Wie indische PlantagenarbeiterInnen unter menschenunwürdigen Bedingungen für unseren Teekonsum schuften müssen
2014 wurden in Deutschland 18,7 Milliarden Tassen Tee getrunken. Beliebter ist nur Wasser. China und Indien sind dabei Deutschlands Hauptimportländer. Wer sich im Supermarkt jedoch vor dem entsprechenden Regal fragt, wo sein Getränk eigentlich genau herkommt oder wer es von den Sträuchern holt, der kann sich lediglich an wirkungslosen Zertifizierungen orientieren. 1) teebox-kontor: Teewissen; zuletzt aufgerufen am 14.10.2019
Die Entwicklungsorganisation Oxfam beschäftigt sich in einer aktuellen Studie mit den Arbeits- und Lebensbedingungen indischer TeepflückerInnen in Assam. Demnach gehen bei einer Packung Markenschwarztee für drei Euro nur vier Cent an den, der den Tee gepflückt hat. Ein Ungleichgewicht, das für Hungerlöhne sorgt. Mit umgerechnet 1,73 bis 2,15 Euro pro Tag erhalten die ArbeiterInnen nur die Hälfte dessen, was in Assam für ein menschenwürdiges Leben notwendig wäre. 56 Prozent der befragten PlantagenarbeiterInnen sind davon betroffen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Feldern haben mit Menschlichkeit nicht viel zu tun. Die Gesundheitsversorgung ist mangelhaft, Zugang zu Trinkwasser und Sanitäranlagen unzureichend. Die Folge: 45 Prozent der TeepflückerInnen leiden unter Krankheiten wie Gelbsucht, Cholera und Typhus. Hinzu kommt ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu den Plantagenbesitzern. Familien bewohnen oft seit Generationen dasselbe Haus, haben aber keinen Anspruch auf Eigentum. Es liegt in der Verantwortung der Besitzer neben Wohnraum, auch Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen bereit zu stellen. Verliert ein Familienmitglied seinen Job, verliert die dazugehörige Familie alles. Oxfam setzt sich in Zusammenarbeit mit weiteren Hilfs- und Umweltorganisationen für ein Lieferkettengesetz ein. Unternehmen sollen für ihre Schäden an Mensch und Natur gesetzlich zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem sollen konkrete Maßnahmen geschaffen werden, die existenzsichernde Löhne, Geschlechtergerechtigkeit und Transparenz in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sichern. Bisher ist all das freiwillig. Die Lieferketten vieler Unternehmen sind selbst für Interne undurchsichtig. In Assam sollen Zertifizierungen über das fehlende Gesetz hinweg trösten. Die Studie von Oxfam belegt jedoch, dass auch gegen die zertifizierten Plantagen Rechtsvorwürfe erhoben werden können. Ein Lieferkettengesetz steht laut Koalitionsvertrag für 2020 auf der politischen Tagesordnung. 2) Oxfam: Schwarzer Tee, weiße Weste.; Studie vom 10.10.2019 3) Epo: Indien: Oxfam-Studie dokumentiert Ausbeutung auf Teeplantagen; Artikel vom 10.10.2019 4) Initiative Lieferkettengesetz: FAQ; zuletzt aufgerufen am 14.10.2019
Im internationalen Vergleich leisten deutsche Supermarktketten besonders wenig für den Menschenrechtsschutz. Aldi Nord und Süd, Edeka, Kaufland, Lidl und Rewe führen allesamt Assam-Tee als Eigenmarke. Aber auch andere Bereiche sind betroffen. Der Chemie- und Pharmahersteller Bayer verkauft in der EU verbotene Pestizide nach Brasilien. Der Chemiekonzern BASF handelt mit dem Betreiber einer Platin-Mine in Südafrika, obwohl dort Beschäftigte ausgebeutet werden. Der Textildiscounter KIK war Hauptauftraggeber der pakistanischen Textilfabrik, die 2012 ausbrannte. Seit 2005 gelangten 260 Menschenrechtsvorwürfe gegen deutsche Unternehmen an die Öffentlichkeit. Ernsthafte Konsequenzen gab es nie. Auf freiwilliger Basis leisten Unternehmen offensichtlich zu wenig. 5) Frankfurter Rundschau: Lieferkette: Deutsche Konzerne sollen humanitären Pflichten gerecht werden; Artikel vom 11.09.2019 6) Oxfam: Schwarzer Tee, weiße Weste.; Studie vom 10.10.2019
Zusammengefasst: Konsum und Wirtschaft des globalen Nordens sorgen in anderen Teilen der Welt für Ungerechtigkeit und Destabilisierung. Die menschenunwürdigen Bedingungen auf den Teeplantagen in Assam gehen auf die britische Kolonialzeit zurück und sollten in einer modernen Welt nichts mehr zu suchen haben, gedeihen durch die Globalisierung aber prächtig weiter. Letztendlich zwingt all das Menschen in die Flucht. Armut, schlechte Arbeitsbedingungen und Perspektivlosigkeit sind ernstzunehmende Fluchtursachen, die sich kaum getrennt voneinander betrachten lassen. Zu großen Teilen verantwortet durch den ressourcenaufwendigen Lebensstil und die Politik des globalen Nordens. Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sind ungerecht und undurchsichtig. Auf Kosten ärmerer wird die Produktion einfacher und billiger und unsere Preise tief gehalten. 7) Bundjugend: Flucht & Migration; zuletzt aufgerufen am 14.10.2019
Weltweit leiden rund 700 Millionen Menschen unter extremer Armut. Selbst wer „genug zum Überleben“ hat, führt noch lange keine menschenwürdige Existenz. Ausreichender Zugang zu gesunder Ernährung, sauberem Wasser oder sanitären Einrichtungen, medizinischer Versorgung, guten Arbeitsbedingungen oder Bildung sind Grundrechte, auf die sich viele nicht verlassen können. In den letzten fünf Jahren hat sich das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung fast halbiert. Die Reichen werden hingegen immer reicher. Die acht vermögendsten Menschen der Welt besitzen so viel wie die ärmsten 50 Prozent. Das sind 3,6 Milliarden Menschen. Wenn das Allernötigste fehlt, dann reicht der Besitz meist nicht einmal zur Flucht. Solche Familien leben von der Auswanderung einzelner Angehöriger, die ihren Lohn in die Heimat schicken. 8) medico international: Fluchtursache: Perspektivlosigkeit und Armut; Artikel vom 24.01.2019
Fußnoten und Quellen:
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