Guinea: Wie der Bauxitabbau zur Flucht und Vertreibung führt
In Westguinea haben Einwohner von 13 Dörfern zusammen eine Klage gegen die International Finance Corporation (IFC) wegen Finanzierung des Ausbaus einer schädlichen Bauxitmine eingereicht. Die Beschwerde, die beim unabhängigen Überwachungsbeauftragten der IFC, eingereicht wurde, beschreibt Verstöße gegen die Umwelt- und Sozialstandards sowie das Völkerrecht. Das finanzierte Unternehmen Campaigne des Bauxites de Guinée habe ihnen das Land weggenommen, ihren Lebensunterhalt existenziell bedroht und die lokale Umwelt geschädigt. „Internationale Bergbauunternehmen haben mit den reichen Bodenschätzen Guineas ein Vermögen verdient, während die vom Bergbau betroffenen Gemeinden im wahrsten Sinne des Wortes im Staub gelassen wurden“, sagte Mathilde Chiffert, Koordinator für Inclusive Development International in Westafrika. „Es ist höchste Zeit für Gemeinden, einen angemessenen Anteil an Vorteilen zu erhalten.“ 1) Inclusive development international: Thirteen Guinean villages lodge complaint against World Bank for financing destructive bauxite mine, Artikel vom 8.3.2019
In Campaigne des Bauxites de Guinée (CBG) agieren die guineische Regierung und multinationale Unternehmen wie: der US-Aluminiumkonzern Alcoa, der anglo-australische Bergbaugigant Rio Tinto und ein in Guernsey (UK) registrierter Anbieter von qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen auf Aluminiumoxidbasis, Dadco. Seit 1973 betreiben sie die größte Bauxitlagerstätte in Sangarédi in der Region Boké in Guinea. Die Entwicklung des Bergbausektors wurde jedoch seit Jahren durch schlechte Regierungsführung und mangelnde Infrastruktur behindert. Aus dem Grund folgte die Unterstützung von IFC durch ein 200 Millionen US-Dollar Investitionspaket. Deren Erwartungen nach soll die Investition die Produktionskapazitäten der Mine bis 2019 von 13,5 Millionen Tonnen auf 18,5 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen und eine verbesserte Eisenbahn soll mehr Investitionen in Bergbauprojekte in der Region anlocken und den Bewohnern entlang des Eisenbahnkorridors eine sichere und zuverlässigere Transportmöglichkeit ermöglichen. Die Oversease Private Investment Corporation der US-Regierung stellte zusätzliche 150 Millionen US-Dollar bereit. Weitere 473 Millionen US-Dollar stammten von einem Konsortium an Geschäftsbanken: der französischen Société Générale, BNP Paribas, Crédit Agricole und Natixis; der deutschen Tochtergesellschaft der ING Bank, die ING-DiBa; und zwei guineischen Banken, die Société Générale de Banques en Guinée und die Banque Internationale für Handel und Industrie de la Guinée, ein Mitglied der BNP Paribas-Gruppe. Die deutsche Regierung garantierte auch einen Teil der Finanzierung. 2) Inclusive development international: Thirteen Guinean villages lodge complaint against World Bank for financing destructive bauxite mine, Artikel vom 8.3.2019 3) The assay: Mining for long-term change in Guinea, Artikel vom 27.7.2018
Der Bauxitabbau in Guinea, eins der ärmsten Länder der Welt, boomt. Guinea beherbergt die größten Reserven der Welt und seit 2015 macht die Regierung von Präsident Alpha Condé Guinea zu einem weltweit führenden Exporteur. Dabei wird das meiste Bauxit nach China exportiert, wo der Großteil des globalen Aluminiums produziert wird. Der abgebaute Bauxit wird zu Aluminium verarbeitet, das von großen Verbrauchermarken zur Herstellung von Autos, Getränkedosen und Technologie verwendet wird. Obwohl der Bauxitabbau eine Quelle für die benötigten Steuereinnahmen darstellt, Arbeitsplätze und Gewinn für die Bergbaugesellschaften ermöglicht, profitieren nur wenige Guineer von solchen Projekten. Knapp 70 Prozent der Bevölkerung lebt von weniger als 2 US-Dollar am Tag. Viele Menschen fliehen aus Guinea vor der Armut und die Zahlen der Flüchtlinge aus Guinea sind in den letzten beiden Jahren stark gestiegen. Laut UNHCR kamen im Jahr 2016 13 345 Guineer und Guineerinnen übers Mittelmeer in Italien an. 4) Human Rights Watch: What do we get out of it?, Artikel vom 4.10.2018 5) Amnesty International: Flüchtlinge aus Guinea in der Schweiz, Artikel vom 23.10.2018
