Müllexporte: Entwicklungsländer tragen die Folgen der Wegwerfgesellschaft
„Wir wollen deutlich machen, dass Malaysia nicht die Müllhalde der Erde ist“. Mit diesen Worten schickte die malaiische Umweltministerin Yeo Bee Ying diese Woche 3.737 Tonnen ausländischen Müll auf den Weg zurück in seine Ursprungsländer. Zwei Drittel davon gingen nach Europa. Auch Indonesien, Kambodscha und die Philippinen sendeten in letzter Zeit hunderte Container Plastikmüll retour an Industriestaaten, darunter auch Deutschland. Seit Jahren werden sie mit dem Müll der wohlhabenden Staaten überflutet, nun wehren sie sich dagegen. 1) ZDF: Nicht die „Müllhalde der Welt“: Malaysia wehrt sich gegen Plastikmüll; nicht mehr verfügbar 2) Tagesschau: Plastikmüll aus Industrieländern: „Kambodscha ist kein Mülleimer“; Artikel nicht mehr verfügbar
Dass viele Entwicklungsländer es leid sind, als Mülleimer für die Industrienationen zu dienen, dürfte zu einem ernsten Problem für uns in eben jenen reichen, müllproduzierenden Ländern werden. Denn mit dem Wohlstand ist auch ein riesiger Berg an Verpackungen, Folien, Einweggeschirr und Plastiktüten Teil der westlichen Welt geworden. Vieles davon lässt sich recyceln, doch wir produzieren so große Mengen an Abfall, dass die Recycling-Anlagen in Deutschland, Europa oder anderen reichen Staaten ihn bei weitem nicht komplett aufnehmen können. Damit wir unsere Landschaft hierzulande dennoch frei von Müllbergen halten können, exportieren wir diesen Müll ins Ausland. Dort soll dann wiederverwertet werden, wozu uns zu Hause die Kapazitäten fehlen. 3) Frankfurter Allgemeine: Illegale Müllexporte auch aus Deutschland?; Artikel vom 19.07.2019
Jahrzehntelang hatte China über die Hälfte des Plastikmülls der ganzen Welt aufgenommen, doch 2017 beschloss Peking plötzlich, einen Importstopp auf Plastikmüll zu verhängen. Damit standen die Abfall-Exporteure vor einem großen Problem, denn so blieben sie auf Millionen Tonnen Müll sitzen. Leider setzte daraufhin kein Umdenken ein, sondern lediglich die Suche nach neuen Abnehmern für den Abfall. Statt nach China schickte man den Müll nun eben in die Entwicklungsstaaten Südostasiens. Die Ausfuhren dorthin stiegen massiv an. In Malaysia zum Beispiel steigerten sich die Importe von Plastikabfällen zwischen 2016 und 2019 auf das Dreifache. Wiederverwertet wird unser Plastik dort jedoch kaum. Nur zehn Prozent finden in jenen Ländern wirklich den Weg in Recycling-Anlagen. Der Rest landet auf Müllhalden, wird verbrannt oder gelangt ins Meer. In der Statistik zählt für Deutschland trotzdem jeder exportierte Container Abfall als „recycelt“ und wir können uns stolz als „Recyclingweltmeister“ bezeichnen. 4) ZDF: Deutscher Plastikmüll in Asien: Die Recycling-Lüge; Artikel vom 19.02.2019 5) ZDF: Nicht die „Müllhalde der Welt“: Malaysia wehrt sich gegen Plastikmüll; nicht mehr verfügbar 6) DW: Chinas Importstopp: Alter Müll, neue Häfen; Artikel vom 05.04.2019 7) DW: Wieso deutsche Plastikmüll eben doch im Meer landet; Artikel vom 24.01.2019
Die Leidtragenden dieser Müll-Politik sind die Einwohner der betroffenen Entwicklungsländer. Müllkippen sprießen aus dem Boden und wachsen unaufhaltsam. Dabei verschlingen sie Wälder, Wiesen und Reisfelder. Das Wasser wird verseucht, Gestank und Dreck sind allgegenwärtig. Die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und ihnen bleibt oft nichts anderes übrig, als sich als Müllsammler oder Müllsammlerin durchzuschlagen. Auf den Deponien fischen sie Verwertbares aus den Abfallbergen heraus und verkaufen es für ein paar Cent an Händler. Die Gesundheit der Einheimischen leidet massiv, denn die Müllhalden sind Brutstätten für Krankheiten und Keime. Wenn der Müll verbrannt wird, entsteht giftiger Rauch und selbst das eigentlich umweltfreundliche Recycling produziert massenhaft toxische Dämpfe. Irgendwann ist das Leben im Schatten der Müllkippe für viele so unerträglich, dass sie sich entscheiden, vor dem Abfall zu fliehen. Auch wer nicht in der Nähe des Müllberges lebt, sieht sich nicht selten zur Flucht gezwungen, denn verseuchtes Wasser macht Landwirtschaft unmöglich und Plastik löscht im Meer ganze Fischbestände aus. 8) ZDF: Das vermüllte Paradies: Bali und das Plastik-Problem; nicht mehr verfügbar 9) DW: Chinas Importstopp: Alter Müll, neue Häfen; Artikel vom 05.04.2019
Doch das allein ist noch nicht genug. Auf den Müllkippen Südostasiens und in den Containern, die ins Land kommen, taucht auch immer wieder ausländisches Plastik auf, das dort eigentlich gar nicht sein dürfte. Dabei handelt es sich meist um Kunststoffe, die sich nicht wiederverwerten lassen. Es wurde sogar schon normaler Hausmüll und Elektroschrott gefunden. Das ist illegal, denn dieser „echte“ Abfall wird als Recycling-Plastik deklariert importiert. Oft gelangt verbotener Müll auch über Schmugglerwege ins Land. Um den eigenen Abfall möglichst einfach und „undreckig“ loszuwerden, ist man in den Industrienationen anscheinend immer öfter bereit, verbotene Wege zu gehen. Auch illegaler Müll aus Deutschland findet sich auf den Mülldeponien Malaysias, und das obwohl die deutsche Gesetzgebung die Ausfuhr von nicht wiederverwertbarem Plastik explizit verbietet. Indonesien hat Deutschland bereits mehrere Container mit solchen Abfällen zurückgeschickt. Gerade der nicht wiederverwertbare Abfall ist voller gefährlicher Giftstoffe. Wenn die Menschen mit ihnen in Berührung kommen, ist das eine große Gesundheitsgefahr. Oft sickern die Stoffe zudem in den Boden und ins Grundwasser. 10) Frankfurter Allgemeine: Illegale Müllexporte auch aus Deutschland?; Artikel vom 19.07.2019 11) ZDF: Illegale Entsorgung in Malaysia: Zurück an Absender: 3.000 Tonnen Müll; nicht mehr verfügbar 12) Tagesschau: Plastikmüll aus Industrieländern: „Kambodscha ist kein Mülleimer“; Artikel nicht mehr verfügbar 13) ZDF: Bundesumweltministerium: Berlin kritisiert Müllexporte nach Malaysia; nicht mehr verfügbar 14) WEB.DE: Wie deutscher Plastikmüll in die Ozeane gelangt; Artikel vom 24.01.2020
Allerdings lassen sich immer weniger südostasiatische Länder dieses System gefallen. Waren vor wenigen Jahren die Einfuhrbestimmungen noch lax und Kontrollen praktisch nicht vorhanden, so wird der Abfallimport immer stärker reguliert und der Zoll schickt illegalen Müll immer öfter zurück. Thailand, Vietnam und Malaysia denken bereits über Importstopps nach. Wie wird man hierzulande darauf reagieren, sollten die neuen Abfall-Abnehmer tatsächlich zu Maßnahmen greifen wie es China bereits getan hat? Ewig lässt sich das simple Ausweichen auf andere Länder nicht durchziehen. Irgendwann wird kaum noch jemand bereit sein, seine Landschaft zuzumüllen, seine Bevölkerung zu vergiften und ganze Wirtschaftszweige zu ruinieren. Noch dazu entwickeln immer mehr Länder mit wachsendem Wohlstand selbst ein Müllproblem und können kaum noch ausländischen Abfall verarbeiten. Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft, von einzeln abgepackten Würsten und dreifach eingeschweißten Süßigkeiten, von Einwegflaschen und Einwegbechern, und davon, dass wir den Müll vor die Tür stellen und damit unsere Verantwortung ablegen. Denn den Preis dafür zahlen Andere, und die werden nicht ewig bereit sein, das zu tun. 15) DW: Chinas Importstopp: Alter Müll, neue Häfen; Artikel vom 05.04.2019 16) DW: Wieso deutsche Plastikmüll eben doch im Meer landet; Artikel vom 24.01.2019 17) WEB.DE: Wie deutscher Plastikmüll in die Ozeane gelangt; Artikel vom 24.01.2020
Fußnoten und Quellen:
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