Wie der Onlinehandel das Klima beeinflusst
Im Sommer 2018 schockierte ein Skandal Öffentlichkeit und Politik. Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ und die „WirtschaftsWoche“ berichteten, dass der Onlinehändler Amazon massenweise seine Retouren schredderte. 1)presseportal, ZDF-Magazin „Frontal 21“: Amazon vernichtet massenhaft Retouren und neuwertige Produkte – Umweltministerium: „Riesengroßer Skandal – Amazon muss Vorwürfe aufklären“, Artikel nicht mehr verfügbar Voll funktionsfähige, teilweise sogar neue Produkte, ob nun Kühlschränke, Winterjacken oder Kinderturnschuhe, wurden laut Mitarbeitern mit der Versandmethode „Destroy“ gekennzeichnet und einfach vernichtet, bevor sie im Müll landeten. 2)stern.de, Das passiert mit meinen Retouren – Innenansichten eines irrwitzigen Systems, Artikel vom 11.09.2019 3)presseportal, ZDF-Magazin „Frontal 21“: Amazon vernichtet massenhaft Retouren und neuwertige Produkte Umweltministerium: „Riesengroßer Skandal – Amazon muss Vorwürfe aufklären“, Artikel nicht mehr verfügbar Im Zuge der Recherchen verschiedener Magazine zeigte sich, dass es sich dabei um kein Einzelphänomen handelte. Auch andere Online-Unternehmen zeigen einen ähnlichen Umgang mit retourierten Produkten. Die Vorstellung, dass Ressourcen auf diese Weise indirekt so schamlos verschwendet werden und dadurch CO2 praktisch ohne Grund ausgestoßen wird, empörte viele Konsumentinnen und Konsumenten.
Doch das Thema verschwand wieder in der Versenkung, als bekannt wurde, dass die prozentuale Menge der geschredderten Produkte nicht so hoch war, wie ursprünglich erwartet. Laut einer einer Erhebung der Bamberger Universität werden nicht einmal 3,9 Prozent der retourierten Waren vernichtet. 4)retourentacho.de, Retourentacho 2018/2019 ausgewertet, Pressemitteilung vom 26.04.2019 Das mag auf dem ersten Blick nicht nach viel klingen, doch bei 280 Millionen retourierten Paketen jährlich, bedeutet das, dass ca. 11 Millionen Pakete pro Jahr im Müll landen. Von den restlichen 269 Millionen zurückgeschickten Paketen werden 221 Millionen direkt als A-Ware und 36,4 Millionen beispielsweise in Outlets oder Resterampen als B-Ware verkauft. Der Rest verteilt sich auf den Verkauf an industrielle Verwerter und 2,5 Millionen Pakete, also weniger als ein Prozent, wird gespendet. 5)spiegel.de, Die Retourenrepublik, Artikel vom 12.06.2019 Die Gründe für die geringe Spendenfreudigkeit der Unternehmen sind vielfältig. So geht es unter anderem um Steuerersparnisse. Sachspenden gelten als Umsatz und werden deshalb auch wie dieser besteuert. Außerdem befürchten einige Händler, dass sie sich durch das Spenden der Produkte ihren eigenen Markt kaputt machen könnten. 6)spiegel.de, Die Retourenrepublik, Artikel vom 12.06.2019 7)tagesschau.de, Per Gesetz gegen Retourenvernichtung, Artikel vom 09.10.2019
Das Fernabsatzgesetz sieht vor, dass Käufer bestellte Ware innerhalb von 14 Tagen an Onlineshops auf deren Kosten zurücksenden können. 8)spiegel.de, Die Retourenrepublik, Artikel vom 12.06.2019 Und von diesem Recht machen Kunden in hohem Maße Gebrauch. So werden pro Minute in Deutschland 523 Pakete zurückgeschickt. Aus diesem Grunde werden die Rufe laut, die Zerstörung der Retouren gesetzlich zu reglementieren. 9)süddeutsche.de, Grüne fordern Verbot, Retouren wegzuschmeißen, Artikel vom 11.06.2019
„Wir erleben eine Perversion der Wegwerfgesellschaft“, kommentierte die Grünen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt diese Enthüllungen im vergangenen Sommer und forderte ein Vernichtungsverbot von zurückgeschickter Ware. Weitere Vorschläge wären die Einführung eines verpflichtenden Zeitrahmens, für den jedes Produkt eine Garantie haben solle, oder dass man sowohl das Spenden der Produkte als auch die Reparatur steuerlich bevorteilen solle. 10)süddeutsche.de, Was es mit der Vernichtung von Retouren auf sich hat, Artikel vom 12.06.2019 „Ich werde noch diesen Monat ein Gesetz vorlegen, das den Händlern sehr klar vorschreibt, wie mit den Retouren umzugehen ist. Ich will, dass das entweder gespendet oder eben auch wieder verkauft wird. Es kann jedenfalls nicht sein, dass das einfach vernichtet wird“, kündigte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) im vergangenen Juni im ARD-Hauptstadtstudio an. 11)tagesschau.de, Per Gesetz gegen Retourenvernichtung, Artikel vom 09.10.2019
Eine gesetzliche Regelung mag ein guter Anfang sein. Doch ob diese ausreicht, ist fraglich. Denn oft werden Produkte vernichtet, die sich tatsächlich weder zum Weiterverkauf noch zum Spenden eignen. Lebensmittel und Körperpflegeprodukte müssen alleine aus hygienischen Gründen vernichtet werden. 12)tagesspiegel.de, Welche Retouren werden am häufigsten vernichtet, Artikel vom 11.06.2019 Was wirklich wichtig wäre, wäre eine Änderung im Kaufverhalten der Konsumenten. Allein der CO2 – Ausstoß durch Retouren beträgt jährlich 238.000 Tonnen. Das ist so viel wie 2200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau täglich. 13)spiegel.de, Die Retourenrepublik, Artikel vom 12.06.2019 In Deutschland wird jede sechste Bestellung zurückgeschickt, bei Kleidung sogar fast jede zweite. Vielleicht macht es doch mehr Sinn, das Kleidungsstück im Laden vor dem Kauf anzuprobieren, statt es sich in drei verschiedenen Größen schicken zu lassen, von denen im besten Fall wieder zwei Stück retour gehen, im schlimmsten Fall sogar alle drei, weil das Produkt auf dem Foto ganz anders aussah, als in Wirklichkeit. 14)infranken, Studie der Universität Bamberg: Deutsche schicken jede sechste Bestellung zurück – das sind die Gründe, Artikel vom 29.94.2019
Aktionen wie „Black Friday“, an denen Produkte zu Niedrigpreisen verkauft werden und die Konsumenten dazu veranlassen, Konsumgüter zu kaufen, die sie gar nicht benötigen, verstärken die ganze Problematik noch. Viola Wohlgemut, Sprecherin von Greenpeace, bringt das ganze auf den Punkt: „Unser Konsum vernichtet immer mehr Ressourcen und heizt die Klimakrise an. Verbraucher sollten sich bewusst sein, dass jedes einzelne Paket Folgen für die Umwelt hat.“ Folgen, die direkten Einfluss auf das Klima und damit auch auf die Lebensbedingungen von Millionen Menschen haben, die durch den Klimawandel ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. 15)greenpeace.de, Nicht nur am „Black Friday“: Bestellen für den Müll, Presseerklärung vom 16.11.2018
Ein weiterer wichtiger Schritt wäre also, uns häufiger unsere Mitverantwortung für den Klimawandel bewusst zu machen, denn wir können mit jeder Kaufentscheidung unseren CO2-Fußabdruck beeinflussen.
Fußnoten und Quellen:
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