Bundesnachrichtendienst mutmaßlich an illegalen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete beteiligt
Der ARD-Journalist und Autor Rainer Kahrs und sein Team recherchieren bereits seit einigen Jahren Waffengeschäfte deutscher Reedereien, als ihnen brisante Unterlagen zugespielt werden. Diese sollen belegen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) ohne das Wissen deutscher Kontrollgremien in Waffentransporte in Krisengebiete verstrickt war. Konkret erwähnt wird in diesem Zusammenhang ein deutsches Unternehmen, die mittlerweile insolvente Reederei Beluga, welche ihre Schiffe für Schwertransporte weltweit vercharterte. Ein BND-Mitarbeiter unter dem Decknamen Hollmann soll Beluga jahrelang aktiv bei Waffentransporten beraten haben. Er fungierte einerseits als „Genehmigungsstelle“ für die Reederei, welche sich bei fragwürdigen Waffen-Aufträgen bei Hollmann absicherte. Darüber hinaus soll er Beluga Tipps gegeben haben, wie Waffentransporte in Kriegsgebiete durchgeführt werden können und wie die Reederei dabei Strafverfolgung vermeiden kann. 1) TAZ: Deutsche Waffen, Bremer Geld; Artikel vom 12.03.2019 2) Das Erste: Waffen an Unrechtsregime – Die dubiose Rolle des BND; Artikel vom 30.04.2015
Im Jahr 2009 nahm Beluga so unter anderem einen Transport-Auftrag nach Myanmar an. Zu diesem Zeitpunkt existierte ein EU- Embargo gegen das Land in Südost-Asien. Myanmars unrechtmäßige Militär-Regierung unterdrückte damals jegliche Proteste der Opposition und ging brutal gegen Demonstranten und ethnische Minderheiten vor. Dennoch lieferte Beluga 16 Panzer an das Regime. Um das EU-Embargo zu umgehen, fuhr das Beluga-Schiff nicht unter deutscher Flagge und wickelte den Transport über einen abgeschotteten Hafen in der Ukraine ab. Laut des Magazins Monitor empfahl der BND-Mitarbeiter Hollmann der Reederei dieses Vorgehen. Die Ukraine bestätigt die Lieferung. Auch bei Waffenlieferungen in den Kongo sah der BND-Mann keine Probleme. Darüber hinaus lieferte Beluga Waffen an den Sudan, in welchem lange Zeit ein blutiger Bürgerkrieg tobte. Der damalige Präsident des Sudans Omar al-Baschir wird seit 2009 vom Internationalen Gerichtshof gesucht – unter anderem für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid. Bis heute stellen der Nord- und Südsudan einen der schlimmsten Krisenherde weltweit dar, welcher jedes Jahr hunderttausende Menschen zur Flucht treibt. Man kann somit davon ausgehen, dass die Waffen, welche die deutsche Reederei mit BND-Kenntnis an Regimes in Krisengebiete transportierte, in etlichen blutigen Konflikten eingesetzt wurden und so zur weiteren Destabilisierung der jeweiligen Regionen beitrugen. Erschwerend hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Waffenlieferungen an die Regierung und an die Rebellen im Sudan unter anderem auch Bundeswehr-Soldaten im Zuge einer Friedensmission dort stationiert waren. Es steht offen, ob diese durch die Waffentransporte zusätzlich in Gefahr gebracht wurden. 3) Freedom House: Burma – Freedom in the World 2010; nicht mehr verfügbar 4) BBC: Overview of Burma sanctions; Artikel vom 18.12.2009 5) Süddeutsche Zeitung: BND-Mitarbeiter soll Waffenschiebern geholfen haben; Artikel vom 30.04.2015 6) Das Erste: Waffen an Unrechtsregime – Die dubiose Rolle des BND; Artikel vom 30.04.2015 7) TAZ: Flüchtlingspolitik im Sudan – Störenfriede oder wirtschaftliche Stütze?; Artikel vom 12.12.2016 8) Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Weltweit höchste Flüchtlingszahlen seit dem Zweiten Weltkrieg; Stand vom 16.07.2019 9) Bundeswehr: Sudan – UNMIS (United Nations Mission in Sudan; nicht mehr verfügbar
