Ende von Omar al-Bashir im Sudan – Internationale Gemeinschaft trägt Mitverantwortung an Verbrechen des Despoten
Der Sudan steht womöglich vor einem massiven Umbruch. Vor knapp 2 Wochen verkündete die Armee des Staates am Roten Meer, dass der seit knapp 30 Jahren herrschende umstrittene Staatschef, Omar al-Bashir, zurückgetreten sei und nun unter Hausarrest stehe. Vorübergehend werde das Militär die Geschicke des Landes leiten, so Verteidigungsminister, Ahmed Awad Ibn Auf, bis in zwei Jahren eine zivile Regierung ins Amt kommen soll. Zudem sollen alle politischen Gefangenen mit sofortiger Wirkung freigelassen werden. 1) BuzzFeed News: Sudanese President Omar al-Bashir Has Been Arrested; Artikel vom 11.4.2019
Obwohl der Rücktritt al-Bashirs und die Ankündigungen des Militärs eine direkte Reaktion auf die seit Monaten anhaltenden Proteste im Land darstellen, gab sich die Mehrheit der Protestierenden skeptisch und befürchtet eine Fortsetzung der rigiden Politik des ehemaligen Amstinhabers – lediglich mit anderen Gesichtern. Zu tief sitzt der Stachel, der sich in das kollektive Gedächtnis der sudanesischen Bevölkerung während drei Jahrzehnten Diktatur gebohrt hat. Auch al-Bashir ist ein ehemaliger Militär, der 1989 unblutig an die Macht gelangte. Sowohl als Soldat als auch als Regierungschef war er maßgeblich am Bürgerkrieg im Land beteiligt. Seit 2009 wird er vom internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und der Völkermord in Darfur zur Last gelegt. 2) BuzzFeed News: Sudanese President Omar al-Bashir Has Been Arrested; Artikel vom 11.4.2019
Der Sudan ist ein von Konflikten geprägter Staat, deren Ursprünge bereits während der britischen Kolonialzeit zwischen 1899 und 1956 zu finden sind. Damals bildeten der Norden und Süden des Landes zwar formal eine Einheit, die Landesteile wurden von der Kolonialmacht aber getrennt voneinander verwaltet. Zudem behandelten die Briten den Norden ihrer Kolonie bevorzugt und statteten ihn mit weitreichenden Machtbefugnissen gegenüber dem Süden aus. Gleichzeitig unterdrückten sie die wirtschaftliche Entwicklung der südlichen Landesteile und verboten der dortigen Bevölkerung den Islam und die arabische Sprache. Als der Sudan 1956 schließlich seine Unabhängigkeit erlangte, hatten sich im Süden bereits die ersten Rebellengruppierungen formiert, die gegen die ungleiche Behandlung durch den Norden auflehnten und zu den Waffen griffen. 3) CNN: Historic day ahead after decades of war; Artikel vom 6.1.2011 4) reliefweb: The roots of conflict in Sudan; Beitrag vom 23.7.2004
Zunächst forderte der Süden ein Ende der Ungleichbehandlung durch den Norden und einen Autonomiestatus der südlichen Landesteile. Der darauf folgende Krieg wurde insbesondere von Seiten der Regierung in Khartum mit übertriebener Härte geführt – so zumindest die südsudanesische Sichtweise. Vor allem in den ersten Kriegsjahren wurden im Süden unzählige Dörfer überfallen und niedergebrannt, Zivilisten gefoltert und getötet und vermeintliche politische Gegner inhaftiert. Im Februar 1972 handelte der neu-gewählte Präsident Numairi ein Friedensabkommen mit den Rebellen im Süden aus und gewährte ihnen die lang ersehnte Autonomie. Dieser Frieden sollte jedoch nur 11 Jahre bestehen bleiben. 5) Wikipedia: Sezessionskrieg im Südsudan; Stand 17.4.2019 6) Genocide Alert: Der Bürgerkrieg im Sudan – Hintergründe des Nord-Süd-Konflikts; Beitrag vom 6.9.2010
Im Jahr 1983 schließlich entzog die Regierung in Khartum den südlichen Landesteilen die zuvor zugestandene Autonomie. Als Omar al-Bashir 1989 an die Macht kam, befand sich das Land bereits wieder seit fast 6 Jahren im Bürgerkrieg. Al-Bashir hatte zuvor selbst als Kommandant im Konflikt gegen den Süden teilgenommen und befehligte damals zahlreiche Operationen gegen südsudanesische Rebellen. Obwohl er von Anfang an das Ziel hatte, die Einigkeit des Sudans zu bewahren, schloss er 2005 ein Friedensabkommen mit der SPLM – der südsudanesischen Befreiungsbewegung unter John Garang. Dieses Abkommen mündete letztlich in die Abspaltung des Südsudans per Volksentscheid im Jahre 2011. Auch hier stellte sich al-Bashir nicht entgegen. 7) Genocide Alert: Der Bürgerkrieg im Sudan – Hintergründe des Nord-Süd-Konflikts; Beitrag vom 6.9.2010 8) BBC News: Omar al-Bashir: Sudan´s ousted president; Artikel vom 11.4.2019
