Fünf Jahre Jemenkrieg – ein bitteres Jubiläum
Der Jemen ist der ärmste Staat der arabischen Halbinsel. Von Stammesfehden und Machtkämpfen geplagt, kommt das Land seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe. Die jemenitische Bevölkerung hatte bereits Teilung, Krieg und Terror erlebt. Doch nichts davon war so katastrophal wie der jüngste Bürgerkrieg, der seit fünf Jahren das Land mit Chaos, Tod und unendlichem Leid überzieht.
Die Huthis, eine der vielen jemenitischen Milizen, brachten 2014 große Teile des bevölkerungsreichen Nordjemens unter ihre Kontrolle. Anfangs hatten sie dabei noch die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung. Sie eroberten die Hauptstadt Sana’a und drängten die Truppen des jemenitischen Präsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi immer weiter zurück. Hadi floh schließlich ins Nachbarland Saudi-Arabien. Dort wollte man den Siegeszug der Huthis auf keinen Fall akzeptieren. Das hatte zum Einen geopolitische Gründe. Die Saudis hatten die Kontrolle über die Meerenge Bab al-Mandab verloren, die täglich von tausenden Öltankern und Frachtschiffen passiert wird. Andererseits gab es auch religiöse Beweggründe. Das sunnitische Saudi-Arabien ist mit dem schiitischen Iran verfeindet. Die Huthis gehören der Religionsgemeinschaft der Zaiditen an, die zu den Schiiten gezählt werden. Saudi-Arabien sah folglich in den Huthis Handlanger des Iran – und ein iranischer Vormarsch vor der eigenen Haustür musste unbedingt gestoppt werden. 1) Lüders, Michael: Armageddon im Orient: Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Aus diesem Grund schmiedete der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman eine Allianz mit anderen sunnitischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und dem Sudan. Gemeinsam griffen sie 2015 auf der Seite der Hadi-Regierung ein und begannen die Huthis zu bombardieren. Außerdem verhängten sie eine Blockade über den Jemen. Die Rebellen sollten ausgehungert werden. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Zwar konnten die Rebellen zurückgedrängt werden, doch ihr Kern-Territorium verteidigen sie erbittert und erfolgreich. Was als kurzer Rückeroberungszug gedacht war, verwandelte sich in einen langwierigen Krieg. Andere Gruppierungen nutzten die Instabilität, um selbst Gebiete zu erobern. Unter ihnen finden sich auch Ableger des Islamischen Staates und von al-Qaida. 2) DW: Wer kämpft gegen wen im Jemen?; Artikel vom 28.09.2019
Über 100.000 Menschenleben hat der Jemenkrieg bereits gekostet. Dazu gehören mehr als 10.000 Zivilisten. Sie sind es, die die Folgen des grausamen Machtkampfes zu tragen haben. Die saudische Koalition soll die Bevölkerung gezielt bombardieren und damit für einen Großteil der zivilen Toten verantwortlich sein. Auch den Huthis werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Mehr als dreieinhalb Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Im Gegensatz zu den syrischen Flüchtlingen haben sie jedoch wegen der geographischen Lage kaum die Möglichkeit, das Land zu verlassen. Die meisten sind Vertriebene im eigenen Land und müssen immer wieder neu fliehen, wenn die Frontlinie in ihre Nähe kommt. 3) Auswärtiges Amt: Humanitäre Hilfe in Jemen; nicht mehr verfügbar 4) DW: Leben im Bürgerkrieg: Jemen: „Wer hat uns im Stich gelassen?“; Artikel vom 08.09.2019 5) Business Standard: Death toll from Yemen’s war hit 100,000 since 2015; Artikel vom 31.10.2019
