Internet: Wenn Surfen dem Klima schadet
Unser digitaler Alltag
In der Arbeit gerade noch 20 E-Mails verschickt, auf dem Nachhauseweg Whatsapps und Soziale Medien checken, während die Smartwatch die Schritte zählt. Zu Hause wird gegoogelt, welches Problem die kaputte Waschmaschine haben könnte, dann werden die Ersatzteile bei Amazon bestellt. Nach getaner Arbeit gönnt man sich noch eine Stunde Netflix und verspeist gleichzeitig die bei Lieferando bestellte Pizza. Danach geht es ab ins Bett. Handy, Smartwatch & Co. laufen natürlich weiter.
So sieht der Alltag von immer mehr Menschen auf der ganzen Welt aus. Das Internet ist überall, sein Einfluss und seine Funktionen wachsen immer weiter. Die Gesellschaft wird immer vernetzter und die Macht der Tech-Konzerne nimmt zu. Doch nicht jeder ist mit dieser Entwicklung zufrieden. Oft wird zum Beispiel kritisiert, dass die Firmen, die hinter der Online-Welt stehen, uns unsere Daten und unsere Privatsphäre stehlen. Ein seltener genanntes Problem ist hingegen der gewaltige Stromverbrauch des Netzes, und damit seine Klimabilanz.
Der gigantische Stromverbrauch des Internets
Das Internet verursacht geschätzte 800 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr, das ist mehr als der globale Luftverkehr im gleichen Zeitraum ausstößt. Damit ist das Netz so klimaschädlich wie ganz Deutschland. 1)ZDF: Klickscham statt Flugscham? Internet Produziert so viel CO2 wie Flugverkehr; nicht mehr verfügbar 2) Süddeutsche Zeitung: Energieverbrauch: „Als Internetnutzer tragen wir unabsichtlich zur Umweltzerstörung bei; Artikel vom 18.01.2020
Wie kann das sein? Man möchte doch meinen, dass der Strombedarf von Handys, Laptops und Computern, die wir vielleicht jeden zweiten Tag für ein paar Stunden aufladen, unmöglich so schädlich sein kann wie die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt oder mehrere zehntausend Flugzeuge. Und das ist auch richtig. Denn der eigentliche Stromverbrauch des Internets findet nicht in den Endgeräten statt, sondern in riesigen Rechenzentren. Sie sind das Herz der digitalen Welt, ohne sie gäbe es kein Internet. Auf zehntausenden Servern sind all die unvorstellbar vielen Datenmengen gespeichert, auf die wir jederzeit per Mausklick zugreifen können. 3)ZDF: Klickscham statt Flugscham? Internet Produziert so viel CO2 wie Flugverkehr; nicht mehr verfügbar
Diese Serverfarmen fressen unglaublich viel Strom. Denn die Daten sollen ja für die Internet-Nutzer nicht nur rund um die Uhr, sondern auch möglichst schnell verfügbar sein. Ein weiteres Problem: Die Rechner überhitzen und müssen wieder heruntergekühlt werden. Dafür laufen in den Räumen Klimaanlagen, die massenhaft Energie benötigen. Ein Drittel des Strombedarfs der Rechenzentren wird allein für die Kühlung benötigt. So kommt es zu einem immensen Energieverbrauch. In Frankfurt steht der größte Serverknoten Deutschlands. Er ist für 20 Prozent des Stromverbrauchs der ganzen Stadt verantwortlich und frisst damit mehr Energie als der Frankfurter Flughafen. 4) SWR: odysso: Energiefresser Internet: Die Ökobilanz eines Mausklicks; Arikel nicht mehr verfügbar
Die Umweltverträglichkeit der digitalen Welt hängt auch mit dem Verhalten des Einzelnen zusammen: Eine Suchanfrage bei Google beispielsweise verbraucht circa 0,3 Watt-Stunden Strom und sorgt damit für etwa 0,2 Gramm CO₂. Diese Kette lässt sich auf alle möglichen Handlungen im Internet weiterspinnen: Eine E-Mail verursacht ein Gramm CO₂ und eine Stunde Streaming so viel wie ein Kilometer Autofahren. Einzeln betrachtet klingt das natürlich nicht dramatisch, aber die Masse macht’s: In Deutschland werden täglich eine Milliarde Mails verschickt, die folglich etwa 1.000 Tonnen CO₂ produzieren. Das sind 365.000 Tonnen, die jedes Jahr nur durch E-Mails entstehen. Wenn man alle Bereiche des Internets zusammenrechnet, kommt man auf 33 Millionen Tonnen CO₂, die das Netz in Deutschland jährlich verursacht. 5) SWR: odysso: Energiefresser Internet: Die Ökobilanz eines Mausklicks; Arikel nicht mehr verfügbar 6)ZDF: Klickscham statt Flugscham? Internet Produziert so viel CO2 wie Flugverkehr; nicht mehr verfügbar
Klimakiller Internet?
