Monsanto und das große Bienensterben: So haben Kleinbauern aus dem Globalen Süden unter der Situation zu leiden
Seit mindestens 12.000 Jahren – so alt ist nämlich eine entsprechende Felszeichnung in den „Cuevas de Araña“ bei Valencia – wertschätzen die Menschen den Nutzen der Bienen in vielerlei Hinsicht. Der geschichtliche Faden der Kultivierung von Produkten von Bienen spannt sich von Mesopotamien über das Alte Ägypten bis ins antike Griechenland und Rom. Als „Speise der Götter“ priesen 3000 v. Chr. die Ägypter den Bienenhonig an und sahen in dem klebrigen Saft eine „Quelle der Unsterblichkeit“. Der griechische Arzt Hippokrates verwendete ihn 400 v. Chr. als Wundermittel zur Behandlung von kleinen und größeren Zipperlein. Bei Augenkrankheiten, Magenverstimmung, Gallenerkrankungen, Menstruationsstörungen und Zahnschmerzen setzte man gerne auf Honigkuren und auch zur Desinfektion und Heilung von Wunden machte man sich die lindernde Wirkung des Mittelchens zu Nutze. Als Tee oder Salbe erfreuten sich Bienenprodukte wie Honig und Propolis bei den Kelten und Germanen höchster Beliebtheit. Und die Germanen und etwas später auch die Slawen schworen bei Festen auf die berauschende Wirkung von dem aus vergorenem Honig hergestellten Met. 1) Gesundmed.de: Honig – Die Speise der Götter; Beitrag vom Juli 2017 2) raum & zeit: Das stille Sterben. Warum geben die Bienen nach 40 Millionen Jahren auf?; Veröffentlichung von 2007 3) Wikipedia: Cuevas de la Araña; Stand: 24.5.2019 4) Wikipedia: Imker; Stand: 24.5.2019
Seit einigen Jahren jedoch steht es bekanntlich nicht so gut um die Bienen. Laut „Fairtrade Deutschland“ ist die Bienenpopulation in den letzten Jahren in Europa um 10 Prozent, in den USA um 30 Prozent und im Nahen Osten sogar um 85 Prozent zurückgegangen. Andere Quellen sprechen sogar von einem 30-prozentigen Rückgang in Deutschland – Tendenz rapide steigend – und davon, dass in den USA, vor allem in den Nordstaaten und Texas sowie an der Ost- und Westküste, zwischen 60 und 80 Prozent der Bienenvölker nicht mehr in ihre Stöcke zurückgekehrt seien! „Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“ – dieses Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben und stellt in jedem Fall einen Verweis auf die Fragilität unseres Ökosystems und die Interkonnektivität in Bezug auf den Menschen dar. Eine enorm vielfältige Vegetation von 200.000 Arten verschiedenster Blütenpflanzen wächst heute auf der Erde – etwa 85 Prozent davon werden hauptsächlich durch die Biene bestäubt! Allein in Europa spricht man von etwa 150 Nutzpflanzen, deren Bestäubung durch die Biene erfolgt: Bedenkt man, dass dies Obstbäume wie Apfel, Birne oder Kirsche sowie Gemüse wie Tomate, Gurke oder Kürbis betrifft, wird klar, dass die Biene eines der wichtigsten Nutztiere für den Menschen ist. 5) raum & zeit: Das stille Sterben. Warum geben die Bienen nach 40 Millionen Jahren auf?; Veröffentlichung von 2007 6) epo.de: Fairer Handel. Bienensterben bedroht Existenz von Kleinbauern; Veröffentlichung vom 20.5.2019 7) raum & zeit: Das große Bienensterben. Politik deckt Chemie-Industrie; Veröffentlichung von 2011
Doch das Bienensterben betrifft nicht nur den Globalen Norden – auch im Globalen Süden haben insbesondere Kleinbauern enorm unter der Situation zu leiden. Begeben wir uns nach Tunesien. In Cap Bon, einige Kilometer östlich von Tunis, glitzert der Ozean in allen Schattierungen von tiefem Dunkelblau bis Azur und schmiegt sich an ruhigen Tagen an die steinigen Ausläufer der Küste. Eine sanfte Brise weht vom Meer herüber und aus der hellbraunen sandig-felsigen Landschaft erhebt sich eine Vegetation in rauhem bis kräftigem Grün, die von urbarem, landwirtschaftlich nutzbarem Boden zeugt. In diesen paradiesisch anmutenden Gefilden haben sich Anni und Ezzedine Attia niedergelassen. Anni ist Deutsche und stammt aus dem Allgäu. Ezzedine ist Tunesier und hat Anfang der 80er Jahre das Handwerk der Bienenzucht in Kaufbeuren erlernt, bevor er mit seiner Frau wieder nach Tunesien zog und dort auf 100 Hektar Fläche eine Farm aufbaute. 