In Guineas Dörfern herrschen traditionelle Gesetze, die das Recht einer Familie oder einer Gemeinschaft auf Land aufgrund ihrer langjährigen Verbindung mit dem Gebiet anerkennen. Da sehr wenige Dorfbewohner ihren Landbesitz formell registriert haben, stufen Bergbaugesellschaften solche Flächen als „Eigentum des Staates“ ein. Dies ermöglicht eine Erwerbung des Landes, ohne die Einwilligung der Landwirte und ohne angemessene Entschädigung. Die Situation ist besonders schwer für die Bewohner des Dorfes Hamdallaye, da sie ohne Zustimmung unmittelbar in einem ehemaligen Bergbaugebiet umgesiedelt werden, das nicht ordnungsgemäß saniert wurde. „Sie haben sich auf unsere Felder ausgedehnt, die Bereiche, auf die wir angewiesen sind. Und jetzt wurde das meiste von unserem fruchtbaren Land genommen“, sagte ein Gemeindeleiter aus Boundou Waadé, einem Dorf, das von fünf CBG-Minen umgeben ist. „Das Unternehmen hat unsere Existenzmittel zerstört.“ Satellitenbilder von Hamdallaye zeigen einen Verlust von 40 Prozent ihres Landes durch die Bergbauaktivitäten von CBG. Die Enteignung von Land für den Bergbau führt unter anderem auch zur Wasserknappheit. Auf der einen Seite verursacht der Bauxitabbau einen Zustrom an Arbeitssuchenden, wobei dies den Mangel an Wasser umso mehr belastet. Auf der anderen Seite müssen Frauen und Mädchen, die in erster Linie für das Wasserholen zuständig sind, auf längere Strecken zugreifen oder länger warten, um die verbliebenen und überlasteten Quellen zu nutzen. Eine Frau aus einem Dorf in der Nähe eines Konsortialhafens sagte, dass sie um 4 oder 5 Uhr morgens aufwacht, um Wasser zu holen. „Ich nehme meine Kinder mit, so dass sie, wenn wir fertig sind, zur Schule gehen können“, sagte sie. Außerdem deuten die Untersuchungen von Human Rights Watch darauf hin, dass das Unternehmen nicht genug unternommen hat, um Schäden an den Wasserressourcen zu vermeiden. „Der Fluss, an dem wir Wasser ziehen, wurde durch den roten Schlamm verschmutzt, der aus der Mine abfließt“, sagte ein Gemeindeleiter aus einem Dorf in der Nähe einer Mine. Der Fluss wurde als Trinkwasser zum Waschen und Angeln benutzt, jedoch ist dies nicht mehr möglich. Die Dorfbewohner sind auch von Staub und Fahrzeugemissionen betroffen. „Sogar unser Speichel hat sich durch den Staub verfärbt“, sagte eine Frau aus einem Dorf neben einer Bergbaustraße. Allein im Jahr 2018 fuhren täglich 4 000 bis 5 000 Fahrzeuge pro Tag. 6) Human Rights Watch: What do we get out of it?, Artikel vom 4.10.2018 7) Amnesty International: Flüchtlinge aus Guinea in der Schweiz, Artikel vom 23.10.2018
Wo Bergbauunternehmen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, müssen sie von der guineischen Regierung und dem Parlament zur Rechenschaft gezogen werden. Eine entwicklungsorientierte Regierung könnte zwar Investitionen im Sektor anstreben, sollte aber auch Bergbauprojekte aussetzen oder stoppen, bei denen Unternehmen den im guineischen Recht verankerten Umweltschutz, den sozialen Schutz und den Schutz der Menschheit hartnäckig oder beharrlich missachten. Andernfalls könnte dies bedeuten, dass der Bergbau nicht nur ein Teil der Lösung für Guineas Entwicklung ist, sondern auch eine Bedrohung für die Gemeinschaften und letztendlich einen Fluchtgrund darstellt. 8) Human Rights Watch: What do we get out of it?, Artikel vom 4.10.2018
Fußnoten und Quellen:
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