EU-Autolobby bremst Klimaschutz im Verkehr aus

EU-Autolobby bremst Klimaschutz im Verkehr aus

Seit die Viruserkrankung COVID-19 auch in Europa ausgebrochen ist, steht der Verkehr weitestgehend still. In deutschen Städten ist die mittlere Verkehrsbelastung um rund 40 Prozent gesunken. Die klassischen Ausreißer zur Rushhour sind kaum noch bemerkbar. Auch auf den Autobahnen sind kaum noch Fahrzeuge unterwegs, die Zahl der Staus ist enorm gesunken. Es ergibt sich ein ungewohntes Bild für die Straßen Deutschlands und ganz Europas. ¹⁾ SZ: Verkehr und Corona: Freie Fahrt; Artikel vom 26.03.20

Dass die Europäische Union nicht nur als ein Projekt der Friedenssicherung, sondern auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gedacht war, äußert sich ansonsten ebenso in einem wachsenden Verkehrsaufkommen. Im deren Zentrum steht dabei nach wie vor der Individualverkehr, angetrieben durch den Verbrennungsmotor. Die daraus resultierenden Folgen sind verheerend: Nicht nur stoßen diese eine erhebliche Menge an Feinstaub und Stickoxiden aus, die vor allem der Gesundheit der Anwohner schaden, wie auch im Zuge des Dieselskandals breit debattiert wurde. Auch die Treibhausgasbilanz ist enorm. Im Jahr 2015 ging ein Viertel der EU-weiten Emissionen auf den Verkehrssektor zurück. Er ist damit einer der Hauptverursacher des weltweiten Klimawandels. Während die meisten Branchen ihre Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 senken konnten, sind sie im Verkehrssektor um 24 Prozent gestiegen. Auch eine Wende diesbezüglich ist derzeit nicht erkennbar. Ungefähr 70 Prozent entfallen dabei auf Fortbewegungsmittel auf den Straßen wie PKWs, Nutzfahrzeuge, Busse und Lastkraftwagen. Für den Rest ist zum großen Teil Luft- und Schiffverkehr verantwortlich. Einsparungen durch mehr Effizienz dank besserer Motoren und Abgastechniken oder der Verwendung neuer Kraftstoffe konnten dabei das erhöhte Verkehrskommen, mit oft hochmotorisierten Fahrzeugen, nicht ausgleichen. Nach Berechnungen des Weltverkehrsforums, angesiedelt bei der OECD, würden die globalen CO2 Emissionen bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 2015 um 70 Prozent steigen, bei aktueller Entwicklung. ²⁾ Destatis: Straßenverkehr: EU-weite CO2-Emissionen seit 1990 um 24% gestiegen; Beitrag aufgerufen am 02.04.20

Auch das Versprechen die Treibhausgase zu reduzieren, welches Autohersteller schon 1998 gaben, bewirkte nichts. Wie so oft erzielte eine Selbstverpflichtung keine Erfolge. Die Maßnahmen, die die EU stattdessen ab 2021 durchsetzen möchte, werden den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 voraussichtlich ebenfalls nicht gerecht.

Ein wichtiger Grund dafür ist die wirtschaftliche Macht und der politische Einfluss der Autolobby auf EU-Ebene. Sie arbeitet eng mit den dortigen Institutionen zusammen und kann bis heute wirksam auf die EU-Politik einwirken und Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz verhindern. Auf europäischer Ebenen profitiert sie von den komplexen Gesetzgebungsverfahren in die sie gezielt eingreifen kann, die EU ist dabei auf externe Expertise angewiesen. Vor allem in den Beratergruppen der EU-Kommission bzw. in Austauschforen mit dem EU-Parlament sind Lobbyisten vertreten. Zwischen 15.000 und 30.000 von ihnen sind insgesamt in Brüssel aktiv, nur ein Achtel davon vertritt humanitäre oder umweltschützende Anliegen. Auch die Automobilindustrie ist stark vertreten, dabei ist eine Dominanz Deutschlands deutlich festzustellen. Von den 20 Millionen Euro, die die zehn wichtigsten Autokonzerne und -verbände jährlich ausgeben, stammen 10 Millionen von der deutschen Autoindustrie. Damit gewinnen auch innerhalb der Branche die Bedürfnisse der deutschen Hersteller an Bedeutung. Konzerne wie BMW, Daimler und VW bauen vor allem schnelle, teure, schwere und eben auch besonders umweltschädliche Autos. Andere Länder hingegen haben auf nationaler Ebene bereits das Ziel festgelegt, in den nächsten Jahren keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. Auch im Zuge der Corona-Krise stellt die Autolobby bereits Forderungen. In einem offenen Brief fordert sie die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen dazu auf, die CO2 Ziele für Neuwagen zu lockern. Ab 1. Januar 2020 dürfen die Emissionen von Neuwagenverkäufen im Schnitt nicht 95 Gramm pro Kilometer überschreiten. Die Gültigkeit dieses Klimaschutzgesetzes wünscht die Industrie nun auszusetzen. Festgelegt wurde diese Grenze jedoch schon im Jahr 2008, die Autokonzerne hätten somit ausreichend Zeit gehabt sich darauf vorzubereiten. ³⁾ Elektroauto-News: EU-Autolobby will CO2-Ziele wegen Corona-Virus aufweichen; Artikel vom 31.03.20 ⁴⁾ VCD: EU setzt Vorgaben für PKWs; Artikel aufgerufen am 02.04.20

Ihr Bemühen könnte ihnen jedoch bald auf die Füße fallen. Alternative Antriebsformen wie Elektroautos oder autonomes Fahren gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. US-Konzerne wie Tesla, Apple und Google treiben massiv die Entwicklung in diese Richtung an, auch das chinesische Unternehmen BYD spielt eine wichtige Rolle. Zwar investieren auch hiesige Firmen zunehmend mehr in neue Technologie. Bei der Verteidigung und Erhaltung des althergebrachten Modells sind sie aber deutlich erfolgreicher. Auch ist fraglich, ob die weitreichenden Probleme nur mit einer neuen Art von Antrieb gelöst werden können. Viele befürworten stattdessen einen Wandel vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Nahverkehr, Konzepte der Verkehrsvermeidung und eine Umstrukturierung der Infrastruktur zugunsten Fußgänger wie Fahrradfahrer. ⁵⁾ Rosa-Luxemburg-Stiftung: Die europäische Autolobby – eine kritische Analyse zum Einfluss der Industrie; Publikation von August 2019