165.000 Eukalyptusbäume hat er auf seinem Boden gepflanzt; 160 Sorten verwendete er dafür, so dass zwischen Frühjahr und Spätherbst stets eine andere Art in der Blüte steht. Zwischen den Baumreihen gedeihen Rosmarin und Thymian sowie eine bunte Vielfalt aus verschiedenen Wildblumen, die gerne von Bienen und Schmetterlingen angeflogen werden. Mit 500 Bienenvölkern erwirtschaftete er noch vor dem großen Bienensterben einen durchschnittlichen Ertrag von 11 Tonnen Honig pro Jahr. Sein Betrieb ist vorbildlich organisiert, über die Blüte der Bäume und Pflanzen sowie über den Bienenflug wird genauestens Buch geführt. Aufgrund dieser Pionierarbeit wurde er sogar durch den damaligen tunesischen Präsidenten Sidi Zine Abedine Ben Ali mit einem Verdienstorden ausgezeichnet. 2006 schließlich betrug die Ernte nur noch zwei Tonnen Honig! 400 seiner selbst gebauten Bienenstöcke stehen heute leer. 8) raum & zeit: Das stille Sterben. Warum geben die Bienen nach 40 Millionen Jahren auf?; Veröffentlichung von 2007 9) Wikipedia: Kap Bon; Stand: 24.5.2019
Was war passiert? Begeben wir uns auf Spurensuche nach den Gründen für das Verschwinden so vieler Bienen. Dabei geraten immer wieder die in der modernen, globalisierten Landwirtschaft verwendeten Pestizide in den Fokus. Richten wir dazu einmal unseren Blick stellvertretend auf das Herbizid Glyphosat. Denn eine neue Studie aus den USA bringt das Bienensterben in direkten Zusammenhang mit dem umstrittenen Unkrautbekämpfungsmittel. So haben die Wissenschaftler von der „University of Texas“ nachgewiesen, dass der Wirkstoff aus dem Hause Monsanto-Bayer die nützlichen Mikroorganismen im Darm der Bienen schädigt oder sogar abtötet. „Ohne Glyphosat“, so hält der Großkonzern dagegen, „wäre die Unkrautbekämpfung schwieriger und weniger nachhaltig“. – „Wer für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist, müsste sich für Glyphosat einsetzen, anstatt den Ausstieg zu fordern“, hält man in Leverkusen unbeirrt an seinem Credo der Bedenkenlosigkeit hinsichtlich des Pestizids fest. Die Fakten jedoch scheinen eine andere Sprache zu sprechen: Demnach, so die texanischen Wissenschaftler, würde Glyphosat ein wichtiges Enzym (5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase EPSPS) in acht verschiedenen, für die Bienen überlebenswichtigen Bakterienarten blockieren. Die auf diese Weise gestörte Darmflora der summenden Insekten führt zu einem deutlich geschwächten Immunsystem. Und da verhält es sich bei den kleinen Tierchen nicht anders als beim Menschen: Ab einem gewissen Grad ist die Überlebensfähigkeit des Organismus nicht mehr gegeben. 10) Rettet den Regenwald e.V.: Studie: Glyphosat Ursache für Bienensterben; Veröffentlichung vom 25.9.2018 11) Bayer AG: Stellungnahme von Bayer zu den Behauptungen rund um Glyphosat; Stand: 24.5.2019
Was ist also zu tun im Kampf gegen das große Bienensterben? Einen möglichen Lösungsansatz liefert Erick Motto, Mitautor der aufsehenerregenden Studie aus Texas: „Wir brauchen bessere Richtlinien für die Verwendung von Glyphosat, insbesondere im Hinblick auf die Bienenexposition, denn derzeit gehen die Richtlinien davon aus, dass Bienen durch das Herbizid nicht geschädigt werden“, sagt der Forschungskoordinator. „Unsere Studie zeigt, dass das nicht stimmt.“ Jedwede erste Schritte in solcherlei Richtung würden sicherlich auch die Kleinbauern vom Cap Bon mehr als begrüßen. 12) Netzfrauen: Studie: Glyphosat ist Bienenkiller – Tschechien will Glyphosat verbieten!; Artikel vom 26.9.2018 13) Cosmos Magazine: Glyphosate linked to bee deaths; Artikel vom 25.9.2018
Fußnoten und Quellen:
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