Wegen der saudischen Blockade sind über 24 Millionen der knapp 30 Millionen Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen, 20 Millionen müssen hungern. Medikamente kommen nicht ins Land und kaum jemand hat Zugang zu sauberem Wasser – der ideale Nährboden für Krankheiten. 2016 brach im Jemen die Cholera aus und forderte bisher circa 4.000 Tote. Ständig kommen neue Krankheiten hinzu. 130.000 Menschen sind bereits an solchen Folgen des Krieges gestorben, mehr als durch direkte Kriegshandlungen. Besonders hart trifft es die Kinder: Über die Hälfte der Kriegstoten sind jünger als fünf Jahre. 6) Auswärtiges Amt: Humanitäre Hilfe in Jemen; nicht mehr verfügbar 7) epo: Jemen: Ernährung und Cholera-Bekämpfung im Fokus; Artikel vom 06.08.2019 8) BBC: Yemen crisis: Why is there a war?; Artikel vom 10.02.2020 9) der Freitag: Genozid im Jemen: Der Krieg gegen Jemens Kinder; Artikel vom 20.01.2020
Ende 2019 beruhigte sich die Lage im Jemen ein wenig und es keimte die Hoffnung auf, der Krieg könnte bald vorbei sein. Doch seit diesem Jahr nehmen die Spannungen wieder zu. Die Huthis haben eine neue Offensive gestartet und Saudi-Arabien hat seine Bombardements wieder verstärkt. Erneut müssen Tausende vor den Kämpfen fliehen. Während sich die humanitäre Situation immer weiter verschlechtert, rückt ein Ende des Krieges in immer weitere Ferne. Schon seit Langem hat niemand mehr größere Geländegewinne erzielen können – der Krieg steckt in der Sackgasse. Friedensgespräche laufen immer wieder ins Leere und Waffenruhen, wie die in der Hafenstadt Hudaida, sind brüchig. 10) UN News: De-escalate now, to steer Yemen of ‚precarious path‘, UN Security Concil hears; Artikel vom 12.03.2020 11) BBC: Yemen crisis: Why is there a war?; Artikel vom 10.02.2020 12) DW: Vergessener Krieg: Deutscher Arzt im Jemen: „Ich höre täglich Schüsse draußen“; Artikel vom 09.03.2020
Der Jemenkrieg ist mit militärischen Mitteln nicht zu lösen – zu dieser Einsicht müssen die Beteiligten endlich kommen. Doch um die Kämpfenden ernsthaft an den Verhandlungstisch zu bringen, reichen die ständigen Appelle der Vereinten Nationen nicht aus. Die Verbündeten müssen endlich Druck auf die Kriegsparteien ausüben. Doch die scheinen daran nicht wirklich interessiert zu sein, vor allem nicht die westlichen Staaten. US-Präsident Donald Trump, ein glühender Unterstützer des Kronprinzen, will die Macht des Iran um jeden Preis eindämmen und unterstützt das saudische Vorgehen deshalb bedingungslos. Außerdem verdient sein Land durch Waffendeals in Milliardenhöhe ordentlich am Jemenkrieg. Und auch Europa verkauft schier ohne Ende Kriegsgerät an seine arabischen Partner. Deutschland ist ein großer Rüstungslieferant der Militärkoalition. Und das obwohl die aktuelle Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat, keine Waffen mehr an Länder zu liefern, die am Jemenkrieg beteiligt sind. 13) Lüders, Michael: Armageddon im Orient: Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 14) Spiegel: Rüstungsexporte: Bundesregierung genehmigt neue Waffendeals mit Saudi-Arabien; Artikel vom 19.09.2018 15) SIPRI: Importer/ Exporter TIV Tables; Stand 03/2019
Auch die Medien zeigen wenig Interesse am Krieg im Jemen, immerhin stehen ja keine Millionen von jemenitischen Flüchtlingen an der europäischen Außengrenze. Als Folge ist auch in der Bevölkerung das Bewusstsein für das Thema eher gering. Doch nur wenn den Menschen klar wird, welches unglaubliche Leid den Jemenitinnen und Jemeniten täglich zugefügt wird, und sie nicht mehr akzeptieren wollen, dass Deutschland und der Westen den Konflikt befeuern, könnte die Politik zum Kurswechsel gezwungen werden. Und der ist dringend notwendig. Denn jeder Tag, den der Krieg im Jemen weitergeht, ist einer zu viel.
Fußnoten und Quellen:
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