Etwa zur gleichen Zeit als Khartum das Friedensabkommen mit dem Süden schloss, flammte in Darfur – eine Region im Westen des Sudans – ein neuer Konflikt auf. Dort kämpfen seit 2003 arabische Dschandschawid-Milizen mit Unterstützung des sudanesischen Militärs gegen örtliche Rebellen, die sich gegen ihre Unterdrückung und Vernachlässigung durch Khartum wehren. Den Milizen werden dabei schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung, Folter und Zwangsvertreibung nachgesagt. Zudem sollen sie für zahllose Angriffe auf Zivilisten und die Plünderung von tausenden von Dörfern verantwortlich sein. Seit dem Ausbruch des Konflikts starben nach Angaben der Vereinten Nationen 300.000 Menschen, über 2,5 Millionen flüchteten. Und hier spielt Omar al-Bashir eine entscheidende Rolle, denn er soll wesentlich für das brutale Vorgehen der Milizen verantwortlich sein und dieses sogar gezielt gefördert haben. 9) BBC News: Omar al-Bashir: Sudan´s ousted president; Artikel vom 11.4.2019 10) Welt: Der stille Völkermord des Omar al-Bashir; Artikel vom 18.7.2008
Der Westen bzw. die internationale Staatengemeinschaft trägt eine wesentliche Mitverantwortung an der langen Amtszeit des Diktators. Insbesondere die EU behandelte den Despoten als einen wichtigen Partner im Migrationsmanagement – obwohl dieser bereits seit Jahren per internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Im Rahmen des sogenannten Khartoum-Prozesses soll die Kooperation mit ostafrikanischen Staaten – darunter der Sudan – verstärkt werden. Dabei ist es das vorrangige Ziel der EU, Migranten bereits im Herkunftsland zurückzuhalten. Im Fokus der Zusammenarbeit stehen die Schulung von Beamten sowie die Stärkung der Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Deutschland gilt als der federführende Staat im Rahmen des Prozesses und hat die Kooperation mit den entsprechenden Staaten mitinitiiert. 11) Youtube: Grenzen dicht – Europas Pakt mit Despoten; Beitrag vom 30.8.2015 12) Amnesty International: Europäische Migrationspolitik: Der Khartoum-Prozess; nicht mehr verfügbar
Aber auch im Zuge der diplomatischen Bemühungen des Westens hinsichtlich der Abspaltung des Südsudan wurde der Diktator als zuverlässiger Verhandlungspartner angesehen und sein Regime und sein Vorgehen so legitimiert. Die USA beispielsweise unterstützten die Sezession der südlichen Landesteile von Anfang an. Und auch hier lohnt es sich, auf die wahren Beweggründe dieser Bemühungen zu sehen: Die größten Erdöl- bzw. Petroliumreserven des Sudan liegen in den südlichen Landesteilen. Wer auch immer sich dem neuen Regime des Südsudan wohlgesonnen zeigt und es unterstützt, dem winken lukrative Vorzüge bei der Vergabe von Bohrkonzessionen. So umgarnte man Omar al-Bashir, um schließlich seine Zusage für die Abspaltung des Südsudan zu erhalten. 13) AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan – Die tödlichen Folgen des Kolonialismus; Stand April 2019 14) epo: Sudan – GfbV fordert Entschädigung der Opfer des Bashir-Regimes; Artikel vom 23.4.2019
Nun ist al-Bashir nicht mehr Präsident. Er hinterlässt ein Land, in dem mehr als 45 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Jahrelang hat der Diktator in die eigene Tasche gewirtschaftet. Man geht davon aus, dass sich sein Vermögen auf europäischen Konten auf knapp 9 Milliarden US-Dollar beläuft. Auch diesen Vorwürfen wurde niemals ernsthaft nachgegangen. Hinzu kommen all die Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen, die al-Bashir während seiner Amtszeit begangen bzw. zu verantworten hat. Hunderttausende mussten sterben, insgesamt 3.7 Millionen Sudanesen befinden sich auf der Flucht. 15) Amnesty International: Europäische Migrationspolitik: Der Khartoum-Prozess; nicht mehr verfügbar 16) epo: Sudan – GfbV fordert Entschädigung der Opfer des Bashir-Regimes; Artikel vom 23.4.2019
Fußnoten und Quellen:
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