Ein Pakt mit dem Kapitalismus? UNO und Weltwirtschaftsforum schließen Partnerschaft
Davos: Die globale Elite der Welt versammelte sich in der letzten Woche auf dem 50. Jahrestreffen des Weltwirtschaftforums (Englisch: WEF) in der Schweiz. Vom 21. bis 24. Januar trafen sich 3000 Teilnehmer, unter ihnen die wichtigsten Führungspersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben, um zu diskutieren, zu debattieren und wohl auch, um zusammen reich und mächtig zu sein. Ganz oben auf der Themenliste standen 2020 die eskalierende Erderwärmung und die Fragestellung, wie Unternehmen auf die Risiken des Klimawandels reagieren sollen/können/wollen. Bereits vorab wurde unter anderem dafür eine Partnerschaft mit den Vereinten Nationen geschlossen. Also eine Verbindung zwischen dem Völkerbund und naja, ganz vielen Milliardären?
Das Fundament des WEF bilden 1000 Mitgliedsunternehmen. Sie zahlen einen Jahresbeitrag, der je nach Status zwischen 51.000 und 510.000 Euro liegt, inklusive Teilnahmegebühren für das Treffen in Davos. Das können sich nur die größten, wichtigsten und reichsten Unternehmen der Welt leisten. Als „Strategische Partner“ sind so beispielsweise Allianz, Bank of America, Facebook oder VW gelistet. Gründervater, Veranstalter und Vorstandsvorsitzender ist ein Ravensburger: Klaus Schwab rief das WEF 1971 als gemeinnützige Stiftung ins Leben. Seit 2015 hat das Forum den offiziellen Status einer internationalen Organisation, mit dem (bescheidenen) Ziel: „den Zustand der Welt zu verbessern“. Die Treffen sind Dreh- und Angelpunkt dieses Ziels. Für Kritiker sind sie jedoch eher als Jahresversammlung der Globalisierungsjünger und Profiteure einer Wirtschaft, an der die einen verdienen und von der die anderen vernichtet werden, zu verstehen. Wenn in Davos verhandelt wird, dann üblicherweise hinter verschlossenen Türen. Reden hielten in diesem Jahr Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Donald Trump, UN-Generalsekretär António Guterres, Greta Thunberg und viele weitere. 1) Der Tagesspiegel: Davos 2020: 119 Milliardäre und Politiker – und ein großes Thema; Artikel vom 21.01.2020 2) Frankfurter Allgemeine: Weltwirtschaftsforum: Warum eigentlich gerade Davos?; Artikel vom 23.01.2018 3) Wikipedia: Weltwirtschaftsforum; Stand 24.01.2020
Bereits im vergangenen Juni unterschrieben UN und WEF die Rahmenbedingungen zu ihrer Partnerschaft, ohne die Mitgliedsstaaten im Voraus zu konsultieren oder zu informieren. Aufgeführt ist sie nur auf der Website des WEF. Die Vereinten Nationen selbst äußerten sich nicht. Basierend auf den 17 UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung (Englisch: SDG) der Agenda 2030 aus dem Jahr 2016 soll das WEF in den Bereichen Finanzierung der Agenda, Klimawandel, Gesundheit, Digitale Kooperation, Geschlechtergleichheit und Bildung seinen Beitrag leisten. 4) World Economic Forum: World Economic Forum and UN Sign Strategic Partnership Framework; Veröffentlicht am 13.06.2019 Weitere Bestrebungen der SDG sind die Beendigung von Hunger und Armut. Zielsetzungen also, die nicht zuletzt auch notwendig sind, um der Fluchtbewegung des 21. Jahrhunderts entgegen wirken zu können. Dass das Erreichen dieser Ziele noch immer in weiter Ferne liegt, wird nicht zuletzt maßgeblich von genau den wirtschaftlichen Interessengruppen verschuldet, mit deren Hilfe die UN die SDG nun umsetzen möchte. Dieser Sachverhalt lässt sich beliebig drehen und wenden, er bleibt ein Widerspruch in sich. Die Menschenrechtsorganisation