Bundesregierung plant fragwürdige Finanzierung gewalttätiger kamerunischer Streitkräfte
Am 7. Oktober stehen in Kamerun die Präsidentschaftswahlen an. Doch in dem westafrikanischen Land herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Bisher sind mindestens 276.000 Menschen geflohen – ein Großteil davon intern und circa 30.000 in das Nachbarland Nigeria. Kamerun ist nicht nur ehemalige deutsche Kolonie. Die Bundesregierung plant auch, kamerunische Streitkräfte im Rahmen des militärischen Ausstattungshilfeprogramms zu fördern. Dadurch besteht die Gefahr, automatisch die dahinter stehenden staatlichen Strukturen zu stärken, die für den Konflikt im Land verantwortlich sind, da nicht garantiert werden kann, dass sich die von Deutschen ausgebildeten Sicherheitskräfte nicht an Repressionen beteiligen. 1) Entwicklungspolitik online: Massenexodus gefährdet Glaubwürdigkeit von Wahlen; Artikel vom 01.10.2018 2) Entwicklungspolitik online: Konflikt spitzt sich vor den Wahlen zu; Artikel vom 04.10.2018
Die Auseinandersetzungen in Kamerun sind bis in die Kolonialgeschichte zurückzuführen. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde das ehemalige Protektorat Deutsch-Kamerun in ein britisches und ein französisches Mandatsgebiet aufgeteilt. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1960 herrschten im Land föderale Strukturen, sodass anglophone und frankophone Bevölkerung friedlich miteinander leben konnten. 1972 wurde diese Struktur jedoch aufgehoben und alle Teile des Landes mussten sich nach der Hauptstadt Yaoundé und der dortigen frankophon dominierten Regierung ausrichten. 3) Neue Züricher Zeitung: Kamerun im Würgegriff seines Patriarchen; Artikel vom 03.10.2018
Vor zwei Jahren nun starteten friedliche Demonstrationen der englischsprachigen Bevölkerung, die sich von der französischsprachig-dominierten Zentralregierung benachteiligt und übergangen fühlten. Staatspräsident Paul Biya regiert seit nunmehr 35 Jahren das Land und die Situation der Menschen scheint sich in keinem Bereich zu verbessern – im Gegenteil. Als die Proteste im Westen des Landes immer größer werden, reagiert Biya hart und lässt sie brutal niederschlagen. Wortführer der Proteste werden festgenommen und inhaftiert. Innerhalb kürzester Zeit ist so die Situation eskaliert und aus einem zu Beginn harmlos scheinenden Konflikt eine blutige Auseinandersetzung geworden – und durch die harte Reaktion der Regierung zu einem bewaffneten Aufstand. Rebellen und Milizen gruppierten sich und setzten sich fortan für die Abspaltung der beiden englischsprachigen Gebiete von Kamerun und für die Schaffung eines neuen Staates ein. Vor einem Jahr, am 1. Oktober 2017, rief dann der radikale Flügel der Anglophonen die Unabhängigkeit dieses Staates aus – unter dem Namen „Ambazonia“. Seither wurde eine friedliche Lösung des Konfliktes immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Inzwischen kommt es Tag für Tag zu Spannungen zwischen den sich gegenüber stehenden Seiten. Mitglieder von Milizen, Armeeangehörige und unbeteiligte Zivilisten werden getötet. Auch in der Hauptstadt wird die Situation immer dramatischer – Polizisten dringen in Privathäuser ein und verhaften Kritiker und Aktivisten. 4) Entwicklungspolitik online: Konflikt spitzt sich vor den Wahlen zu; Artikel vom 04.10.2018 5) Neue Züricher Zeitung: Kamerun im Würgegriff seines Patriarchen; Artikel vom 03.10.2018 6) Deutschlandfunk: Präsident Biya hängt an der Macht; Artikel vom 02.10.2018
Etwa ein Fünftel der 23 Millionen Einwohner Kameruns gehört zur anglophonen Minderheit. Die Bevölkerung des westafrikanischen Landes ist zudem arm und jung – 75 Prozent kennen nur Paul Biya als Präsidenten, die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. Den Menschen fehlt nicht nur seit langem eine wirtschaftliche Perspektive – sie sehen sich nun auch mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert, die kein sichtbares Ende haben. Der 85-jährige Staatspräsident tritt nun kommende Woche wieder zur Wahl an, zu seiner siebten Amtszeit. Er möchte den Schein der Normalität wahren, um den Wahlen die nötige Legitimität zu verleihen – dazu nimmt er Tote in Kauf. Vertriebene werden mit Gewalt von Ordnungskräften an der Flucht gehindert. Gleichzeitig wollen die Aufständischen genau das Gegenteil zeigen – dass glaubwürdige freie, unabhängige, demokratische Wahlen in den Gebieten in bürgerkriegsähnlichen Zuständen nicht möglich sind. Die anglophone Minderheit Kameruns flieht also massenhaft – und der Präsident versucht diese Flucht gewaltsam einzudämmen. 7) Entwicklungspolitik online: Massenexodus gefährdet Glaubwürdigkeit von Wahlen; Artikel vom 01.10.2018 8) Neue Züricher Zeitung: Kamerun im Würgegriff seines Patriarchen; Artikel vom 03.10.2018
Die Gesellschaft für bedrohte Völker wirft den Bürgerkriegsparteien mangelnden Respekt und Schutz der Zivilbevölkerung vor. Sie fordert die Behörden auf, Zivilisten nicht wegen der Präsidentschaftswahlen an der Flucht zu hindern. Zudem ruft sie die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, eine politische Lösung des Konflikts und einen wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung einzufordern. Frank Wiegandt, Kamerun-Referent bei MISEREOR präzisiert: „Zum jetzigen Zeitpunkt sind Wahlen das völlig falsche Signal, da sie zu einer weiteren Spaltung und Verschärfung der Gewaltspirale führen“. MISEREOR-Partner plädieren außerdem dafür, die anstehende Wahl zu verschieben – zumindest bis der drohende Bürgerkrieg abgewendet ist. Die Arbeit an einem Dialog zu einer zivilen Konfliktlösung sollte im Vordergrund stehen. Daran sollte sich auch Deutschland, insbesondere wegen seiner kolonialen Vergangenheit in Kamerun, beteiligen – statt dessen Streitkräfte finanziell zu unterstützen. 9) Entwicklungspolitik online: Massenexodus gefährdet Glaubwürdigkeit von Wahlen; Artikel vom 01.10.2018 10) Entwicklungspolitik online: Konflikt spitzt sich vor den Wahlen zu; Artikel vom 04.10.2018
Fußnoten und Quellen:
Herbert Ossenberg Engels
Veröffentlicht um 12:22h, 15 JanuarDas sind wertvolle und richtige Informationen.Die Situation ist jetzt noch viel ernster geworden. Durch die Vermittlung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sind nun 2.000 Elitesoldaten aus dem Tschad auf Seiten der frankophonen Republik Kamerun LRC im Einsatz gegen die anglophonen Kameruner. Aber dieser ungerechte Krieg gegen die eigene Bevölkerung kann nicht gewonnen werden.
Der Rufer in der Wüste, Dr.Wirba aus der Nord-West-Region (Ambazonia) sagt: