Tiefseebergbau: Rohstoff-Förderung im Ozean könnte katastrophale Folgen für Mensch und Natur haben
Ozeane bedecken knapp 70 Prozent der Erdoberfläche und bilden somit das größte Ökosystem unseres Planeten. Sie sind für den Fortbestand der Erde, so wie wir sie kennen, von zentraler Bedeutung und bieten uns und allen anderen Lebewesen unzählige Vorteile. Ozeane produzieren zum Beispiel mehr als die Hälfte des verfügbaren Sauerstoffs und absorbieren 50-mal mehr Kohlendioxid als unsere Atmosphäre. Des Weiteren versorgen sie uns mit einer Vielzahl von Nahrungsmitteln und Bestandteilen für viele andere Produkte. Unser Klima, unser Wasser, die Luft, die wir atmen, und ein großer Teil unserer Nahrung werden letztlich vom Meer bereitgestellt und reguliert. Obwohl eine Zerstörung dieses Ökosystems uns unweigerlich selbst schadet, werden die Ozeane durch menschliches Eingreifen immer weiter beeinträchtigt. 1) National Ocean Service: Why should we care about the ocean?; Stand vom 08.07.2019 2) United Nations Sustainable Development Goals: Goal 14: Conserve and sustainably use the oceans, seas and marine resources; Stand vom 08.07.2019
Aktuell bahnt sich eine weitere menschengemachte Bedrohung für unsere Ozeane an. In der Tiefsee, dem bislang am geringsten erforschten Teil unseres Planeten, wurden große Vorkommen von metallischen Rohstoffen wie unter anderem Kupfer, Kobalt, Lithium und Nickel entdeckt. Diese Metalle haben vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und werden zum Beispiel auch in der Herstellung von Handys oder Elektrobatterien verwendet. Während die Nachfrage der Industriestaaten nach diesen Stoffen laufend steigt, werden die Reserven an Land immer knapper. Die Entdeckung von großen Lagerstätten im Meeresboden hat einen regelrechten Wettstreit zwischen zahlreichen Ländern ausgelöst, welche sich einen möglichst großen Teil der Vorkommen sichern möchten. Zwar hat die kommerzielle Förderung noch nicht begonnen, doch die Erkundung von vielversprechenden Gebieten ist bereits im Gange. 3) Planet Wissen: Tiere der Tiefsee; Stand vom 08.07.2019 4) Umwelt Bundesamt: Tiefseebergbau; Artikel vom 08.04.2019 5) Süddeutsche Zeitung: Kahlschlag im Ozean; Artikel vom 17.07.2018 6) epo: Greenpeace-Report Tiefseebergbau bedroht marine Ökosysteme; Artikel vom 03.07.2019Eine wachsende Anzahl von Aktivisten und Wissenschaftlern warnt, dass der Abbau dieser Metallvorkommen katastrophale Folgen für die Umwelt als auch für den Menschen haben wird. Für die Förderung werden lastwagengroße Maschinen den Meeresboden umgraben, um so an metallhaltiges Material zu gelangen. Bei diesem Prozess werden zusammen mit den Gesteinsschichten auch all seine Bewohner mit abgetragen. Auch die dabei freigesetzten Staubwolken und Metallpartikel können zur tödlichen Gefahr für zahlreiche Lebewesen in einem riesigen Umkreis werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass Öle und andere giftige Stoffe von den Maschinen ins Meer gelangen, wo sie ebenfalls langfristig Schaden anrichten. 7) Umwelt Bundesamt: Tiefseebergbau; Artikel vom 08.04.2019 8) Süddeutsche Zeitung: Kahlschlag im Ozean; Artikel vom 17.07.2018 9) epo: Greenpeace-Report Tiefseebergbau bedroht marine Ökosysteme; Artikel vom 03.07.2019 10) The Guardian: Deep-sea mining to turn oceans into ‘new industrial frontier’; Artikel vom 03.07.2019