FIAN International, das Transnationale Institute und 240 weitere Organisationen fordern in einem offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres eine Aufkündigung der Kooperation, da sie die in der UN-Charta definierten Ziele gefährdet. Sie fürchten, mit einem derartig exklusiven Zugang könnten Unternehmen die globalen Probleme ganz im Sinne der gewinnbringendsten Lösung ausschlachten. „Eine Lobbyorganisation kann kein gleichberechtigter Partner der Staatengemeinschaft sein“, sagte Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland. „Die 100 größten Konzerne, die für zwei Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, werden nicht radikal umdenken und ihr Geschäftsmodell gefährden. […] Vielmehr ist zu erwarten, dass die Lobbyverbände ein Engagement für nachhaltige Entwicklung vortäuschen und hierdurch bindende Regulierungen verhindern wollen.“ 5) epo.de: Davos: UNO soll Partnerschaft mit Weltwirtschaftsforum beenden; Artikel vom 20.01.2020
Am Donnerstagabend hält Generalsekretär Guterres seine Sonderansprache in Davos. Neben vielen richtigen Dingen spricht er auch das Abkommen zwischen der UN und dem WEF an, spricht von guter, fantastischer und wichtiger Zusammenarbeit. Er spricht von einem Klimanotfall, einem Planeten, der das überleben wird, einer Zivilisation, die das nicht überleben wird. Er spricht von politischen Krisen und fehlendem Vertrauen, davon, dass sieben von zehn Menschen in einem Land leben, in dem soziale Ungleichheit zunehmend wächst. Er spricht von Disfunktionalität, von unfairer Globalisierung. Er dankt dem WEF und spricht von einer Staatengemeinschaft, die in Netzwerken arbeiten und lokale und regionale Autoritäten, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft verstärkt einbinden muss. Er zeichnet das Bild einer Staatengemeinschaft, die Hilfe braucht, weil die Welt so dringend Hilfe braucht, weil Australien brennt und das politische Chaos sich zunehmend verdichtet. Guterres ist ein guter Redner, neben ihm sitzt Børge Brende, Präsident des Weltwirtschaftforums. Brende nickt, er lächelt, er klatscht und lobt zurück. Das Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem WEF stößt so bitter auf, weil der Wirtschaft nicht vertraut wird, nicht vertraut werden kann. Sie ist zu widersprüchlich, zu repetitiv, zu elitär. Unternehmen haben mehr als einmal zu oft bewiesen, dass es unmöglich ist, die wirklich Ambitionierten von den bloßen Grün-Wäschern zu unterscheiden. Die Vorstände von Unternehmen, die zu den größten Co2-Emittenten gehören, prahlen auf der Bühne des WEF, dass die Tage der fossilen Brennstoffe gezählt sind und zu Hause laufen die Förderungen munter weiter. 24 der in Davos anwesenden Banken investieren seit dem Klimaabkommen von Paris 2015 noch immer unglaublich viel Geld in fossile Brennstoffe, insgesamt 1,4 Billionen Dollar. Unser Leben basiert auf der Zerstörung des Lebens Anderer. Die Wirtschaft ist kapitalistisch und bleibt kapitalistisch, auch wenn sie einmal im Jahr zusammen kommt und zumindest teilweise von Nachhaltigkeit und Gleichheit spricht. Es wird zu viel geredet, zu wenig gehandelt und alle machen mit. 6) Blick: WEF 2020: Sonderansprache des UNO-Chefs Antonio Guterres; Veröffentlicht am 23.01.2020
Ja, die UNO braucht Hilfe, weil Australien brennt und das politische Chaos allen über den Kopf wächst. Aber wer sich diese Hilfe beim WEF holt, der geht ein (zu) hohes Risiko ein.
Fußnoten und Quellen:
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