gefährdet, denn früher oder später landen die Schwermetalle in der Nahrungskette. 9)Zeit: Der Rio Doce stirbt; Stand 27.11.2015
Diese beiden Beispiele sind Extremfälle, es muss aber nicht erst zu einer solchen Katastrophe kommen, damit der Bergbau die Lebensgrundlage und Gesundheit von Menschen bedroht. Das Absetzten von Giftstoffen in Wasser und Boden passiert ständig und unbemerkt in der Nähe von Rückhaltebecken. Dort versickert das hochgiftige Grubenwasser unkontrolliert im Boden und führt, anfangs unbemerkt, zu den gleichen Langzeitfolgen.
Als Europäer oder Deutscher alle Verantwortung von sich zu weisen und auf bessere Kontrollen zu pochen, ist zu einfach. Länder wie Brasilien betreiben so viel Bergbau, weil es lukrativ ist Mineralien zu exportieren. Deutschland ist einer der weltgrößten Importeure von Eisen, Stahl und Aluminium. Unsere Wirtschaft, die auf Weiterverarbeitung basiert, braucht Rohstofflieferanten wie Brasilien. Wir importieren 99,7 Prozent aller benötigten Metallerze. Stahl und Aluminium sind zwar zu 100 Prozent ohne Qualitätseinbußen recyclebar, was auch mit viel Altmetall in Deutschland passiert. Gleichzeitig steigt der Konsum und damit die benötigte Menge an Rohstoffen jedes Jahr weiter. Recycling reicht nicht aus, um den Bedarf zu deckeln. Man muss sich bewusst sein, dass die eigenen Kaufentscheidungen zu diesem Trend beitragen. Es liegt im Gewissen jedes Einzelnen, zu entscheiden, welcher Kauf notwendig ist und was nur leerer Konsum ist, der Ausbeutungen wie in Brasilien befeuert. 10) WWF: Deutsche Rohstoffimporte: Die Gier nach Eisen und Aluminium; Stand 27.05.2019
Fußnoten und Quellen:
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