Das Internet ist natürlich nicht per se schlecht. Es ermöglicht zum Beispiel die Effizienzsteigerung bei zahlreichen technischen Prozessen und schont so Ressourcen. Durch Online-Dienste wie E-Papers, E-Books oder E-Mails lassen sich Papier und Wasser sparen. Die Digitalisierung kann durchaus in gewaltigem Ausmaß dabei helfen, weniger Energie zu verbrauchen und das Klima zu schonen. Doch diese Erfolge werden durch den restlichen Gebrauch des Internets wieder zunichte gemacht. Video-Streaming zum Beispiel ist ein wahrer Energievernichter. Denn die auf dem Server gespeicherte Film-Datei wird bei jedem Anschauen erneut heruntergeladen. HD, 4K & Co. benötigen außerdem extra viel Energie. Dateien, die in der Cloud gespeichert werden, verbrauchen massenhaft Speicherplatz und Strom, viele Bilder und Videos liegen auf den Rechnern und werden nie wieder aufgerufen. Unnötige Suchanfragen, Emails, in deren CC 50 Empfänger stehen, oder Musik-Streaming von Liedern, die auch heruntergeladen werden können, treiben den Stromverbrauch und den CO₂-Ausstoß vermeidbar in die Höhe. Und so kurbeln Internet-Nutzer unbewusst den Klimawandel mit an. 7) SWR: odysso: Energiefresser Internet: Die Ökobilanz eines Mausklicks; Artikel nicht mehr verfügbar 8) Süddeutsche Zeitung: CO2-Bilanz der Digitalisierung: Gutes Smartphone, schlechtes Smartphone; Artikel vom 13.05.2019
Dabei hilft jeder gesparte Klick nicht nur, wärmere Sommer hierzulande zu verhindern, sondern auch dabei, Menschen auf der ganzen Welt vor dem Schicksal der Flucht zu bewahren. Denn der Klimawandel ist mittlerweile für jeden zweiten Flüchtling auf der Welt verantwortlich. Umweltkatastrophen werden immer heftiger und häufiger. Sie rauben vor allem armen Menschen ihre sowieso schon erbärmliche Lebensgrundlage. Der Klimawandel sorgt auch für immer mehr Dürren. Die Betroffenen haben meist keine andere Wahl als ihre Heimat zu verlassen, wenn sie überleben wollen. Experten rechnen in den nächsten 50 Jahren mit zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Klimaflüchtlingen. Jahrzehntelang konnten sich Flüchtlinge rechtlich nicht auf den Klimawandel als Grund für ihre Flucht berufen, doch im Januar dieses Jahres erkannte der UN-Menschenrechtsausschuss die globale Erwärmung offiziell als Fluchtgrund an. Das zeigt, mit was für einem dringenden und unausweichlichen Problem wir es zu tun haben. 9) UNO Flüchtlingshilfe: Klimawandel als Fluchtgrund: Lebensgrundlagen schützen und erhalten; Stand 02/2020 10) Süddeutsche Zeitung: UN-Menschenrechtsausschuss: Klimaflüchtlinge können Anspruch auf Asyl haben; Artikel vom 21.01.2020
Was tun?
Im Kampf gegen den Klimawandel ist die digitale Welt ein Bereich, in dem auf jeden Fall gehandelt werden muss. Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte: Rechenzentren können stromfressende Klimaanlagen durch effizientere Freiluft- oder Wasserkühlung ersetzen. Websitebetreiber sparen viel Energie, wenn sie eine stromsparendere Programmiersprache verwenden. Und auch der Konsument kann handeln: Durch Löschen alter Emails, das Vermeiden von Clouds, das Herunterladen von Liedern anstelle von Streamen oder den Verzicht auf HD beim Anschauen von Videos trägt er zum Vermeiden von Treibhausgasen bei. 11)ZDF: Klickscham statt Flugscham? Internet Produziert so viel CO2 wie Flugverkehr; nicht mehr verfügbar 12) Süddeutsche Zeitung: Energieverbrauch: „Als Internetnutzer tragen wir unabsichtlich zur Umweltzerstörung bei; Artikel vom 18.01.2020
Leider scheint dies alles kaum jemandem bewusst zu sein. Das Internet wächst und wächst. Ständig entstehen neue Serverfarmen. Politiker propagieren die Digitalisierung, aber niemand scheint zu bedenken, welche Probleme sie mit sich bringt. Selbstverständlich kann die Digitalisierung einen großen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten, doch das heißt nicht, dass es deswegen sinnvoll ist, alles online zu tun. Oft wird argumentiert, dass man das Internet in Zukunft ja mit 100 Prozent Ökostrom betreiben will. Das würde allerdings bedeuten, dass wir eine riesige Zahl von Windrädern, Solarzellen und Wasserkraftwerken brauchen, die zusätzlich zu unserem normalen Strombedarf für das Internet produzieren. Schon heute tut sich Deutschland mit der Energiewende extrem schwer und die Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der Bevölkerung ist oftmals nicht groß. Wie wollen wir denn dann auch noch den Strom für das Internet von 5G, autonomen Autos und Augmented Reality erzeugen? Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie viel Internet wir in Zukunft wirklich in unserem Leben haben wollen.
Fußnoten und Quellen:
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