Der ehemalige Geschäftsführer der insolventen Reederei Beluga, Niels Stolberg, behauptet, sein Unternehmen sei niemals wissentlich in illegale Waffengeschäfte verwickelt gewesen. Er habe sich auf die Bestätigungen des BND-Mannes verlassen und sei somit nur den Hinweisen des Geheimdienstes gefolgt. Zu Hollmann selbst, den Stolberg mehrmals persönlich traf und dessen wahre Identität bis heute unbekannt ist, will er keine Angaben machen. Ermittlungen im Zusammenhang mit den Waffentransporten, welche die Staatsanwaltschaft Bremen bereits 2015 gegen Hollmann aufnahm, verliefen ergebnislos – auch weil der BND sich weigerte, mit den Ermittlern zu kooperieren und keinerlei Informationen zur Person Hollmanns preisgeben wollte. Bis heute verweigert der Geheimdienst jegliche Auskunft im Bezug auf dessen Beteiligung an den aufgedeckten Waffengeschäften. Auch das Bundeskanzleramt, die direkte Aufsichtsbehörde des BND, äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Die vom Geheimdienst durchgewunkenen Waffentransporte in Kriegsgebiete widersprechen der in der Öffentlichkeit präsentierten Haltung der deutschen Bundesregierung sowie den verhängten Waffen-Embargos. Die Kontrollgremien des Deutschen Bundestages wurden von den dubiosen Waffen-Lieferungen mit BND-Beteiligung nicht unterrichtet und erfuhren erst im Zuge der Recherchearbeit des ARD-Teams davon. 10) Das Erste: Video: Die Story im Ersten: Die Akte BND (1); nicht mehr verfügbar 11) Süddeutsche Zeitung: BND-Mitarbeiter soll Waffenschiebern geholfen haben; Artikel vom 30.04.2015 12) Das Erste: Waffen an Unrechtsregime – Die dubiose Rolle des BND; Artikel vom 30.04.2015
Im April dieses Jahres stellte die Fraktion Die Linke eine sogenannte Kleine Anfrage an die deutsche Bundesregierung, in welcher sie um Aufklärung bezüglich der möglichen Beteiligung des BND an Waffenexporten bat. Die Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema fiel äußerst dürftig aus. Etliche Fragen blieben in der Mitteilung völlig unbeantwortet, während bei zahlreichen anderen Punkten die Antwort als Verschlussache eingestuft wurde – das heißt, sie kann nicht öffentlich erfolgen. Es bleibt somit weiterhin unklar, wie umfangreich der BND tatsächlich in Waffentransporte involviert ist und welche Rolle er konkret bei der Belieferung von Unrechtsregimen durch die Beluga-Reederei spielte. Eine Antwort lieferte die Bundesregierung jedoch: Nein, sie habe zu den aktuellsten Enthüllungen durch das ARD-Team keinen Bericht beim BND angefordert. Der Wunsch nach einer möglichst schnellen Aufklärung der Affäre oder gar der öffentlichen Diskussion der Vorwürfe scheint bei der Bundesregierung somit nicht zu bestehen. Darüber hinaus erklärte sie in der Antwort, dass der BND „zur Aufklärung von Rüstungstransporten“ zwar Kontakte im maritimen Bereich unterhalte, jedoch keine rechtliche Beratung von Reedereien bestehe und auch keine Waffenlieferungen in Krisenregionen unterstützt würden. Diese offizielle Haltung widerspricht eindeutig der durch über 400 E-Mails dokumentierten, engen Beziehung zwischen der Reederei Beluga und dem BND-Mitarbeiter Hollmann. Hat dieser auf direkte Anweisung des Geheimdienstes gehandelt? Geheimdienstexperten wie der deutsche Autor Erich Schmidt-Eenboom sagen ja, und sprechen in diesem Fall sogar von einer „Operation“ des BND, um die Realisierung der Waffenexporte aktiv zu fördern. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, und Waffen mit BND-Unterstützung in Kriegsgebiete transportiert worden sein, muss eine umfangreiche Untersuchung der Vorfälle stattfinden. 13) Deutscher Bundestag: Drucksache 19/10141; Stand vom 16.07.2019 14) Dr. André Hahn: Bundesregierung verhindert Aufklärung über BND-Beteiligung an Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisenregionen; Veröffentlicht am 28.05.2019
Fußnoten und Quellen:
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