Parlamentswahlen in Mali: Corona und Dschihadisten gefährden die Bevölkerung
Seit dem Sturz des früheren Präsidenten Amadou Amani Touré im Jahr 2012 und der damit verbundenen Übernahme ganzer Landteile durch Dschihadisten ist die Sicherheitslage in Mali mehr als prekär. Vergangenen Sonntag hielt das afrikanische Land seine Parlamentswahlen ab. Anschläge und der Coronavirus machten den demokratischen Akt zu einem hochriskanten Unterfangen.
Ursprünglich waren diese Parlamentswahlen bereits für 2018 angesetzt. Sie wurden jedoch auf Grund von Streiks, politischer Unstimmigkeiten und der Sicherheitslage vielfach verschoben. Mehrere prominente Vertreter der Opposition und Zivilgesellschaft hatten sich im Voraus dafür ausgesprochen, die Wahlen noch ein weiteres Mal zu vertagen. Der aktuelle Präsident Ibrahim Boubacar Keita ging jedoch nicht darauf ein, kündigte lediglich Vorsichtsmaßnahmen an. Der Druck auf ihn ist groß, denn die Wahlen galten als wichtiger Schritt, um die Stabilität im Land wiederherzustellen.
Nur wenige Stunden bevor die Wahllokale öffneten, meldete Mali seinen ersten Corona-Toten. Die Abstimmungen wären aber wohl auch ohne Corona eigentlich zu gefährlich gewesen. Zwei Tage zuvor wurde der Oppositionsführer Soumaila Cissé während einer Wahlkampftour mutmaßlich von Dschihadisten entführt, sein Leibwächter ermordet. Die Wenigen, die sich tatsächlich trauten ihre Stimme abzugeben, taten das mit doppelter Sorge. Um die Mittagszeit lag die Beteiligung bei lediglich sieben Prozent. 300 Wahllokale blieben ganz geschlossen, ein Wahlleiter wurde entführt. Eine Stichwahl ist für den 19. April angesetzt.
In Mali operieren zahlreiche internationale Missionen. Die Vereinten Nationen haben mit MINUSMA ein Aufgebot von 12.289 Soldaten vor Ort. Die französische Barkhane-Mission umfasst 4700 Mann. Elf europäische Staaten haben erst kürzlich angekündigt, mit einer neuen Spezialeinheit gegen Islamisten vorzugehen. Darunter ist auch Deutschland. Keine der laufenden Missionen hat in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass die terroristische Gefahr geringer wurde. Vor allem die Gewalt gegen Zivilisten nimmt zu. Warum die Weltgemeinschaft an den militärischen Operationen fest hält, obwohl sie offensichtlich keine Wirkung zeigen, stand schon des Öfteren in der Kritik.
Zusätzlich zu der Sicherheitskrise ist das Vertrauen zwischen der malischen Bevölkerung und ihrer Regierung schwer geschädigt. Der Staat war in vielen verschiedenen Regionen lange abwesend und wenn er anwesend war, dann eher symbolisch und ohne auf die Bedürfnisse der Öffentlichkeit einzugehen. Lokale Bevölkerungsgruppen berichten von Hinrichtungen, Verschwindenlassen von Personen, Folter und willkürlichen Festnahmen. Menschenrechtsverletzungen bleiben weitestgehend ungestraft. Auch deshalb kehrt in Mali keine Ruhe ein. Wenn das Vertrauen im Inneren fehlt, wird intervenieren von außen schwierig. Die Infrastruktur des Landes ist am Boden. Schätzungsweise 3,4 Millionen Malier benötigen humanitäre Hilfe. 140.000 Menschen sind auf der Flucht. 1) Deutsche Welle: Kommentar: Wählen mit der Angst im Nacken in Mali; Artikel vom 30.03.2020 2) Deutsche Welle: Mali wählt trotz Corona-Krise neues Parlament; Artikel vom 28.03.2020 3) UNHCR: Aufgrund der eskalierenden Gewalt in Mali gibt UNHCR neue Schutzrichtlinien heraus; Artikel vom 09.08.2020
Fußnoten und Quellen:
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