Zwar erscheint die Tiefsee vielen von uns karg und unbewohnbar, doch dieser Eindruck täuscht. Bis jetzt wurden circa 200 000 verschiedene Arten von Meeresbewohnern im und auf dem Tiefseeboden entdeckt, wobei vermutet wird, dass Millionen weitere noch nicht identifiziert wurden. Diese Lebewesen stellen ein wichtiges Glied der Nahrungskette dar und ihre Zerstörung hätte negative Auswirkungen auf andere Lebewesen und könnte zum Beispiel auch Fischbestände beeinträchtigen. Dies wiederum würde dazu führen, dass viele Küstenbewohner ihre Lebensgrundlage verlieren und in die Armut getrieben werden. Inselbewohner in der Nähe von Australien berichteten bereits von der Störung ihrer Fischgründe durch Maschinen, welche die möglichen Metall-Lagerstätten lediglich erkunden. Eine aktive Förderung, wie sie von vielen Staaten angestrebt wird, wäre um ein Vielfaches verheerender und könnte das sensible Ökosystem der Ozeane aus dem Gleichgewicht bringen. Die in der Tiefsee beheimateten Arten sind einzigartig, weitestgehend unerforscht und nirgendwo anders auf unserem Planeten zu finden. Der Bergbau am Meeresboden könnte unzählige Arten mit einem Schlag vernichten, bevor deren Bedeutung für unseren Planeten überhaupt erforscht wurde. 11) The Guardian: Deep-sea mining possibly as damaging as land mining, lawyers say; Artikel vom 18.04.2018 12) Planet Wissen: Tiere der Tiefsee; Stand vom 08.07.2019 13) GreenBiz: Seabed mining can decide the fate of the deep ocean; Artikel vom 28.09.2017 Befürworter des Tiefsee-Bergbaus behaupten, dass Umweltauswirkungen begrenzt werden könnten, wenn Abbaufelder mit großer Distanz zueinander angelegt werden. Dadurch könnte mit der Zeit eine Rückbesiedelung der betroffenen Gebiete stattfinden. Doch Forschungsprojekte zeigen, dass die Realität anders aussieht. Bereits 1989 wurde von deutschen Forschern ein Stück Meeresgrund in der Nähe von Ecuador umgepflügt, um die Regenerationsfähigkeiten der Gebiete zu testen. Das Ergebnis war ernüchternd: Als die Forscher nach knapp 25 Jahren an die umgegrabene Stelle zurückkehrten, hatte sich kaum etwas verändert. Die Spuren des Pfluges waren noch deutlich zu erkennen und nur ein Teil der Arten, die dort damals gelebt hatten, war zurückgekehrt. Aktiver Tiefseebergbau, welcher jährlich hunderte Quadratkilometer Meeresboden abtragen könnte, würde fragile Ökosysteme somit langfristig schädigen und die Tiefsee unbewohnbar machen. Die Schäden, welche der Bergbau bereits an Land anrichtet, sind überall auf der Welt sichtbar. Wollen wir wirklich, dass diese Zerstörung nun auf den Meeresboden ausgeweitet wird? 14) Süddeutsche Zeitung: Raubbau in der Tiefsee; Artikel vom 27.03.2016 15) Science: Managing mining of the deep seabed; Veröffentlicht am 10.07.2015Bergbau-Konzerne argumentieren häufig, dass die Rohstoffe aus der Tiefsee, welche auch für die Produktion von Elektrobatterien und Solarzellen benötigt werden, einen Umstieg auf erneuerbare Energien unterstützen würden und so den Klimawandel eindämmen könnten. Doch genauso wie an Land, sind auch die Ressourcen in der Tiefsee äußerst begrenzt und würden das eigentliche Problem, nämlich unseren exzessiven Konsum und die damit verbundene Abhängigkeit von begrenzten Rohstoffen, nur verdrängen. Stattdessen sollten wir unsere Bemühungen auf die Änderung unseres Konsumverhaltens und auf die Wiederverwertung von bereits gefördertem Material richten – weg von der „Wegwerfwirtschaft“ und der endlosen Ausbeutung von Ressourcen. Hinzu kommt, dass der Tiefseebergbau den Klimawandel zusätzlich verschlimmern könnte, da dabei kohlenstoffspeichernde Sedimente und hydrothermale Tiefseequellen (sogenannte „Raucher“) zersetzt werden könnten. So würde vermehrt Kohlenstoff freigesetzt werden, welcher den Klimawandel weiter antreibt. Der Klimawandel selbst stellt aktuell eine der größten Herausforderungen für die Menschheit dar und wird vor allem in Zukunft verstärkt der Auslöser für zahlreiche Konflikte und humanitäre Katastrophen weltweit sein. Durch den Klimawandel verschlechtern sich vor allem in ärmeren Regionen der Welt die Lebensbedingungen, was wiederum viele Menschen zur Flucht treibt. Laut Schätzungen der Organisation Greenpeace drohen allein in den nächsten 30 Jahren mindestens 200 Millionen Klimaflüchtlinge. 16) Greenpeace: In Deep Water; Artikel vom 03.07.2019 17) The Guardian: Deep-sea mining possibly as damaging as land mining, lawyers say; Artikel vom 18.04.2018 18) GRID Arendal: Oceanic Blue Carbon; Veröffentlicht am 23.10.2018 19) Greenpeace: 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis 2040; Veröffentlicht am 14.10.2014
Obwohl die möglichen Folgen des Tiefseebergbaus uns alle betreffen würden, entscheidet hauptsächlich der Rat einer einzigen internationalen Organisation über den Umgang mit den marinen Ressourcen. Die von den Vereinten Nationen gegründete Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) soll den Tiefseebergbau ermöglichen und die Förderung regulieren. Aktuell erteilt die Behörde lediglich sogenannte Erkundungslizenzen, welche Konzerne zur Erforschung von vielversprechenden Abbaugebieten befähigen. Der Prozess der Lizenzvergabe geschieht praktisch hinter verschlossenen Türen und auch die Daten, welche die Bergbau-Konzerne beim Erkunden der Tiefsee sammeln, gelangen nicht an die Öffentlichkeit. Obwohl aktuell noch völlig unklar ist, welche langfristigen Auswirkungen der Bergbau am Meeresboden haben könnte und auch noch so gut wie keine durchsetzbaren Umweltvorschriften für die Förderung existieren, vergibt die ISA weiter Lizenzen an dutzende Konzerne. Diese präsentieren bereits ihre zukünftigen Abbau-Roboter und fordern von der ISA, dass die Förderung „nicht übermäßig durchreguliert sein sollte“, damit möglichst schnell mit der Ausbeutung der Tiefsee-Ressourcen begonnen werden kann. Abgesehen von den Umweltvorschriften ist auch weiterhin unklar, wie die Einnahmen aus dem Abbau der wertvollen Metalle verteilt werden sollen und wer im Falle eines Unfalls für die dabei verursachten Umweltschäden Verantwortung übernehmen wird. Sollte der Tiefseebergbau auch nur ansatzweise dem an Land ähneln, wird er vor allem von Umweltzerstörung, Ausbeutung und Profitgier seitens der Bergbau-Konzerne geprägt sein. 20) BGR: Seerecht; nicht mehr verfügbar 21) ESKP: Regeln für den Abbau: Die Verfassung der Meere und die Internationale Meeresbodenbehörde IMB; Stand vom 08.07.2019 22) The Guardian: In too deep: why the seabed should be off-limits to mining companies; Artikel vom 03.07.2019 23) GreenBiz: Seabed mining can decide the fate of the deep ocean; Artikel vom 28.09.2017
Fußnoten und Quellen:
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